Sympathie für 100 Euro


Abgeschickt von Ein Querdenker aber kein Gipskopf am 26 Februar, 2008 um 07:35:38

 Sympathie für 100 Euro
Montag, 25.Februar 2008, 17.00 Uhr
Im Mittelpunkt der heutigen Sitzung des Kreisausschusses stand der Karstwanderweg. Für 100 Euro im Jahr soll der Landkreis Nordhausen Mitglied in einem Förderverein werden. So einfach scheint das nicht zu werden...
 

Dr. Sabine Mehne, die Wirtschaftförderin mit Alleinstellungsmerkmal in der Landkreisverwaltung, beschrieb den rund 200 Kilometer langen Wanderweg durch drei Bundesländer als einen sehr bedeutenden Wanderweg. Dem fehlen, Tourismusexperten im Südharz wissen das, einzig und allein die Wanderer. Und zwar die, die nicht nur einen Tag lang mit Köchern seltenen Schmetterlingen hinterher jagen, sondern die im Südharz übernachten und ihr Geld in der Region lassen.

Doch mit der Gründung eines solchen Fördervereins im Landkreis Nordhausen, der das 53 Kilometer lange Mittelstück des Weges „beherbergt“, und einem Jahresbeitrag von 100 Euro soll das alles anders werden. Dann könne mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden. Mehne verwies auf zahlreiche Aktivitäten in diesem Jahr. Der offizielle Auftakt des in dieser Woche zu gründenden Fördervereins soll denn auch im April in Gudersleben das „bundesweit mediale Ereignis‚ Wandern mit der Königin’ werden. Es scheint so, als wenn jetzt schon alle Akkreditierungswünsche von Fernsehsendern nicht berücksichtigt werden können.

Soweit die Vorstellungswelt von Frau Mehne, die sich am Nachmittag auch noch als Hellseherin betätigte. Sie sprach davon, dass die Stadt Nordhausen und auch Ellrich auf jeden Fall Mitglieder werden. Dabei steht ein solcher Beschluss heute Abend erst einmal auf der Tagesordnung des Ellricher Stadtrates. Kennt Dr. Mehne Stunden vorher schon das Abstimmungsergebnis? Zu Nordhausen. Die Stadtverwaltung werde auf keinen Fall Gründungsmitglied im Verein werden. Vielmehr sollen sich die Ausschüsse des Stadtrates damit beschäftigen. Ob dann dafür votiert wird, das steht in den kommunalpolitischen Sternen. Man werde genau beobachten.

Überhaupt nicht wollen die Orte der Verwaltungsgemeinschaft „Hohnstein-Südharz“ eine Mitgliedschaft anstreben. Die schicken so zusagen ihre Harzklub-Zweigvereine. Zu groß ist das Misstrauen der Kommunen. Der Bürgermeister von Niedersachswerfen, Jochen Napiralla (SPD), sagte der nnz, dass seine Gemeinde nicht an der Gründungsveranstaltung des Fördervereins in dieser Woche teilnehmen werden. Absagen hagelte es auch von Neustadt und Ilfeld.

Hintergrund des Misstrauens ist ein gleichgearteter Förderverein in Niedersachsen. Diesem Verein steht unter anderen ein Dr. Gerald Dehne vor. So ist in einer Pressemitteilung der Gesellschaft zur Förderung des Biosphärenreservates Südharz e.V. zu lesen. „Der Vorstandsvorsitzende des neu gegründeten Vereins, Dr. Gerald Dehne, ist Teilhaber des Gips abbauenden Unternehmens BPB Formula (ehemals Börgardts) mit Sitz in Walkenried-Kutzhütte und zudem Inhaber des Ingenieurbüros, welches Abbauplanungen für BPB Formula bearbeitet. Gleichberechtigt stellvertretende Vorsitzende sind Andreas Feist, in seiner Funktion Geschäftsführer von BPB Formula sowie Firouz Vladi“, führt Raymond Rordorf in einem Internetforum aus.

Eine solche Lobbyarbeit fürchten Umwelt- und Naturschützer nun auch für den Landkreis Nordhausen und Jochen Napiralla lehnt eine Zusammenarbeit mit denen ab, gegen die seine Gemeinde seit Jahren klagen muss.

CDU-Fraktionsvorsitzender Egon Primas gab zu bedenken, dass sich eigentlich die Kommunen um das Wohl und Wehe des Karstwanderweges kümmern müssten. Das sei nicht Aufgabe des Landkreises. Und überhaupt: Primas wollte wissen, in wie vielen Vereinen der Landkreis inzwischen schon Mitglied ist. Die LINKE-Fraktionschefin im Kreistag, Birgit Keller, sprach sich für eine Mitgliedschaft im Verein aus, schließlich habe man Verantwortung.

Jetzt soll die Angelegenheit erst einmal in die zuständigen Ausschüsse, dann wieder in den Kreistag. Kritiker befürchten zudem, dass die zwei bestehenden Fördervereine (Niedersachsen und Sachsen-Anhalt) und der in Nordhausen zu gründende einen Dachverein übergestülpt bekommen und dass dieser Dachverein zu sehr von Vertretern der Industrie durchsetzt sein könnte.

Den größten Spagat müssen die Ellricher Stadträte am Abend vollführen. Einerseits sollen sie der Reaktivierung eines Standortes der Gipsindustrie und dem damit verbundenen Abbau von Rohstoffen im Nordhäuser Revier zustimmen, andererseits sollen sie sich per Mitgliedschaft im Förderverein für den Erhalt der Natur und deren touristischen Vermarktung aussprechen. Vielleicht hat ja der eine Beschluß eine Alibiwirkung für den anderen. Zu verstehen ist das alles nicht.

Vielleicht aber klären sich diese Missverständnisse auch zur Gipskonferenz im April dieses Jahres in Nordhausen. Da soll die gesamte Problematik wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Schließlich tagt man in der Fachhochschule. (nnz)

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