Festkolloquium 15 Jahre Studentenzirkel Speläologie
Bergakademie Freiberg 1980                 S. 125-132

Claus Legler

Untersuchungen im Rübeländer Karstgebiet

Die Mitglieder des Studentenzirkels Speläologie beschäftigten sich in den ersten Jahren des Bestehens dieser Interessengemeinschaft intensiv mit dem Karstgebiet um Elbingerode und Rübeland/Harz. Es wurden mineralogische, geochemische und radiometrische Untersuchungen der Höhlensedimente, tektonische und geophysikalische Messungen durchgeführt. Markscheiderischen Aufnahmen folgten Kartierungen des Höhleninhaltes und erstmalig 14C-Altersdatierungen an Sinter. Beiträge zur rezenten Karsthydrologie (Färbeversuche in der Hermannshöhle und umfangreiche Wasseranalysen im Bereich der Kameruner Höhle) ergänzten die Palette geowissenschaftlicher Tätigkeit.

Geologische Einführung

Während des mittleren Devons führte u.a. auch im Elbingeröder Raum ein kräftiger variszischer Initialmagmatismus mit Spiliten, Karatophyren sowie Tuffen zum Aufbau eines ca. 100 km² großen Vulkankomplexes im Geosynklinaltrog. An die Flanken der überwiegend untermeerischen vulkanischen Rücken sind oxidisch/silikatische Eisenerze (Braunesumpf, Büchenberg) und Pyritlagerstätten (Mühlental, zwischen Elbingerode und Rübeland) gebunden. Im Anschluß an die magmatische Tätigkeit erfolgte, bedingt durch das hohe Kalziumangebot im Meerwasser und eine langsame, aber ständige Absenkung, eine bis in das Oberdevon hinein dauernde Sedimentation mehrerer hundert Meter mächtiger, z. T. sehr reiner Karbonatgesteine.
Nach Ablagerung der zum obersten Oberdevon gehörenden Tonschiefer und des Kulms, erfolgte eine starke tektonische Beanspruchung im Rahmen der orogenen Auffaltung. Die starren, schwer faltbaren Kalksteine reagierten auf diese Beanspruchung vorwiegend durch Zerbrechen. In dieser Zeit wurden, die ersten Bruchstrukturen für die später erfolgte Verkarstung der Kalksteine angelegt. Während der Heraushebung des Harzes in der Oberkreide wurde das Gebiet erneut tektonisch beansprucht. Diese insgesamt sehr intensive Tektonik war u. a. die Voraussetzung für die verbreitete Verkarstung im Tertiär und Quartär, die mit der Korrosion offener Klüfte und Störungen begann und durch die Paläobode verstärkt wurde. Zur Anlage großer zusammenhängender Flußhöhlen kam es wegen der zerbrochenen Schollen nicht, sondern es wurde ein kompliziertes System von Korrosions-, Erosions- und Bruchhöhlen geschaffen. Detaillierte Angaben über einzelne Karstobjekte sind den Arbeiten von STOLBERG (1932), BIESE (1933) sowie dem Exkursionsführer zur Rübeländer ZAHK-Tagung (VÖLKER u.a. 1975) zu entnehmen.

Arbeiten und Schlußfolgerungen

Von Rübeländer Höhlenforschern wurde 1953 das "Kameruner Mundloch" weitererkundet. Heute ist die Kameruner Höhle die vierte Rübeländer bekannte Großhöhle. Im Rahmen einer Studienarbeit an der Bergakademie Freiberg 1967/68 wurde sie markscheiderisch vermessen (BUNN & SCHELLER 1968). Damit lag eine Kartengrundlage für die nachfolgenden Arbeiten aller Höhlenforscher vor.
Kluftstatistische Messungen im Bereich der Höhle ergaben den Nachweis der Bindung der Hohlräume an drei steile Hauptkluftsysteme (130-140°, 170-175° und 70°). Flach einfallende Klüfte sind für die Höhlenbildung unbedeutend (BIENDT u.a. 1973).

In den Jahren 1972 bis 1974 wurde die flächenhafte Verbreitung des Höhleninhaltes (Sedimente, Sinterbildungen, Wässer, Mineralisationen u.a.) kartiert. Teilkarten konnten bisher abgeschlossen werden (LOBST, unveröff.). Bei der Sinterprobennahme für Altersdatierungen gaben diese Karten wichtige Hinweise zur gezielten Auswahl von Material.

Mineralogisch und geochemisch wurden die Lehme der Rübeländer Höhlen in studentischen Qualifikationsarbeiten untersucht. So konnte z. B. in der Bielshöhle auf Grund des Vorkommens von Vermiculit und anderen Tonmineralen nachgewiesen werden, daß die Lehmbildungen aus verwitterten, glimmerführenden Tongesteinen und nicht aus den verkarsteten Kalksteinen entstanden sind. Die zwölf Lehmproben der Kameruner Höhle zeigten Gehalte von 0,12 bis 0,47, im Mittel von 0,28 % P205. Diese Daten entsprechen denen von Tongesteinen (0,2 bis 0,35 %). Dieses Beispiel läßt erkennen, daß mittels tonmineralogischer und geochemischer Untersuchungen von Höhleninhalten wesentliche Hinweise für die Herkunft dieser erhalten werden können (NEBEL & NEBEL 1969).

Auch in der Kameruner Höhle wurden in den Sedimenten Gerölle paläozoischer Tonschiefer, Grauwacken und Kieselschiefer nachgewiesen, deren qualitativ gleicher Geröllbestand mit dem der Bode auf die erodierende Tätigkeit eines Nebengerinnes hinweist.
Im Bereich der Hermannshöhle wurde die rezente hydrologische Verbindung vom Höhlenbach zu einem Quellaustritt an der Bode nachgewiesen. Darüber hinaus ließen die Ergebnisse sogar weitere unbekannte Hohlräume vermuten.

Interessante Ergebnisse zur rezenten Hydrologie konnten durch hydrochemische Untersuchungen an Karstwässern der Kameruner Höhle erhalten werden. Von März bis Dezember 1974 wurden in Abständen von zwei bis drei Monaten insgesamt 62 Wasserproben von ausgewählten Tropfstellen, Siphons, aus der Bode sowie Regenwasser genommen und auf Ca++, Mg++, Na+, K+, SO4--, HCO3-, Cl -, CO2, pH-Wert, Fe++/+++ und SiO3-- analysiert (LEGLER 1978). Vom Höhleneingang über die Gletscherhalle und das Kreuzgewölbe bis zur Berggeisthalle nimmt die Gesamtmineralisation der Tropfwässer von ca. 1,75 g/l kontinuierlich bis auf ein Drittel ab. Während das Verhältnis Ca++/Mg++ etwa konstant bleibt, nimmt der Anteil an CaSO4 im Wasser ab. Die Korrelation zwischen Ca++ und SO4-- im Molekularverhältnis 1 : 1 und der sehr hohe Sulfatanteil ließen vermuten, daß sich durch die örtliche Schwefelkies- und Kalkindustrie bedingte Luftverschmutzungen in einer Schwefelsäureaggressivität der Sickerwässer äußern.

Bezüglich der Siphons in der Kameruner Höhle wurde geochemisch bestätigt, daß die Wässer z.T. Tropfwasseransammlungen sind. Untersuchungen einiger Siphons zeigten deutlich eine Veränderung der Mineralisation mit der Wassertiefe. Das deutet auf ruhige, stehende Wässer hin. Andererseits wurde durch Färbeversuche und beobachtete Spiegelschwankungen für einige Siphons der hydrologische Zusammenhang mit der Bode wahrscheinlich gemacht.

Die Ausbildung der Rübeländer Höhlen hat stets im Zusammenhang mit der sich immer tiefer einschneidenden Bode gestanden. Aus der NN-Höhe der Sohlen und unter Berücksichtigung der Mundlöcher konnte MUCKE (1975) eine relative Altersfolge der Höhlen und Höhlenstockwerke bzw. -etagen ableiten.
Die Kameruner Höhle z. B. ist im Unterschied zur Baumannshöhle eine 3-Etagen-Höhle. Das älteste Stockwerk befindet sich mit 407...402 m NN ca. 16 m über dem heutigen Vorfluter, der Bode, und könnte in seiner Anlage zeitlich mit der 4. Etage der Hermannshöhle parallelisiert werden. Es hatte im Bereich des jetzigen Eingangs mehrere Mundlöcher und entwässerte vermutlich in Richtung Bielshöhle. In der Gletscherhalle steht es heute mit einer durchgebrochenen 2. Etage in 395 m NN-Höhe in Verbindung. Bereits hier ist die 1. Etage zu sehen, welche auch in der Biese- und Siphonhalle vorhanden ist und einige Meter (6 m) unter dem Vorfluter liegt. Zusammenfassend stellte MUCKE folgende relative Altersfolge für die Rübeländer Höhlen zur Diskussion (Bild 1):

ältere:
jüngere:
- Brandeshöhle
- Baumannshöhle (Hauptetage)
- Bielshöhle und evtl. 5. und 6. Etage der Hermannshöhle
- 4. Etage Hermannshöhle und 3. Etage Kameruner Höhle
- 2. und 3. Etage Hermannshöhle und 2. Etage Kameruner Höhle
- 1. Etage Baumannshöhle
- 1. Etage Hermannshöhle und Kameruner Höhle

Diese relativen Aussagen müssen nunmehr mit absoluten Zeitmarken belegt werden. Dazu dienen paläobiologische, archäologische und isotopengeochemische Altersdatierungen.

In der Baumannshöhle konnten von STEINER & STEINER (1969 a) Reste eines älteren, pleistozänen "Bärenhorizontes" von einem jüngeren Komplex mit einer Steppenfauna unterschieden werden. Genauere stratigraphische Einordnungen sind aber unsicher. "In den fluviatil beeinflußten Höhlen ist infolge der ... Zyklizität der quartären Klimaentwicklung durch mehrfach aufeinanderfolgende Umlagerungsprozesse eine geradezu 'chaotische Unordnung' in den heute vorliegenden Sedimanten entstanden" (S. 210).
Größere Erfolge hatten archäologische Grabungen und Funde in den Höhlen und ermöglichten die Angabe eines Mindestalters der Anlage einzelner Höhlenteile. Diese wurden vom pleistozänen Menschen aufgesucht; die liegengelassenen Werkzeuge (Knochenspitzen, Feuersteinklingen u.a.) erlauben daher die zeitliche Einordnung in bestimmte Kulturfolgen (STEINER & STEINER 1969b; Bild Seite 35).

Erstmals für die DDR konnten 14C-Altersdatierunoen an Sinterproben aus Biels-, Hermanns- und Kameruner Höhle mitgeteilt werden (LOBST 1976, HEBERT & FRÖHLICH). Zwei Stalagmiten der 2. Etage der Kameruner Höhle ergaben Alter von 34 000 bis 19 800 Jahren (Trümmerhalle - Biesehalle) bzw. 13 200 bis rezent (Berggeisthalle). Die Messungen wurden jeweils am Fuß und Kopf der Kernzone ausgeführt. Das Alter von Sinterbruchstücken in Sedimenten der Bielshöhle (Schallgang) wurde mit 16 000 Jahren ermittelt, während die Bestimmungen der Sinterdecken der Biels- und Hermannshöhle jeweils 2 000 Jahre ergaben. Diese Daten erlauben nur Aussagen über Verkarstungsphasen der Weichselzeit bzw. des Holozäns. Weitere zielgerichtete Datierungen ausgewählter Teile der Rübeländer Höhlen, insbesondere aus der Brandes- und Baumannshöhle sowie aus den einzelnen Etagen der Hermannshöhle, bringen sicherlich detallierte Vorstellungen über die Verkarstungsvorgänge und ihre zeitliche Stellung.

Aus den Ergebnissen der archäologischen Funde und den 14C-Datierungen der Sinter ergeben sich folgende Mindestalter für die Höhleninhalte (Bild 2):
Die höchsten Alter sind für Brandes- und Baumannshöhle nachgewiesen worden (Moustérien, Mittelpaläolithikum). Jüngere Funde in der 4. Etage der Hermannshöhle weisen auf ältestes Jungpaläolithikum hin (ca. 55 000 Jahre). Relativ zeitgleich wäre der Höhleninhalt der 3. Etage der Kameruner Höhle. Das Alter des Stalagmiten der 2. Etage letztgenannter Höhle von 34 000 Jahren würde sich zeitlich recht gut in das relative System der Höhlenanlage einpassen.

Wir beabsichtigen, in Zusammenarbeit mit der Rübeländer Höhlenforschergruppe des DWBO unsere Arbeiten in der Kameruner Höhle zu einem Abschluß zu bringen.

Quellen

BIESE, W.:Über Höhlenbildung.- Abh. preuß. geol. Landesanst., N.F., Berlin 146 (1933)
BIRNDT, H., MUCKE, D. u.a.:Geowissenschaftliche Untersuchungen in der Kameruner Höhle bei Rübeland/Harz.- Vortr. Int. Cong. Speleol., Olomouc 1973
BUNN, E & SCHEUER, R.:Geologische Meldearbeit (unvoröffentlicht). Bergakademie Freiberg 1967
HEBERT, D. & FRÖHLICH, K.:14C-Datierungen an Kalksintern aus Rübeländer Höhlen (im Druck)
KOCKERT, W. & RÖSING, G.:Färbversuche des Höhlenbaches der Hermannshöhle in Rübeland/Harz.- Fundgrube, Berlin 4 (1968) 3/4, S. 89-90
LEGLER, C.:Hydrochemische Untersuchungen in der Kameruner Höhle bei Rübeland/Harz.- Fundgrube, Berlin 14 (1978) 3:4, S. 82-100
LOBST, R.:Erste Ergebnisse der 14C-Datierung von Sinter aus Rübeländer Höhlen.- Fundgrube, Berlin 14 (1978) 3/4, S. 78-81
MUCKE, D.:Die Genese der Rübeländer Höhlen.- Vortr. VIII. Tagung Höhlen- und Karstforsch., Rübeland 1975
NEBEL, B. & NEBEL, J.:Mineralogische und geochemische Untersuchungen an Höhleneinlagerungen. - Geologie, Berlin 18 (1969) 10, S. 1214-1230
STEINER, U. & STEINER, W.:Zur Genese der Rübeländer Höhlen (Harz). - Geologie, Berlin 18 (1969) 2, S. 198-203 (1969 a)
STEINER, U. & STEINER, W.:Ergebnisse der Grabungen 1962 in den quartären Sedimenten und Bemerkungen zur Genese der Rübeländer Höhlen/Harz. - Jschr. mitteldt. Vorgesch., Halle 53 (1969), S. 103-140 (1969 b)
STOLBERG, F.:Die Höhlen im Bielstein bei Rübeland (Harz).- Mitt. f. Höhlen- und Karstf., Berlin (1932), S. 81-103
VÖLKER, R. u. a.:Exkursionsführer VIII. Zentr. Tagung Höhlen- und Karstforschung, Rübeland 1975 (herausgeg. vom KB DDR), 31 S.

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