St. Antonius-Kapelle zu Neuhof

Das alte Land Braunschweig schiebt sich mit einer kleinen Spitze weit in südliche Richtung vor und erreicht bei Walkenried und Neuhof beinahe den Breitengrad von Göttingen.
Von Braunschweig kommend, ist man dort verwundert, den Harz schon hinter sich gelassen und Thüringen vor sich zu haben. Nur die unselige Grenze, die Neuhof hart bedrängte, hinderte daran, einen Abstecher zum nahen Nordhausen, in die Goldene Aue oder zum Kyffhäuser zu machen. Die Menschen hier sprechen schon einen deutlich thüringischen Akzent, doch man ist wirklich noch im Braunschweiger Land, wenn auch nur auf einem Zipfel; denn gleich westlich beginnt politisch die ehemalige Provinz Hannover und kirchlich die Exklave Bad Sachsa. Dieses Gebiet gehörte ursprünglich zur unierten Kirchenprovinz Sachsen und schloß sich nach der deutschen Teilung nicht der lutherischen Kirche Braunschweigs oder Hannovers, sondern der unierten Kirche Westfalens an. Walkenried und Neuhof waren früher Gemeinden der ehemaligen Propstei Blankenburg, die 1945 geteilt wurde, aber noch bis zum 31. März 1976 bestand. Die Gemeinden Braunlage, Hohegeiß, Wieda, Zorge und Walkenried mit Neuhof legte man zu diesem Zeitpunkt zur Propstei Bad Harzburg und vollzog damit endgültig eine Trennung der gewachsenen Verbindungen zu Blankenburg.
 

St. Antonius-Kapelle Neuhof - Grundriß und Längsschnitt.

Die jenseits der Grenze liegenden Gemeinden wurden zunächst von der sächsischen Kirche in Dresden betreut und sind heute zur Kirchenprovinz Sachsen mit Sitz in Magdeburg hinzugelegt.
1238 erwarb das Kloster Walkenried einen Fischteich mit Wiese „iuxta villam Nuwendorp“. Ein älteres Dorf muß damals zerstört gewesen sein, als ein eigener Wirtschaftshof des Klosters an die Stelle des ehemaligen Dorfes trat und „Neue Hof“ genannt wurde.
Die erste St. Antonius-Kapelle wurde 1323 geweiht und als Filial von Branderode genannt. Diese Verbindung bestand bis 1853. Das Patronat lag in den Händen der Landesherrschaft, die gleichzeitig die „subsidiarischen Verpflichtungen zu den Kirchbaukosten“ hatte.
Um diese Verpflichtung hat es in der Geschichte immer wieder Streit und Prozesse gegeben, wobei es häufig auch um die Hand- und Spanndienste der Gemeinde ging. Im Falle des finanziellen Unvermögens der Kirchengemeinde mußte jeweils die Landesherrschaft die Bauunterhaltungskosten tragen.
Die alte St. Antonius-Kapelle bestand aus Fachwerk und war mit dem Schulhaus zusammengebaut, denn 1837 heißt es, daß sich die Baufälligkeit von Schule und Kapelle vermehrt habe, daß neue Schwellen unter den Umfassungswänden nötig seien und daß der Regen durch die Wände treibe.
Schließlich wird gemeldet, daß ein Teil des Schulgebäudes eingebrochen sei und dabei höchstwahrscheinlich „eine frevelhafte Hand im Spiele war“. 1838 stürzen Teile von Kirche und Schule ein. Es verstärken sich die Wünsche nach einem Neubau, der eine „bessere und geschmackvollere Außenseite“ bekommen soll. 1839 werden Neubauplanung („in gotischem Style“) und Kostenanschlag des Baukondukteurs Frühling aus Blankenburg genehmigt. Ein Platz für die Orgel und eine Prieche, die in dieser Planung offensichtlich nicht vorgesehen waren, wird ausdrücklich gefordert. Dazu muß eine Erhöhung des Gebälks und der Umfassungswände vorgenommen werden. Die Platzzahl wird bei etwa 340 Einwohnern mit 147 angegeben.
1841 ist der Neubau abgeschlossen, es fehlen jedoch noch Teile des Innenausbaus und der Ausstattung. Inzwischen laufen Verhandlungen über die Änderung der pfarramtlichen Zuordnung der Gemeinde Neuhof. Die Herzogliche Baudirektion zu Braunschweig schreibt 1853: „Nach dem die Einpfarrung des bisher zur Parochie Clettenberg gehörig gewesenen Vorwerks Neuhof nach Walkenried Zustande gekommen ist, ist vom Herzoglichen Staatsministerio durch den diesjährigen Zahlungsetat des Stiftsfonds Walkenried die zur Errichtung einer Kanzel in der Kapelle zu Neuhof erforderliche Summe...“ bewilligt. Die Zeichnung (Abb. 1) mit durchgeformten neu gotischen Details vermittelt den Eindruck reformierter Nüchternheit und dokumentiert durch die Anordnung der Kanzel in Raummitte über dem Altar die noch von der Aufklärung beeinflußte Bedeutung des Predigtwortes.

Abb. 1: St. Antonius-Kapelle Neuhof - Planung der Sakristei und der Kanzel
von 1853.
Abb. 2: St. Antonius-Kapelle Neuhof - Planung von gußeisernen Fenstern, 1886.

1864 beginnen Überlegungen zur „Vermehrung der Plätze“ auf einer Seitenprieche. 1885 schließlich plant Kreisbaumeister Spehr aus Blankenburg einen Anbau an der Ostseite der Kapelle, auf der durch den Abbruch des alten Schulhauses Platz gewonnen werden könnte. Ein achteckiger Chorraum soll eine Sakristei einschließen, da sich bisher der Prediger vor dem Gottesdienst in der Schule aufhalten muß.
Die Kapelle wird in einem Brief der Herzogl. Braunschweigisch-Lüneburgischen Baudirektion an die Herzogl. Kammer-Direktion der Domänen beschrieben: „... die Kapelle im jetzigen Zustand als gesundheitsschädlich und zum Gottesdienst fast untauglich bezeichnen müssen ...“. Nachdem es wiederum zu Auseinandersetzungen über die Finanzierung gekommen ist, wird 1886 ein neuer Entwurf erwähnt, dem vermutlich die ein paar Jahre später begonnene Ausführung entspricht und der eine kubische Verlängerung des Baukörpers in der heutigen Form vorsieht. In der Höhe abgesetzt, verlängert man die Seitenwände und nimmt wenig Rücksicht auf die bis dahin freistehenden schräggestellten Strebepfeiler. Die verfaulten Holzfenster des Kapellenschiffes sollen nach einem überlieferten Detailplan (Abb. 2) neue Rahmen aus Gußeisen und Bleiverglasung erhalten.
Aus den folgenden Jahrzehnten sind nur wenige Baunachrichten zu finden. 1911 wird die abgängige alte Orgel durch ein Werk der Firma Faber und Greve aus Salzhemmendorf ersetzt.
1949 gehen die Baulasten an der Kapelle Neuhof von der Domäne Walkenried auf die 1934 aus Vermögensteilen des Braunschweigischen Vereinigten Kloster- und Studienfonds entstandenen Braunschweig-Stiftung über. Die Hand- und Spanndienste verbleiben bei der Gemeinde.
Im gleichen Jahr setzen Klagen über den schlechten Zustand des Gebäudes, insbesondere des älteren Kapellenteiles, ein. Die schlechte Dachhaut führt 1952 zu einem Teileinsturz der Decke, wodurch die Orgel unbespielbar wird. 1955 muß das Läuten wegen morscher Deckenbalken eingestellt werden. Durchgreifende Reparaturarbeiten setzen 1956 ein und ziehen sich über viele Jahre hin.
Eine räumliche Veränderung im Altarbereich wird 1966 vorgenommen, indem ein Gemeinderaum mit einer Falttür vom Kirchenraum abgetrennt wird. Ein neues Orgelpositiv der Orgelwerkstatt Hammer aus Arnum wird zwei Jahre später auf der Westernpore aufgestellt. Es enthält sechs Manual- und ein Pedalregister.
Die äußere Erscheinung der St. Antonius-Kapelle wird durch die einheitliche Verwendung des in dieser Region beheimateten Harzer Dolomitsteines geprägt. Der ältere würfelförmige Baukörper erfährt durch die vorspringenden und an den Ecken schräggestellten Strebepfeiler eine Überhöhung im neu gotischen Sinne. Die aufgesetzten Fialen, die als Abschluß ein metallenes Kreuzblümchen tragen, unterstützen diese Absicht. In den Fenstergliederungen spürt man die Nähe des Klosters Walkenried mit seinen in Stein gehauenen Maßwerkformen. Das Satteldach des älteren Baukörpers trägt in der Mitte einen Dachreiter mit quadratischem Grundriß, dessen verschieferte Zeltspitze in einer Kugel endet. Die vier holzbeschlagenen Seiten sind zu kleinen Giebeln aufgefaltet.
Die pfarramtliche Betreuung der Gemeinde Neuhof geschieht von Walkenried aus. Die St. Antonius-Kapelle gehört mit 118 Plätzen im Schiff und 20 auf der Empore zu den großen Kapellengebäuden im Gebiet der Braunschweigischen Landeskirche.

Kontakt: Pfarramt, Pfarrplatz 6, 37445 Walkenried. Telefon 05525 - 800, Fax 05525 - 959645, E-Mail: pfarrer@kirchengemeinde-walkenried.de

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