Karstmorphologische Kartierung
des Hainholzes (Südharz)

von
HEINZ JORDAN
mit 2 Tabellen und 1 Karte

K u r z f a s s u n g : Die Karstformen des Gipssteinmassivs Hainholz wurden aufgenommen und in einer Karte i.M. 1 : 5 000 ( Beilage ) dargestellt. Es ergab sich eine Abhängigkeit von der geologischen Position: Im Sommersitz-Abschnitt ist der Gipsstein erst relativ kurz durch die Erosion freigelegt, hier sind als offenbar "frühe Karstformen" Karstkegel vollkommen ausgebildet. Im Bollerkopf- und Jettenhöhlen-Abschnitt ist die fortgeschrittene Ablaugung am massenhaften Auftreten großer Erdfälle und zugänglicher Höhlen kenntlich. Entlang der Bollerkopfbach-Störung, die das Gipskarstgebiet im NE begrenzt, sind Erdfälle und einzelne Bachschwinden wie Perlen auf einer Kette aufgereiht.

S u m m a r y : Mapping of the Hainholz karst mophology (Southern Harz mountains). - The karstic phenomena of the Hainholz gypsum massif were surveyed and reproduced in a map of scale 1 : 5 000 ( enclosure ). A dependence on the geologic position was established: In the 'Sommersitz' section, the gypsum rock has only relatively recently been exposed by erosion. Karstic cones here are completely developed as obvious "earlier karst phenomena". In the Bollerkopf and Jettenhöhle sections, advanced leaching is evidenced by abundant occurrences of larger sinkholes and accessible caves. Sinkholes and individual stream sinks are arranged like pearls in a necklace along the Bollerkopfbach fault, which forms the boundary of the gypsum karst area in the Northeast.

1. Einleitung
Das Hainholz ist ein zusammenhängendes Gipskarstgebiet am Südharz, auf halber Strecke zwischen Osterode und Herzberg, unmittelbar westlich der ehemaligen Domäne Düna. Berühmt wegen seiner schroffen Gipssteinfelsen, Erdfälle und Höhlen bildet es ein geschlossenes Waldgebiet von 1,5 km Länge und rund 500 m Breite inmitten von flachwelligem, landwirtschaftlich genutztem Gelände.

Dieses landwirtschaftlich unergiebige Waldgelände steht seit 1967 unter Naturschutz, ist aber andererseits als großes, bisher unberührtes Gipssteinvorkomnen für die Steine- und Erden- Industrie von besonderem Interesse. In diesem Zusammenhang wurde 1978 vom Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung der Karstformenschatz des Hainholzes, innerhalb der Grenzen des Naturschutzgebietes, aufgenommen und im Maßstab 1 : 5 000 zusammengestellt (Beilage).

2. Karstformen
Im folgenden werden die vorkommenden Karstformen knapp beschrieben. Über den Vorgang der Gipsverkarstung, insbesondere auch am Südharz, haben u.a. HAEFKE 1925, HERRMANN 1967, PRIESNITZ 1972, KEMPE 1972 berichtet; hier finden sich auch weiterführende Literaturhinweise.

Als Erdfälle sind auf der Karte alle deutlich umgrenzten runden bis ovalen Eintiefungen an der Erdoberfläche bezeichnet. Sie sind im Hainholz zum ganz überwiegenden Teil "Einsturzdolinen", die durch das Hochbrechen ehemaliger Höhlenabschnitte entstanden, und keine Lösungs- oder Korrosionsdolinen (s. WEBER 1967 : 160-162). Die Erdfälle sind meist steilwandig, d.h. relativ frisch. Darüber hinaus kommen abgeflachte, trichterförmige Eintiefungen in großer Zahl vor. Nur diejenigen, die mit einiger Sicherheit alte, durch Zurutschen der Seitenwände abgeschrägte Einsturzdolinen sind, wurden auf der Karte dargestellt; nicht dagegen die zahlreichen undeutlich um- grenzten, wannenförmigen Eintiefungen, bei denen es sich z.T. um Lösungsformen, z.T. um fragliche (sehr alte) Erdfälle, z.T. um anthropogene Abgrabungen (zum Mergeln der Felder, s.u.) handelt.

Die Karstkegel sind steil aufragende Erhebungen von rundem oder ovalem Querschnitt, die nach oben spitz zulaufen. Am Top finden sich auffallend häufig Reste von Buntsandsteinschutt oder Residualbildungen aus Lehm und/oder Kalkstein, oder auch Kalksteinlinsen, die als ehemalige Einschaltungen aus dem Gipsstein herausgewittert sind. Offenbar haben diese relativ schwer löslichen Sedimentkappen den Gipsstein unter sich vor der Ablaugung bewahrt, rundherum wurde die Kegelform herauspräpariert. Beim Sommersitz- und Bollerkopf-Kegel und einigen weiteren ist allerdings die Spitze unbedeckt; es scheinen auch Inhomogenitäten im Gipsstein selbst zur Ausbildung der Kegelform auszureichen. Nur allseitig herauspräparierte Kegel wurden auf der Karte dargestellt; nicht dagegen Zwischenformen wie Riedel zwischen Tälchen bzw. Erdfällen oder von Buntsandsteinschutt verhüllte flache Hügel.

Schwinden befinden sich am NE-Rand, Springe oder Karstquellen mit stark wechselnder Schüttung am SW-Rand des Hainholzes. Ob in den Springen ein Teil des Wassers austritt, das 500 m weiter nordöstlich in den Schwinden einzieht, konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Über den Wasserhaushalt des Hainholzes, einschließlich der Karstteiche mit ihrem stark schwankenden Wasserstand, berichten BRANDT, KEMPE, SEEGER & VLADI (1976).

Die Höhlen des Hainholzes wurden von der Arbeitsgemeinschaft für niedersächsische Höhlen untertage vermessen und im Niedersächsischen Höhlenkataster dokumentiert (siehe Bibliographie in diesem Heft). Weitverbreitet sind Karrenfelder, d.h. Gebiete mit freiliegendem Gipsstein, ohne Lehm- oder Schuttüberdeckung. In diesen Gebieten ist von der alten Geländeoberfläche nur noch ein Netz von Gipssteinriedeln übrig, auf denen der Besucher zwischen freigespülten Erdfällen, Klüften und Schlotten entlangsteigen kann. Hier sind alle Kleinformen des nackten Gipskarstes, wie Rinnen-, Kluft-, Schichtfugen- und Napfkarren vorzüglich ausgebildet (vgl. HAEFKE 1925). Allerdings hat der Mensch seit dem Mittelalter der Freispülung der verkarsteten Gipssteinoberfläche nachgeholfen; denn die ehemals vorhandene Lehm- und Schuttfüllung war kalkhaltig und wurde zum Mergeln der Felder abgebaut (VLADI 1979).

3. Karstmorphologische Gliederung und Geologie
Die beschriebenen Karstformen sind nicht gleichmäßig über das Hainholz verteilt, sondern treten gehäuft an bestimmten Stellen auf und fehlen an anderen. Ihre räumliche Verteilung ist offenkundig vom geologischen Bau des Untergrundes abhängig, der daher in die Untersuchung einbezogen werden muß (s. HERRMANN, dieser Band). Das Hainholz bildet einen Erosionsrest des Hauptanhydrit (s. Tab. 2); im N, E und S steht dessen Liegendes, nämlich der Plattendolomit + Graue Salzton an. Im W hängt das Hainholz-Vorkommen mit dem geschlossenen Verbreitungsgebiet des Hauptanhydrit zusammen, der bei ganz flachem südwestlichen Schichtfallen in der Steilstufe des Krücker und Rikkes-Berges (etwa 2 km westlich des Sommersitzes) ausstreicht und von dort weiter nach NW und SE zu verfolgen ist.

Die Begrenzung des Hauptanhydrit im NE verläuft - auffallend gradlinig - vom Karstteich beim Punkt 244,2 der Karte über die Bollerkopf-Bachschwinde und Punkt 251,0 zum Punkt 264,3. Die Grenze ist eine Störung, an der der Hauptanhydrit im SW um mehrere Zehnermeter gegenüber dem Plattendolomit, Grauen Salzton bzw. Zechstein-2-Dolomit abgesunken ist. Nur in der morpho- logisch höchsten Position, beim Parkplatz Düna zwischen Bollerkopfbach und der (ehemaligen) 20-KV-Leitung, ist auf der Hochscholle vermutlich noch ein Rest von Hauptanhydrit erhalten.

Die Karstformen des Hainholzes lassen sich, abhängig vom geologischen Bau, von SW nach NE in vier Teilgebiete untergliedern, deren Begrenzung in der Kartenbeilage eingetragen ist:
 
1.Sommersitz-Abschnitt mit noch fast vollständig erhaltenem Hauptanhydrit,
2.Bollerkopf-Abschnitt und
3.Jettenhöhlen-Abschnitt, in denen die Mächtigkeit des Hauptanhydrit durch Erosion stark reduziert ist,
4.Störungszug am NE-Rand des Hainholzes, i.f. Bollerkopfbach- Störung genannt.

Karstmorphologisch ist der Sommersitz-Abschnitt durch die - für den norddeutschen Raum einmalig ausgeprägten - Karstkegel ausgezeichnet. Diese sind offenbar an ein Frühstadium der Verkarstung gebunden, nicht allzu lange nach der Freilegung des Hauptanhydrit von den schützenden Deckschichten. Dementsprechend treten tiefe Erdfälle gegenüber dem Bollerkopf- und Jettenhöhlen-Abschnitt zurück, Höhlen sind nicht nachgewiesen. Doch ist mit ihrem Vorhandensein im tieferen Untergrund zu rechnen, da die nach W bzw. S entwässernden Bäche der Jetten-, Schurfquelle u.a. hoch sulfathaltiges Wasser führen (BRANDT, KEMPE, SEEGER & VLADI, 1976). Die Höhlen dürften sich in einem noch frühen Entwicklungsstadium befinden und sind noch nicht bis zur Oberfläche hochgebrochen.

Im Bollerkopf- und Jettenhöhlen-Abschnitt ist die Verkarstung weit vorgeschritten. Karstkegel sind untergeordnet und nur dort vorhanden, wo der Hauptanhydrit noch relativ mächtig ist, z.B. am Bollerkopf. Statt dessen ist das Gelände von großen und kleinen Erdfällen geradezu übersät, der Untergrund von Höhlen durchzogen.

In diesen beiden Abschnitten ist nur noch der untere Teil des Hauptanhydrit erhalten. Am Hainholz-Nordende, z.B. im Fahrweg und am Karst-Teich nördlich des Mittel-Berges, streichen die Kalksteinbänke des "Plattendolomits" als Liegendes des Hauptanhydrit zutage aus. Am Südende komnt nach der Kartierung von HERRMANN (dieser Band) hinzu, daß der 15 m mächtige basale Teil des Hauptanhydrit faziell in eine Karbonat-Sulfat-Ton-Wechsellagerung übergeht. Hier bewirken also Sulfatablaugung und Fazieswechsel das Ausheben des Hauptanhydrit.

Die Jettenhöhle wird im W (am Eingang), im N (Hirschzungen-Erdfall) und im E von tiefen Erdfällen begrenzt. Es handelt sich hier um eingestürzte Höhlenabschnitte einer ehemals größeren Jettenhöhle; im Erdfall im E ist vor rund 2 000 Jahren, ausweislich begrabener Latènezeitlicher Keramik, das Dach zwischen (jetziger) Großer und Kleiner Jettenhöhle eingestürzt (KEMPE, MEYER et al., 1975).

Schichtenfolge im Untersuchungsgebiet. - 1) Mächtigkeiten nach HERRMANN (dieser Band)


Buntsandstein                                      Mächtigkeit
Zechstein 4-6:Ton- und Schluffsteinca. 20m
Hauptanhydrit:Anhydrit-/Gipsstein mit Kalksteineinschaltungen50-70m 1)
Zechstein 3"Plattendolomit":Kalk-, Ton- u. Gipsstein im Wechsel10-25m 1)
Grauer Salzton:Tonstein10-25m 1)
Zechstein 2 und 1:Anhydrit-/Gipsstein, Dolomit-
und Kalkstein; Kupferschiefer
ca.250m  

Unterkarbon und Devon, gefaltet

Entlang der Bollerkopfbach-Störung sind Erdfälle aller Größen wie Perlen auf einer Kette aufgereiht. Hier herrscht besonders intensive Ablaugung, da in den Tälchen, die der Störung folgen, dem Untergrund bevorzugt Wasser zugeführt wird. Am Bollerkopfbach selbst und weiter nordwestlich ist der Hauptanhydrit entlang der Störung eindrucksvoll als Gipsstein-Kliff herauspräpariert.

Literatur:

BRANDT, A., KEMPE, S., SEEGER, M. & VLADI, F. (1976): Geochemie, Hydrographie und Morphogenese des Gipskarstgebietes von Düna/Südharz. - Geol. Jb., C 15: 56 S., 21 Abb., 1 Taf.; Hannover.

HAEFKE, F. (1925): Karsterscheinungen am Südharz. - Mitt. geogr. Ges. Hamburg, 37: 77 - 105; Hamburg.

HERRMANN, A. (1967): Vergipsung und Oberflächenformung im Gipskarst. - Bull. 3. Intern. Kongr. für Speläologie, 5: 99 - 103, 5 Abb.; Wien.

KEMPE, S. (1972): Verkarstung und Höhlenentwicklung im Gips. - In: Die Jettenhöhle bei Düna und ihre Umgebung: 25 - 30, 1 Abb.; Herzberg (Verl. Jungfer).

 - - MEYER, B., SCHLÜTER, W. & WILLERDING, U. (1975): Untersuchungen in der Kleinen Jettenhöhle bei Düna, Gem. Hörden, Kr. Osterode am Harz. - Nachr. aus Niedersachsens Urgeschichte, -: 87 - 112, 6 Abb.; Hildesheim.

 - - REINBOTH, F. & SEEGER, M. (1972): Einzelbeschreibungen der Höhlen bei Düna. - In: Die Jettenhöhle bei Düna und ihre Umgebung: 42 - 57, 8 Abb., 1 Kt.; Herzberg (Verl. Jungfer).

PRIESNITZ, K. (1972): Formen, Prozesse und Faktoren der Verkarstung und Mineralumbildung im Ausstrich salinarer Serien (am Beispiel des Zechsteins am südlichen Harzrand). - Göttinger geogr. Abh., _60: 317 - 339, 9 Abb., 2 Tab.; Göttingen.

WEBER, H. (1976): Die Oberflächenformen des festen Landes. - 2 Aufl., 367 S., 244 Abb., 40 Taf.; Leipzig (Teubner).

VLADI, F. (1979): Die Nashornfunde zu Düna (NSG Hainholz) vom Jahre 1751. - Heimatblätter für den süd-westlichen Harzrand des Heimat- und Geschichtsvereins Osterode/Harz, 35: 39 - 54, 5 Abb.; Osterode.

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