Vernichtet durch Gipsabbau


Abgeschickt von Bodo Schwarzberg am 14 Maerz, 2012 um 22:01:31

 Vernichtet durch Gipsabbau
Die BUND-Kreisgruppe Nordhausen plant eine Ausstellung mit Bildern und Dokumenten, die die katastrophalen Folgen des Gipsabbaus in Vergangenheit und Gegenwart belegen. Fotos und entsprechende Schriftstücke können an die BUND-Kreisgruppe in Nordhausen gesandt werden. Gelegentlich wird auch die nnz über das Thema berichten. Ein Beleg für die bereits eingetretenen Schäden bieten nicht nur rein optisch die aktuell betriebenen Steinbrüche im Gebiet um Ellrich, Niedersachswerfen und im Alten Stolberg, sondern auch die Angaben von Botanikern, die die Flora der Gipsberge in den vergangenen 200 Jahren untersucht haben. Der Botaniker Otto Schwarz verfasste im Jahre 1954 ein Buch mit dem schönen Titel „Thüringen, Kreuzweg der Blumen“ (Urania-Verlag Jena). Am Ende des Bändchens lädt er Interessierte unter der Überschrift „12 empfehlenswerte pflanzengeografische Wanderungen“ zu Exkursionen in floristisch besonders reich ausgestattete Landschaften ein. Die 12. Exkursionsempfehlung bezieht sich auf das Gebiet zwischen Nordhausen und Ellrich. Bis auf die zwei ersten hier aufgeführten Arten sind alle an den im Text angegebenen Standorten durch den Gipsabbau vernichtet worden. Wir geben hier den Wortlaut der Exkursionsempfehlung von Otto Schwarz wieder. Die Arten, die an den angegebenen Standorten heute nicht mehr existieren, sind durchgestrichen:
„12. Nordhausen – Schurzfell – Kohnstein – Hockeberg – Sattelköpfe – Woffleben – Ellrich - Kelle, Erdfallgebiet – Mühlberg - Niedersachswerfen, V-VII
Gebiet interessanter Eiszeitrelikte (vgl. S. 219) und letzter gegen den Harz verklingender Karstfluren – und -wälder. Am Schurzfell Streifenklee (Trifolium striatum) und Mannschild (Androsace elongata). Steiler Nordhang des Kohnsteins mit Brillenschötchen (Biscutella laevigata ssp. angustifolia) und Bunt-Reitgras (Calamagrostis varia). Am Fuße des Hockeberges, entlang des Fahrweges nach Woffleben, in der Blaugrashalde viel Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris) und Gips-Fettkraut (Pinguicula vulgaris var. gypsophila), auf dem Kamm Zwerg-Sonnenröschen (Fumana procumbens) und Felsen-Täschelkraut (Hornungia petraea). An der aufgegebenen Gipsfabrik, wo die Strecke Nordhausen-Ellrich zum zweiten Male die Straße kreuzt im Geröll des Berges Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina), an Gipsbergen südwestlich Bahnhof Ellrich Alpen-Gipskraut (Gypsophila repens). In versumpften Erdfällen der Kelle der Sumpf-Farn (Dryopteris thelypteris). Am Mühlberg oberhalb des Tanzteiches neben Brillenschötchen die Rauhe Schaumkresse (Cardaminopsis hispida = Arabis petraea).“
Die von Schwarz angegebenen Arten waren auch schon 1954 bemerkenswert und selten. Natürlich wurden durch den Gipsabbau aber auch die Standorte zahlreicher anderer, weniger seltener Arten unwiederbringlich vernichtet.
Angeregt wurde ich zu diesem Beitrag durch die immer mal wieder aufflammenden und von bestimmten Kreisen sehr wohlwollend aufgenommenen Angaben bestimmter Personen, der Gipsabbau würde Standorte für eine ganze Anzahl von Arten neu schaffen. Das aber ist ein gewaltiger Irrtum: Der Gipsabbau verändert die hydrologischen, edaphischen (= Boden-), geländemorphologischen bzw. mikroklimatischen Gegebenheiten für die meisten Arten unumkehrbar. Wenn es anders wäre, hätten sich ja die hier durchgestrichenen Arten am Kohnstein oder im Umkreis von Ellrich wieder ansiedeln müssen! Schauen Sie sich nur die kahlen Nordost- und Nordhänge des Kohnsteines an: Allein dieser Blick dürfte reichen, um derartige Behauptungen ad absurdum zu führen und als Augenwischerei zu entlarfen.
Tatsächlich gibt es Arten, auch Orchideenarten, die in ehemaligen Gipssteinbrüchen wieder heimisch werden können. Die oben durchgestrichenen Arten aber sind, mit Ausnahme des Sumpf-Herzblattes, bisher davon ausgenommen. Diese z.T. extrem seltenen Arten benötigen spezifische Bedingungen, die durch Renaturierungsmaßnahmen nicht neu erschaffen werden können. Anderslautende Informationen sind wissenschaftlich nicht haltbare Fehlinformationen im Interesse der Gipsindustrie. Die Gipskarstlandschaft im Südharz mit all ihren Karsterscheinungen und spezifischen Pflanzengesellschaften ist ein Produkt Jahrmillionen alter geologischer Vorgänge und historischer landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsformen. Einmal abgebaut, ist sie nicht wieder herstellbar sondern für immer verloren. Es ist eine typisch menschliche Anmaßung, das Gegenteil zu behaupten.
In loser Folge werden wir Sie im Zuge der geplanten BUND-Ausstellung mit weiteren ökologischen Verlusten konfrontieren, die uns der Gipsabbau eingebracht hat und noch einbringen könnte, sofern die Industrie ihre millionenschweren Pläne im Naturpark umsetzen kann.
Bodo Schwarzberg, BUND

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