Thema: Die Stauffenburg

Seit vielen hundert Jahren überragt die Stauffenburg bzw. deren Überreste den Flecken Gittelde. Ihre Geschichte kennt im Ort jedes Kind - dafür sorgt unter anderem der örtliche Heimat- und Geschichtsverein.

Drei Frauen, drei tragische Lebensgeschichten

Um 1100 wird die Stauffenburg erstmals erwähnt. - Die Lebensläufe ihrer Bewohner sind bis heute jedem Gittelder bekannt.

Von Natalie Bornemann

GITTELDE. Die Stauffenburg bei Gittelde wird um 1100 das erste Mal erwähnt.
Warum sie gebaut, wurde, ist nicht bekannt - und eine besondere Bedeutung hatte das Bauwerk auch nie. Doch die Menschen, die sie beherbergte, haben allesamt eine spannende Lebensgeschichte.

Erhaben und herrschaftlich überragte sie einst die Dächer des Fleckens Gittelde. Sie wurde an einer wichtigen Handelsstraße errichtet, war Adelssitz, Gericht und Gefängnis zugleich. Viele hundert Jahre später ist von der Herrschaftlichkeit der Stauffenburg nicht mehr viel übrig. Wer die historische Anlage besuchen möchte, muss einen langen, streckenweise steilen Anstieg in Kauf nehmen. Oben angekommen empfängt den Besucher eher der Blick, der bei gutem Wetter bis nach Osterode reicht, statt der Anblick einer Burg aus dem 12. Jahrhundert. Nur noch Reste der Grundmauern und des Fundaments sowie eine Infotafel lassen erahnen, dass hier einst ein Bauwerk stand. Dennoch kennt jeder Gittelder die Geschichte. der Stauffenburg. "Das gehört sozusagen zum Grundwissen", sagt Ortschronist Bodo Biegling. Der Senior ist leidenschaftlicher Heimatforscher und hat sich oft mit der Stauffenburg beschäftigt. Er weiß: "Die Burg als Gebäude ist nicht so spannend, dafür die Geschichte ihrer Bewohner."

Die Stauffenburg wurde um 1100 erstmals erwähnt. Ob sie als Raubritterburg gebaut oder zum Schutz eines wichtigen Handelsweges errichtet wurde, ist nicht bekannt. "Sie hatte keine große Bedeutung", weiß Biegling. Der Ort Gittelde dagegen schon: Er hatte einen Handelsplatz, Münz-, Markt- und Zollrechte. Die Burg hingegen wechselte oft ihren Besitzer, wurde mehrfach verkauft und verliehen.


Adelssitz, Gefängnis und Gericht: Die Stauffenburg in einer historischen Ansicht. Foto: red

Um 1500 bezog Elisabeth Herzogin von Braunschweig die Stauffenburg - und war damit die erste von drei Frauen, die die Geschichte der Stauffenburg prägten. Sie stammte aus Stolberg im Harz und fand nach dem Tod ihres Mannes Herzog Wilhelm in Gittelde ihren Witwensitz. "Sie war eine gutmütige Frau, die sich für das Wohl der Menschen. engagierte", erklärt Biegling. Um 1500 war die Pest in der Region ausgebrochen, es herrschte Hungersnot, der Harz war fast menschenleer, der Bergbau stand still. "Elisabeth hat ihn im Bereich Iberg und Gittelde wieder in Gang gesetzt", so Biegling weiter. Die Herzogin gab um 1492 die Genehmigung zur Gründung einer Schützengilde, die heute noch in Form einer Schützengesellschaft existiert. Die Gilde sollte die Bevölkerung beschützen. Elisabeth Herzogin von Braunschweig starb im Jahr 1522. Ihr Neffe Herzog Heinrich zu Wolfenbüttel übernahm die Burg und machte daraus sein Liebesnest. Er war "ein ganz wüster", sagt der Ortschronist. Heinrich war verheiratet, hatte in Braunschweig zehn Kinder mit seiner Ehefrau - und eine Geliebte: Die Zofe Eva von Trott. Als die Affäre bekannt wurde, sollte Eva verschwinden. Ihr Tod wurde inszeniert und eine Puppe statt ihrer beigesetzt. Heimlich sei sie dann aber zur Stauffenburg gebracht worden, wo sie neun Jahre lang lebte und insgesamt zehn Kinder zur Welt brachte. Der Herzog kam oft "zur Jagd" in sein Liebesnest. "Heinrich hatte insgesamt 20 Kinder. Das Welfenhaus war sehr fortpflanzungsfreudig, nicht umsonst fragt man sich im Braunschweiger Land: "Sind wir alle Welfen?", schmunzelt Biegling.

Die Bewohner in Münchehof und Gittelde sprachen bald darüber, dass es auf der Burg spucke und man nachts eine weiße Frau mit vielen Kindern im Wald spielen sähe. Ein vorbeiziehender Kaufmann erkannte Eva von Trott und verriet ihr Geheimnis, Martin Luther bezichtigte Herzog Heinrich der Hurerei, des Ehebruchs und der Gotteslästerei.
Eva floh mit ihren Kindern zunächst auf die Liebenburg, kam in den Kriegswirren nach Halberstadt und lebte zuletzt bis zu ihrem Tod einsam bei einem ihrer Söhne ­ dem Propst  von Hildesheim. Noch heute steht der Rest des alten Baumes in Gittelde, unter dem Eva mit ihren .Kindern gespielt haben soll, sie heißt "Evalinde".

Eine weitere tragische Figur auf der Stauffenburg ist Margarethe von Warberg, Äbtissin des Stiftes Gandersheim. Wirklichkeit, mündliche Überlieferung und Sage vermischen sich in ihrem Fall zu einer schaurigen Geschichte. Margarethe lebte in der unruhigen Zeit der Reformation. Nach dem Tod von Herzog Heinrich - strenger Katholik und erbitterter Feind von Martin Luther - übernahm dessen Sohn Herzog Julius die Regentschaft. Seine erste Amtshandlung: Die Einführung der Reformation. Lediglich der Gandersheimer Stift blieb zunächst katholisch, bestimmte aber als neue Äbtissin die evangelische Margarethe von Warberg. Die Katastrophe begann im Juni 1587: Im Keller des Stifts wird ein totes Kind gefunden, es ist vergraben. Das weibliche Personal und die Stiftsdamen werden von Hebammen untersucht. Margarethe wird entlarvt und gesteht die heimliche Geburt eines nicht lebensfähigen Kindes. Der Vater: Abteischreiber Johannes Schramm aus Bad Grund, der sich bereits nach Italien abgesetzt hat.

Eine harte Strafe blieb Margarethe von Warberg erspart. Sie lebte zunächst zwei Jahre eingesperrt im Stift und wurde dann zur Stauffenburg gebracht. Hier musste sie zwar abgeschieden leben, durfte sich aber frei bewegen und sogar die Gottesdienste in der heutigen St. Mauritius-Kirche in Gittelde besuchen. Margarethe starb im Alter von 40 Jahren im September 1597.

Die Stauffenburg wurde nach den Wirren des 30-jährigen Krieges von den Braunschweiger Herzögen aufgegeben. In den folgenden Jahrhunderten wurde sie abgetragen, ihre Steine für den Bau der Domäne Stauffenburg verwendet.

Auch wenn von der der Burg nur Reste vorhanden sind, ist der Heimat- und Geschichtsverein bemüht, ihre Geschichte weiterzugeben - und fängt damit bereits in der Grundschule an. Im Rahmen einer Projektwoche hat der Verein versucht, den Kindern das Leben der drei Frauen auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. "Damit die Kinder auch über das Gittelder Grundwissen verfügen", schmunzelt Biegling.

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