Die Grenzziehung bei Bad Sachsa / Tettenborn

Ein Irrtum der Besatzungsmächte ?

Mit dem Tode des Grafen Ernst VII, dessen Denkmal noch heute im Kloster Walkenried zu sehen ist, starb 1593 die Linie der mächtigen Honsteiner Grafen aus. Nach Rückgabe der Grafschaft Scharzfels/Lutterberg erhielt 1648 der Große Kurfürst den größten Teil von Honstein, wozu auch Sachsa und Tettenborn gehörten.

Dieses Gebiet war zuerst Exklave in Brandenburg/Preußen und später als Kreis Grafschaft Hohenstein Teil der preußischen Provinz Sachsen und seines Regierungsbezirks Erfurt.

1944 bildete die Reichsregierung aus dem Regierungsbezirk Erfurt sowie aus anderen Gebietsteilen das Land Thüringen. Auch die Sachsaer und Tettenborner waren damit nach jahrhundertelanger Zugehörigkeit zu Preußen Thüringer geworden.

Kurze Zeit danach, im April 1945, kamen die Amerikaner und besetzten Thüringen und andere Länder des mittleren Reiches.

Zwischen dem amerikanischen Kommandanten der Militärregierung und dem von ihm zum Bad Sachsaer Bürgermeister ernannten Willi Müller, der politisch als unbescholten galt, hatte sich gerade ein gutes Vertrauensverhältnis entwickelt, als gleich in den ersten Julitagen 1945 von den Einwohnern beängstigende Ereignisse wahrgenommen wurden, die zunächst niemand erklären konnte.

Ehemalige Zonengrenze
(innerdeutsche Grenze)
bei Tettenborn:
Blick auf die Gemeinde
Mackenrode, die im
Grenzsperrgebiet der DDR lag.

Foto: Kreisbuch

Amerikanische und russische Soldaten, letztere hatte hier noch niemand gesehen, kamen und gingen. Schließlich wurde dem Bürgermeister vom amerikanischen Kommandanten mitgeteilt, dass vereinbarungsgemäß die Länder Thüringen und Sachsen zur russischen Besatzungszone gehören. Daher müssten sie sich auch aus Bad Sachsa und Tettenborn zurückziehen. Die Verunsicherung der deutschen Bevölkerung erreichte ihren Höhepunkt, als sie merkte, dass sowohl die Straßen nach Westen wie auch in die Kreisstadt Nordhausen gesperrt waren. Bahn, Post und Telefon waren ebenfalls nicht benutzbar.

Nach einigen Tagen wurde die Versorgungslage kritisch. Bürgermeister Müller gelang es schließlich, am 6. Juli ein Schreiben nach Osterode zu befördern, in dem er den Landrat Prof. Ziegler um die Hilfe des Kreises Osterode und um Aufnahme von Bad Sachsa und Tettenborn in das Kreisgebiet bat. Hilfe wurde sofort geleistet. Am 10. September 1945 verordnete der Oberpräsident von Hannover die Aufnahme der beiden Gemeinden in den Kreis Osterode am Harz.

Als später der Bevölkerung die Aufteilung des Deutschen Reiches in vier Besatzungszonen bekannt wurde, quälte sie über Jahrzehnte hinweg die geheime Angst, dass der Grenzziehung bei Bad Sachsa und Tettenborn ein Irrtum der Besatzungsmächte zugrunde lag, der jederzeit berichtigt werden könnte. Das Abkommen vom 12. Juli 1945, das die Grenzziehung an dieser Stelle regelte, wurde nach strengster Geheimhaltung erst in der Mitte der siebziger Jahre bekannt.

Georg Matzander

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