Die Wüstungskirche von Rodenbeke

Große Grabungskampagne nahe Scharzfeld

Kleines Dorf mit mächtiger Kirche

Von Michael Paetzold

Jahrhunderte sind darüber weggegangen, Scherben und Steine mögen die Scharen der Bauern im Lauf der Zeit nach oben gepflügt haben, mehr aber auch nicht. Unter dem Erdreich verborgen liegt das Dorf Rodenbeke südlich von Scharzfeld. Das Schicksal der einstigen Siedlung mit mächtigem Kirchenbau liegt im Dunkel der Zeit. Doch seit März dieses Jahres werden Grundmauern sichtbar, kommen Hofstellen und Pflasterungen von Wegen ans Licht, eine vergangene Zeit taucht auf, zumindest in Bruchstücken.

Der Blick fällt von fern auf das weite Grabungsfeld in hügeliger Landschaft, ein Bagger ebnet das Planum auf dem insgesamt vier Hektar großen Fundgelände. Archäologen knien praktisch inmitten des Mittelalters und kellen sorgfältig die Befunde. Vor ihnen überspannt eine weite Überdachung die Reste der einstigen Kirche, ein ungewöhnlich großer, starker Bau von fast 20 Metern Länge und 8 Metern Breite im Vergleich zu den wenigen durch die Magnetprospektion ermittelten Wohnstellen. Graben und Palisaden, so deuten es die Befunde im Erdreich an, schützten das trutzige Bauwerk, von dem heute nur noch Fundamente von bis 1,30 Metern Stärke und darüber wenige grob behauene Dolomitsteine zeugen.

Erwähnt im 16. Jahrhundert
„Wer diese Kirche errichtete, darüber kann man derzeit nur spekulieren, die Dorfbewohner werden jedoch nicht Initiatoren gewesen sein“, ist sich der Kreisarchäologe Dr. Stefan Flindt sicher und vermutet Beziehungen zum Kloster Pöhlde. Überhaupt ist nur sehr wenig bekannt über die Wüstung Rodenbeke, zumindest der Name taucht in einer Urkunde des 16. Jahrhunderts auf, die Kirche stand noch im 18. Jahrhundert, wenngleich als Ruine. Das Dorf, aus dem 12. bis bis 15. Jahrhundert war da schon längst Geschichte, möglicherweise zerrieben in Fehden der Territorialherren Grubenhagen und Hohnstein: Verkohlte Reste im früheren Schutzwall könnten kriegerische Auseinandersetzungen andeuten.

Dr. Eberhardt Kettlitz ist Grabungsleiter und Kopf eines mehr als zehn Fachleute umfassenden Grabungsteams, das im Auftrag der Rheinkalk HDW zum Spaten gegriffen hat. Das lokale Abbauunternehmen plant, das Privatgelände künftig als Depot in Nutzung zu nehmen. Veranlasser der umfangreichen Bestandsaufnahme des Bodendenkmals ist der Landkreis als Untere Denkmalschutzbehörde. „Wir erhoffen uns, durch die Grabung mehr über die Geschichte des Ortes und die Strukturen der Siedlung überhaupt zu erfahren“, blickt Flindt in die Zukunft. Und noch bleibt Zeit, denn bis in den August soll die Kampagne laufen.
Außer den baulichen Hinterlassenschaften wie Fundamente, Wegepflasterungen oder Graben ist es vor allem eine vielseitige Keramik mittelalterlicher Gefäße, die die Archäologen bergen, das typische Grausteinzeug beispielsweise, rottonige Scherben aus Thüringen, Steingut aus Siegburg und in geringem Umfang die weißtonige Pingsdorfer Ware mit brauner Bemalung aus dem Rheinland, das über die bekannten Handelswege in den fernen Harz gelangt sein wird.

Schwierige Topografie
Die schwierigen topografischen Bedingungen der Hanglage stellen das professionell agierende Grabungsunternehmen vor einige Herausforderungen, machte Kettlitz deutlich. Neben der Kirche wurden bislang mehrere Hofstellen lokalisiert, weitere könnten durch massives Erdreich überlagert sein. Es bleibt also viel zu tun. „Für uns ist es das erste Mal, dass wir mit einem Grabungsunternehmen zusammenarbeiten“, so der Kreisarchäologe und zeigte sich zufrieden mit der Arbeit seiner Fachkollegen, die in einem Abschlussbericht später akribisch dokumentiert wird und die Erinnerung an das mittelalterliche Dorf Rodenbeke und seine Kirche wachhalten wird.

Was mit den Bewohnern passiert ist, das wird vermutlich nie geklärt und lässt, wie es in der Archäologie zwangsläufig der Fall ist, viel Raum für Spekulationen.

Quelle: HarzKurier: 15. Juni 2012

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