Höhle im Steinberg

Tief unter der Steinkirche

Scharzfeld / Harz

"Die hält", versichert der Mann mit Helm und dicker Jacke zuversichtlich. Dennoch: Die Metalleiter kippelt bedenklich beim Hinabsteigen in den dunklen Schacht. Etwa 10 Meter führen die Sprossen hinunter in den Berg unter den Boden der Steinkirche bei Scharzfeld, wo derzeit durch die Stadt Herzberg bisher unerforschte Kluftgänge freigelegt und untersucht werden. Wieder Leitern, diesmal etwas sorgfältiger justiert: Der Blick fällt unweigerlich auf die Höhlengänge weitere 10 Meter darunter, als Lichter durch die Dunkelheit zittern. Kreisarchäologe Dr. Stefan Flindt führt in einen Höhlenraum, der derzeit von eingeschwemmtem Lehm befreit wird, um den weiteren Verlauf der Gänge zu erkennen.

Arbeiten in der Steinkirche bei Scharzfeld - Der "Schacht" als Teil eines Höhlensystems im Steinberg?

Zwei natürliche Kluftgänge wurden entdeckt

Seit dem 22. September 1997 läßt die Stadt Herzberg am Harz unter fachlicher Beratung des Kreisarchäologen Dr. Stefan Flindt und im Einvernehmen mit der Realgemeinde Scharzfeld den in der Steinkirche befindlichen "Schacht" im Rahmen einer zunächst bis zum 21.12.1997 befristeten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme von Unrat säubern. Die Aktion steht unter der Leitung eines erfahrenen Bergmannes des ehem. Erzbergwerks Bad Grund.

Im Zusammenhang mit diesen Arbeiten, bei denen bisher ca. 50 m³ Material (12 m³ Unrat und 38 m³ Erdmaterial) aus dem Schacht arbeitsintensiv eimerweise herausgefördert und im Nahbereich des Eingangs der Steinkirche einplaniert wurde, sind inzwischen eine Schachttiefe von 17,50 Meter erreicht und zwei davon abzweigende leicht ansteigende 10 bzw. 13 Meter lange natürliche Kluftgänge festgestellt worden, die anläßlich der Untersuchungen des bekannten Harzforschers Dr. Friedrich Stolberg im Jahr 1924 in dieser Lage nicht bekannt und daher nicht erforscht worden waren.

Im Verlauf der Säuberungsarbeiten hat sich aufgrund einer an der Dolomitwand vermerkten Jahreszahl allerdings herausgestellt, daß der Schacht offenbar bereits in den 20er oder 30er Jahren schon einmal bis in die gewachsenen geologischen Schichten hinein ausgeräumt worden war. Archäologische Befunde ließen sich deshalb bisher nicht feststellen.

Da die Arbeiten, die sich inzwischen auf die Freilegung bisher noch unbekannter, von außen eingeschwemmtes Feinmaterial (Dolomitsand und Löß) verfüllter Hohlräume konzentrieren, bisher noch nicht abgeschlossen sind, ist zu vermuten, daß dieser "rätselhafte" Schacht noch weitere Geheimnisse birgt; insbesondere ist nicht auszuschließen, daß er den Zugang zu ein den Steinberg durchziehendes Höhlensystem bildet. Näheren Aufschluß darüber wird die Fortsetzung der Arbeiten geben, durch die ferner auch die exakten geowissenschaftichen Voraussetzungen für die Genese von Sedimentfallen in verkarsteten Bereichen erkundet und die Möglichkeit zu weiteren Aussagen hinsichtlich der Entwicklung der späteiszeitlichen Fauna geschaffen werden sollen.

Die aus vier Mann bestehende Einsatzgruppe hat parallel zu den Arbeiten im "Schacht" zusätzlich die Schachtöffnung durch Gitter sowie das rechts dem Eingang der Steinkirche befindliche Steingrab durch eine Trockenmauer gesichert, den aus dem Mönchetal zur Steinkirche hinaufführenden Hangweg wieder in einen ordentlichen, begehbaren Zustand versetzt und zwei dort stehende Ruhebänke erneuert.

Die erforderlichen fünf LKW Wegebaumaterial stellte Betriebsleiter Schirmer von den Harzer Dolomitwerken der Stadt kostenlos zur Verfügung. Die bergmännische Ausrüstung der Einsatzgruppe hat Betriebsführer Mattlener von der Deutschen Baryt - Industrie, Bad Lauterberg, der Stadt leihweise zur Verfügung gestellt.

Der bisherige Stand der Arbeiten gibt Veranlassung, nachfolgend einmal die Entstehung und Geschichte der Steinkirche, soweit sie bisher bekannt ist, darzustellen: In ihrer heutigen Erscheinungsform und kulturgeschichtlichen Bedeutung kann die Steinkirche als eines der wichtigsten Kulturdenkmale nicht nur des Harzes und des südniedersächsischen Berglandes, sondern ganz Niedersachsens angesprochen werden, wobei sich diese Bedeutung nicht allein auf die Funktion als sakraler Platz, d.h. als einer aus einer natürlichen Felsenhöhle umgestalteten Höhlenkirche, bezieht.

Der vom Mönchetal zur Steinkirche emporführende Weg endet in 260 m Höhe ü. NN, auf einem Vorplatz, der vom Hang des Steinberges mit einer etwa neun Meter senkrecht aufragenden Felswand begrenzt wird, an der deutliche Bearbeitungsspuren erkennbar sind. Gegen Süden bietet sich ein weiter Blick über die Niederung des Odertales und die Höhenzüge, die das südliche Harzvorland vom Eichsfeld trennen.

[ Horst Knoke: Der Schacht in der Höhlenkirche (Steinkirche) bei Scharzfeld ]

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Quelle: Harzkurier vom 10/12/97

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