FRITZ REINBOTH

Gipsmörtel als Ursache der Fundamentschäden
des Klosters Walkenried

Auch im neueren Schrifttum über den Verfall der Walkenrieder Klosterkirche liest man immer wieder von einem „verfaulten Pfahlrost“ unter den Fundamenten (z.B. 1977 Dehio Bremen/Niedersachsen; 1978 Führer zu vor- und frühgesch. Denkmälern, Bd. 36, S. 193). Das Kloster steht aber nicht im Sumpf, wo ein Pfahlrost sinnvoll und üblich wäre, sondern auf der Niederterrasse der Wieda. Pfähle machen auf diesem geologischen Untergrund keinen Sinn und wären auch kaum einzurammen gewesen.

Die Senkungen der Fundamente beruhen vielmehr auf der Auslaugung des dort – in Unkenntnis der Wasserlöslichkeit von Gips – verwendeten Gipsmörtels. Im Fundamentbereich der Klosterkirche in Walkenried wurde bedenkenlos Gips eingesetzt, dessen Wasserlöslichkeit letztlich den Untergang des Riesenbaus zur Folge hatte. Mehrere Klarstellungen zu den Fakten wurden und werden bisher nicht zur Kenntnis genommen (z.B. Reinboth 1984, S. 26 f.).

Noch heute ist manchen Fachleuten der Unterschied von Gips- und Kalkmörtel nicht geläufig, so dass es auch zu verheerenden Schäden durch mangelnde Verträglichkeit des Gipses mit aluminiumhaltigen Portlandzementen (Ettringit-Bildung) kommt. Der krasseste Fall im Harz war wohl die "Sanierung" der Kirche in Zorge um 1970, die 10 Jahre später Restaurierungskosten in Millionenhöhe zur Folge hatte (Reinboth 1995).

Ein Grabungsbefund um 1900 durch Regierungsbaumeister Schadt besagt eindeutig: „Das alte Fundament der Kirche ist zwar bis auf den 2,5 m unter der Geländeoberfläche liegenden festen Baugrund hinabgeführt. Jedoch ist der Zustand des Fundamentmauerwerks ein außerordentlich mangelhafter. Mit Gyps gemörtelt ist zum größten Teil durch das Wiedawasser der Gyps ausgespült, zerfallen, der Gypsmörtel ist also loses Pulver.” Schadt berichtet von Senkungen bis zum Betrag von 80 cm (Steinacker 1922, S. 303).

Das vom seinerzeitigen Braunschweiger Bezirkskonservator Prof. Dr. Hans-Herbert Möller um 1972 verfügte Anstauen der Wieda, um das Verfaulen eines angeblichen Pfahlrosts durch Trockenfallen zu verhindern, bewirkte also genau das Gegenteil dessen, was beabsichtigt war.

Dieses Vorgehen ist umso unbegreiflicher, als damals die Fundamente an einer Stelle eigens freigelegt worden waren. Im oberen Bereich der Fundamente waren Reste des Gipsmörtels mit typischen Lösungsformen wie Laugnäpfen zu beobachten – aber keine Spur von einem Pfahlrost. Die Legende eines Pfahlrosts beruht auf einigen Pfählen unter den Strebepfeilern des Chorpolygons, die erst bei dessen Bau um 1400 gesetzt worden waren. Dieser Neubau erfolgte noch im Mittelalter wegen der ersten Bauschäden im Chorbereich nahe der Wieda (Nicolai 1990).

Es ist sehr bedauerlich, dass durch die Unkenntnis der mittelalterlichen Bauleute der Verfall eines sonst für die frühe Gotik richtungsweisenden Bauwerks vorprogrammiert war. Die Kirche wäre also auch ohne die Verwüstungen im Bauernkrieg aus geotechnischer Sicht wohl nicht zu retten gewesen.

Was für einen fachlichen Unsinn selbst Fachleute, die es besser wissen sollten, noch 2013 dazu von sich gegeben haben, möge der folgende Text aus dem Internet beispielhaft deutlich machen:

Das Fundament für den Ruin haben die mönchischen Bauherren im 13. Jahrhundert wohl selbst gelegt. Hunderte von Eichenpfählen bildeten die Basis für den Kirchenbau. Die Überlebensstrategie des Konvents basierte auf Eigenwirtschaft und Selbstversorgung und dafür war auch hier die Anlage dutzender Fischteiche nötig. Mit den Wasserläufen jedoch änderte sich auch der Grundwasserstand, was den Eichenstämmen, die die ungeheure Last der Kirchenmauern aufnehmen sollten, wohl den Halt nahm. Die Folge war ein deutliches Absacken und Verformen des aufgehenden Mauerwerks.

(digital veröffentlicht am 12. März 2013 unter „Bennert Redaktion“; https://www.bennert.de/referenzen-19.html).


Literatur

K. Steinacker (1922): Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Blankenburg. – Wolfenbüttel

G. Dehio (1977): Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler: Bremen/Niedersachsen. – München

Führer zu vor- und frühgesch. Denkmälern, Bd. 36 (1978): Westlicher Harz: Clausthal-Zellerfeld, Osterode, Seesen. – Mainz (S. 193)

F. Reinboth (1984): Betrachtungen über Bau und Verfall der Walkenrieder Klosterkirche. In: 20 Jahre Verein für Heimatgeschichte Walkenried und Umgebung 1964 - 1984. – Walkenried (S. 16 - 38)

B. Nicolai (1990): Libido aedificandi – Walkenried und die monumentale Kirchenbaukunst der Zisterzienser (= Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte Bd. 28). – Braunschweig

F. Reinboth (1995): Aus der Geschichte der Walkenrieder Gipsindustrie. – Harz-Ztschr. 46/47 (S. 107-127)

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