Martin Granzin

250 Jahre Harz-Kornmagazin in Osterode am Harz

Das repräsentativste und massivste Gebäude, zugleich auch das größte alte Gebäude der Stadt Osterode a. Harz, das Harzkornmagazin, das in breiter Front am Ufer der Söse steht, kann in diesem Jahr die 250. Wiederkehr des Jahres seiner Vollendung begehen. Die mehrfach am Gebäude selbst angebrachte Jahrzahl 1722 weist die Fertigstellung des Baues zu diesem Jahre aus.

Das Ereignis bot zwar zu einer besonderen Feier keinen Anlaß, wohl aber mag es die Baugeschichte des Hauses in Erinnerung rufen, zumal das Osteroder Magazin das noch heute bestehende und einzige erhaltene größte Kornmagazin des Harzes geblieben ist.

In zwei umfangreichen Aktenbänden des Oberbergamtsarchivs in Clausthal sind die Unterlagen über den Bau des Gebäudes niedergelegt 1). Ihren wichtigsten Angaben folgt diese Darstellung, während die Baugeschichte in allen Einzelheiten hier ebenso wenig gegeben werden kann, wie eine Beschreibung der baulichen Einzelheiten des heutigen Baus, der Abmessungen, Konstruktion und des inneren Aufbaues.

Bedingt durch Klima und Bodenbeschaffenheit, die einen ergiebigen Getreideanbau in den Bergorten des Oberharzes und mithin eine Versorgung der Bevölkerung aus eigenen Anbaugebieten verhinderten, waren die Bergorte des Oberharzes seit jeher auf die Zufuhr von Brotgetreide aus dafür begünstigten Nachbargebieten angewiesen. Getreide auf Vorrat einzukaufen und einzulagern, war daher schon immer ein besonderes Anliegen der Bergbauverwaltung. So besagen Nachrichten über die Beschaffung von Brotgetreide für den Oberharz und die am Bergbau Beteiligten aus den Jahren 1640 und 1642, daß man damals (1642) auf etwa zwanzig Wochen Vorrat einkaufte (pro Malter zu 7-8 Talern, 1 Malter zu 132 kg, 6 Himten zu je 22 kg). Bei der großen Teurung von 1661/62 bewilligte Herzog Christian Ludwig den Einkauf von 1500 Malter Roggen. Bereits 1684 und 1686 ließen die Pest und Teurungswellen den Gedanken an ein Sammelmagazin für Brotgetreide im Oberharz aufkommen 2). Mehrfach übernahm der Landesherr selbst die Kosten für Verluste und sogenannten Magazinschaden. 1694 mietete man Kornböden in Goslar zum Sammeln von Brotgetreide an. Nach dem Berg-Rechnungsprotokoll vom 3.11.1704 dachte man ernsthafter an den Bau eines ständigen Kornmagazins im Harz, dessen Notwendigkeit man dann vor allem im Pestjahr von 1709 betonte 3). Damals lagerten bereits 3000 Malter Brotgetreide in Osterode, das man bereits um diese Zeit für den geeignetsten Ort für die Anlage eines Magazins hielt. Greifbare Gestalt nahm der Plan dann 1712/13 an. Die Clausthalschen Berg-Resolutionen dieser Jahre sind als Ausgangspunkt für den Plan eines Gesamt-Kornmagazins für den Oberharz anzusehen. Das Bergamt in Clausthal wird angewiesen, einen Plan auszuarbeiten und diesen Plan dem Berghauptmann und der kurfürstlichen Kammer zuzuleiten. Der Vizeberghauptmann Heimburg soll sich darüber mit den Richtern und Räten in den Bergstädten beraten. Der Bergsekretär Heinrich Diederich Meyer in Andreasberg hat die Akten über Korn-Magazine im Oberharz durchgesehen und auf die Möglichkeit der Schaffung eines gemeinsamen und Gesamt-Kornmagazins hin überprüft. Er stellte fest, daß die Bergstädte jährlich 100 000 Malter Frucht aus dem Halberstädtischen, Nordhausenschen und Sächsischen herbeiholen. Schon hier wird betont, daß der Getreide-Fruchtpreis im Interesse der Bergstädte und ihrer Bevölkerung konstant bleiben müsse. Meyer empfahl noch die Anlage zweier Kornmagazine, je eines in Clausthal und Nordhausen 4).


Aus den Bauakten des Oberbergamtsarchiv, Clausthal


Aus den Bauakten des Oberbergamtsarchiv, Clausthal


Bei der Wahl eines Standortes für das Kornmagazin in Osterode wurde zunächst ein Platz in der Nähe des Jacobitors, der sogenannte "Schäfers Garten", in Vorschlag gebracht, schließlich aber als Bauplatz ebenso verworfen wie ein Platz am Neustädter Tor. Der Osteroder Bürgermeister Justus Heinrich Hattorf 5) brachte schließlich einen Platz in der Nähe des Johannistors in Vorschlag. Hier lagen vier Gärten verschiedener Größe, deren größten von 78 Ruthen der Oberfaktor und Bergschreiber Christian Friedrich Hattorf, Bruder des Osteroder Bürgermeisters,besaß 6). Nach der Meinung des Osteroder Bürgermeisters war hier ein geeigneter Platz für ein Haus von "60 Fuß Länge und 200 Fuß Länge" vorhanden, wo noch "zwischen Stadtmauer und zu bauendem Haus so viel Platz war, daß drei Wagen bequem ausweichen konnten, während nach der Söse zu ein genügend großer Abstellplatz für Wagen vorhanden war". 7) Es handelte sich um den heutigen Standortplatz des Magazingebäudes zwischen Söse, Stadtmauer und Mühlengraben am alten Johannistor. Bei Erwerb des Platzes wurden für die dort angekauften Gärten Hattorf mit 200 Talern, der Wirt Mönnecke mit 70 Talern, der Osteroder Beckmann mit 60 Talern und die Stadt für einen stadteigenen Garten mit 55 Talern entschädigt.

Mancherlei Gründe haben schließlich, wie auch die Bergresolutionen bis zum Jahre 1718 ausweisen, Osterode zum Standort des Gebäudes bestimmt. Der damalige Oberberghauptmann Heinrich Albert von dem Busch, dem der Oberharz viele segensreiche Reformen verdankt, hat, wenn auch nicht ausdrücklich in den Bauakten bezeugt, Auftrag für das Gesamt-Magazin und den Bestimmungsort erteilt. 8)

Nicht nur die gute Verkehrslage der von allen Seiten bequem zu erreichenden Sösestadt, wobei vor allem die in der Nähe des zu errichtenden Gebäudes einmündende alte Harzstraße, die über den Heiligenstock nach Clausthal führt und auf der vor allem die Eisentransporte zu den Eisenhütten im Sösetal erfolgten, mag mit den Ausschlag zur Wahl des Standortes gegeben haben. Bei Osterode steht noch heute der Gips in großen Mengen an, als "Kalk" seit jeher neben dem Holz das wichtigste Bauelement der Städte und Dörfer am Südrand des Harzes. Nach allen Gutachten war das Vorkommen des Gipses in der Nähe Osterodes und seine bequeme Herbeischaffung mit der Hauptgrund zur Wahl Osterodes. Auch für das Bauholz verwies man auf die Möglichkeit der Entnahmen aus den Forsten bei Osterode und Herzberg, vor allem auf den Westerhöfer Wald. Die Notwendigkeit, ein festes und witterungssicheres Haus zu bauen, betonen schon die ersten Resolutionen für den Bau. So heißt es 1714: "Weil es (das Haus) aber von Steinen wird aufgeführt werden müssen und das Mauerwerk auf dem Harz nicht beständig ist, so würde wohl der beste Platz dazu vor Osterode seyn".

Nach der in der Resolution vom 7.12.1717 niedergelegten Planung sollte das Gebäude 240 Fuß lang, 54 Fuß breit und 79 Fuß hoch sein. Das Haus sollte Platz zur Aufnahme von 12 000 Malter Brotkorn bieten. Die Baukosten wurden auf 15 000 Taler geschätzt, eine Summe, die dann freilich weit überschritten wurde. Zwischen den Mauern sollten drei starke Böden und auf dem Dachwerk noch zwei besondere Böden das dort aufgeschüttete Getreide aufnehmen. Das unterste Kornlager sollte um sechs Fuß über dem Hofplatz stehen und mit gebranntem Gips als Estrich übergossen werden. Vor Anlage des Fundamentes sollten kleine Wasserkanäle etwa auftretendes Quellwasser ableiten. Auch die Planung für Balkenwerk, Bodenräume, Säulen und Träger und das Dachwerk ist in allen Einzelheiten angegeben. Durchzüge und Träger, die in die über den Böden liegenden Balken eingebunden sind, tragen die Last der Böden und des Dachwerks in einer einmaligen Leistung bodenständiger einheimischer Zimmermannsarbeit. Auch das Giebeldreieck für das Wappen und die Portale sind bereits vorgezeichnet. Das am 7.12.1717 eingereichte Gutachten bringt zugleich auch den Bauentwurf des Oberharzer Proviantverwalters Sudfeld Vick in Clausthal mit drei Rissen. Der Entwurf zeigt die in der Resolution angegebenen Maße. Vick berechnete für das ganze Gebäude allerdings nur eine Bausumme von 10 146 Talern. Allein für die Maurerarbeit setzte er 2 419 Taler an. Für benötigtes Säulenholz setzte er 30 Stamm, für Band- und Riegelholz 26 Stamm, für Erker- und Dachfensterholz 15 Stamm an. Für die Tischlerarbeit, Holz für 118 Fensterrahmen, dazu hielt er noch 436 Stamm Tannenholz, 140 Stück für 40er Sparren, 275 Stück für 30er Sparren für nötig. An Eichenholz setzte er 99 bis 100 Stamm zu 60 Kubikfuß an. Er empfahl auch die Anlage von drei Kornwinden am Gebäude.

Der Entwurf Vickes, über dessen Tätigkeit bei Bauentwürfen für Provianthäuser und ähnliche Bauten im Oberharz noch eingehende Nachforschungen anzustellen sind, wurde gebilligt. Freilich konnte er den Entwurf nicht zur Ausführung bringen, da er im Oktober 1718 starb. Den im großen und ganzen beibehaltenen Entwurf sollte dann dessen Bruder, der Land- und Amtsbauschreiber Georg Vick in Hannover, den die Akten auch Kunstmeister nennen, zur Ausführung bringen. Vick, der schon 1718 die bauliche Oberaufsicht über den Bau erhalten hatte, wurde am 2.12.1719 nach Osterode beordert 9) mit dem Befehl, im Frühjahr 1720 mit dem Bau zu beginnen, nachdem man ihm Baurisse und Aktenunterlagen ausgehändigt hatte. Er lieferte selbst 3 neue Risse. Schon 1718 wollte man mit der Herbeischaffung des Baumaterials, vor allem des Holzes beginnen, während ein eigener Kalk-Brennofen für die Herstellung der Kalksteine direkt bei der Baustelle errichtet wurde.


Vorderansicht

Bei einem Gehalt von zwei Talern wöchentlich ernannte und vereidigte die Bergamtsverwaltung auf Vorschlag der Regierung 1719 Hermann Herbert Topp aus Hannover, einen Schwager des Herzberger Amtmanns zum Bauschreiber. Topp starb bereits im März 1720, sein Nachfolger wurde im gleichen Monat Joachim Lüders, der in diesem Amt blieb bis 1722. Die Mitaufsicht über den Bau hatte der Osteroder Bürgermeister Justus Heinrich Hattorf, dem wöchentlich der Bauschreiber die Abrechnungen zur Einsicht vorzulegen hatte. Die Oberaufsicht über den Bau führte der Licent-Kommissar beim Oberbergamt nach den in den Berg-Resolutionen (so schon 1716/17) gegebenen Anweisungen.

Am 9. Februar 1720 teilte Vick mit, "daß man endlich auf den Grund kommen werde, darauf das Gebäude soll angelegt werden, bishero habe das Wasser daran gehindert". Im Juli 1721 konnte er dann berichten, daß der Bau rüstig vorangehe und daß man Michaelis mit dem Dach beginnen wolle. Er konnte ferner mitteilen, daß schon 28 000 gebrannte Steine in Vorrat und daß auch Bruch- und Quadersteine angefahren seien. Den für die Dachbedeckung benötigten Schiefer wollte man aus Elbingerode heranholen. Nach einem Gutachten der Osteroder Maurermeister Berthold Weißkopf, Andreas Holste, Christoffer Kohlstruck und des Kalkbrennermeisters Rettstadt vom Februar 1720, die auf Wunsch Hattorfs hinzugezogen waren, einigte man sich auf den an der heutigen Herzberger Straße und bei Düna anstehenden Gips, dessen gute Eigenschaft für Mörtel hervorgehoben wurde. Vick hatte zunächst auf Verwendung des sogenannten Osteroder Lederkalkes bestanden. Ein Kontrakt mit dem Osteroder Ziegelbrenner Andreas Rettstadt und dessen Schwiegersohn Philipp Hellmann in Katlenburg verpflichtete diese, 12 000 Mauersteine, monatlich 2 000 Stück zu liefern. Das benötigte Bauholz hatte Vick mit Bürgermeister Hattorf im Westerhöfer Wald ausgesucht. Die bereits genannten Mengen waren im Bauanschlag angegeben. Für die Beaufsichtigung der Zimmererarbeiten wurde der Osteroder Ratszimmermeister Simon Leunig (Löni) vorgeschlagen.

Da es sich bei dem Osteroder Magazinbau um ein massives, in Stein aufgeführtes Gebäude handelte, kamen den Maurerarbeiten eine besondere und hervorragende Bedeutung zu. Zur Beaufsichtigung und Leitung der Maurerarbeiten hatten die Räte in Hannover am 7.2.1720 den Hannoverschen Hofmaurermeister Sebastian Crotogino in das Gespräch gebracht und vorgeschlagen. Die Hofmaurermeisterfamilie Crotogino aus Italien entwickelte um diese Zeit im Hannoverschen eine umfangreiche Tätigkeit. So war von 1679-1716 der Hofmaurermeister Giuseppe Crotogino in Hannover, Osnabrück, Hildesheim und an anderen Orten tätig. Sein angeblicher Vetter Sebastian Crotogino war von 1710 bis 1740 in Hannover, Hildesheim, Marienrode, Derneburg und Wülfinghausen tätig. Er war 1677 in Chiavenna geboren und wurde am 25. Mai 1740 in der Krypta der Klemenskirche in Hannover beigesetzt 10). Mit Crotogino wurde am 17.4.1720 ein Kontrakt für den Oster oder Bau abgeschlossen. Vick behielt indessen weiterhin die Oberaufsicht über den Bau, während Crotogino wegen anderer Verpflichtungen nur gelegentlich in Osterode anwesend sein konnte. Crotogino hatte auch drei Italiener als Facharbeiter einstellen lassen, während jedoch die eigentliche Facharbeit am Bau meist Osteroder Fachhandwerker besorgten. Mit Crotogino kam es später wegen restierenden Lohns zu einer Klage 11). Ein sonst nicht näher bekannter Tiroler Maurermeister Jacob Zelley ist, vermutlich von Crotogino verpflichtet, bei den Bauarbeiten tätig gewesen. Am 17. 3. 1720 wurde auch mit dem Zimmerermeister Jobst Philipp Leichtweiß aus Rittmarshausen auf Vorschlag von Vick ein Kontrakt geschlossen. Mit den Goslarer Schieferdeckermeistern Heinrich Daniel Wagner und Hening Rulle schloß man am 23.10.1720 einen  Kontrakt wegen des Schiefers, der in Elbingerode in einem neu geöffneten Schieferbruch für die Dachdeckung gewonnen wurde.


Rückansicht

Während die am Osteroder Bau Beteiligten im Dezem.ber 1720 an das Oberbergamt schrieben, im Frühjahr 1721 mit der Maurerarbeit abschließen zu können, erforderten besondere, von vornherein für den Bau vorgesehene bildhauerische Schmuckarbeiten die Aufmerksamkeit der Bauleitung. Sie bezogen sich auf das große Giebel-Dreieck an der Vorderfront des Hauses mit dem hannoversch-englischen Staatswappen, auf die Inschrift und Jahreszahl darunter, Portale, Schlußsteine, sonstige Jahreszahlen und Namenszüge Georgs I. Für diese bildhauerischen Arbeiten ist am 24.11.1720 laut vorhandenem Kontrakt der hannoversche Bildhauermeister Quirinus UIrich verpflichtet worden, der am Johannistor eine dazu nötige Bildhauerwerkstatt einrichtete. Ulrich ist bekannt durch Bildhauerarbeiten in der St. Klemenskirche in Hannover (zwei Apostelfiguren von 1725) und durch Arbeiten am Bischofshof in Hildesheim (1739/1747) 12).

Das Repräsentative des ganzen Baues spricht neben seinen Ausmaßen aus dem großen Wappendreieck mit dem hannoversch-englischen Staatswappen in Sandstein und Großausführung. Eine Beschreibung des Wappens erübrigt sich in Hinblick auf die einschlägigen heraldischen Handbücher 13). In gleicher verkleinerter Form ist das Wappen auch über der Fürstenempore der St. Jacobi-Schloßkirche in Osterode angebracht. Auch am ehemaligen Reitstall in Hannover 14) findet sich das große Wappen Georgs I. Über dem Portal steht oben mit fußhohen Buchstaben die Inschrift "Utilitati Hercyniae", unten über dem Portal "Exstructum hoc aedificium A. O. R." mit der Jahreszahl 1722 in der ungebräuchlichen und merkwürdigen Form  wobei die ersten drei Zahlen 1000 bedeuten, die nächsten beiden 500, die nächsten beiden 200 = 1700 dazu 22 = insgesamt 1722 bedeuten. Auch die Monogramme Georgs I. und der Kellereingang mit der Jahreszahl 1722 sind von Ulrich gebildet.

Für die Ausführung der Bildhauerarbeiten verwendete Ulrich Sandstein aus den Steinbrüchen von Estorf, Bezirk Stolzenau im Weserbergland. Ulrich erhielt für die Arbeiten, die laut Kontrakt im September 1721 beendet sein sollten, 390 Taler, dazu zusätzlich 21 Taler für den Schlußstein am Kellereingang. Für die Quadersteine bei den Fenstern, Gesimsen und am Kellereingang wurde der Steinhauermeister Johann Weidenhauer verpflichtet. Schlosser- und Kleinschmiedearbeiten fertigten die Osteroder Meister August Ludwig Höxtermann und der Grobschmiedemeister Andreas Winter. Sie bezogen sich vor allem auf Anker, Krampen, Nägel und Gitterklammern. Der Osteroder Tischlermeister Levin Conrad Gran erhielt noch im Januar 1722 den Auftrag für zu fertigende Tischlerarbeiten.

Während im März 1721 der Bau so weit fortgeschritten war, daß nur noch zwei Etagen zu machen waren, sollte im Dezember 1721 das Dach geschlossen werden. während im September dieses Jahres noch von der Fertigstellung von Treppen, Böden und Türen die Rede ist. Man hatte noch zu Ende 1720 zusätzlich 60 Stamm Eichenholz oder 120 gehauene Blöcke aus der Herzberger Forst heranschaffen müssen.

Während die Jahreszahlen am Bau selbst das Jahr 1722 als Vollendungsjahr des am 5.9.1718 in der Bauplanung begonnenen Baues angeben, sind als Schluß des 1722 fertiggestellten Baues die im Jahre 1723 abgeschlossenen Abrechnungen anzusehen.

Die Gesamtkosten beliefen sich statt der veranschlagten 15 000 Taler auf 25 738 Taler 34 Gr. und 3 Pfg. Über den ursprünglichen Entwurf hinaus war das Gebäude 6 Fuß breiter angelegt worden. Ein unter dem Gebäude angelegter Stichkanal, höhere Auffüllungen unter dem Gebäude, der höher gelegte Paterreboden und ein zusätzlicher Dachboden hatten die Mehrkosten verursacht. Das Gebäude steht heute in einer Länge von 69,79 m und 17,50 m Breite, die Höhe von Oberkante Sockel bis zum Gesims beträgt 9,25 m, das Dach darüber 11,55 m. Es bietet auf sieben übereinanderliegenden Böden Raum für rund 2 Millionen kg Getreide 15).

Vermerke oder besondere Berichte über die Übernahme des Gebäudes nach der Fertigstellung oder über Einweihungsfeierlichkeiten finden sich bei den Akten nicht.


Giebel

Im Jahre 1732 wurde eine besondere "Magazin-Administration" eingerichtet. Zum Oberaufseher wurde ein Magazinverwalter bestellt, dem ein Kornschreiber und ein oder mehrere Kornmesser beigegeben wurden. Auf der Stelle des heutigen Grundstückes Johannistorstraße 11 wurden Wohnungen für den Verwalter und den Kornschreiber erbaut. Der Magazinverwalter besaß auch einen Dienstgarten. Nach 1850 ersetzte das Gebäude ein Neubau, der das Katasteramt aufnahm. Bei der Sprengung der Johannistorbrücke im April 1945 ging auch dieses Gebäude in Trümmer.

Die Namen der Magazinverwalter von 1738 an sind: 16)

Christian August Stiel 1738-1751Julius Kolle 1832-1835
Christian Andreas Stiel 1751-1760Wilhelm Rodewald, Ltn. 1836
Fr. Christian Lenge 1761-1765D. F. Strauch 1837-1851
Johann Christoph Lehste 1766-1788H. A. Knop, Ltn. a. D. 1856-1857
Johann Balthasar Grund 1789-1831C. Schnur 1865-1892

Die Stelle war oft unbesetzt, wie 1852-55 und 1858-64. 1884-1902 wird der Faktor Schnur genannt.

Schon eine Verordnung für das Magazin vom 21.3.1725 17) hatte bestimmt, daß jeder verheiratete Berg- und Hüttenmann, Steiger, Mitglied des Aufbereitungspersonals und Arbeiter bei Teichen und Gräben monatlich 2 Himten, der unverheiratete Bergmann, die Bergmannswitwe und der Invalide monatlich 1 Himten erhalten sollte. Der angenommene Mittelpreis eines hannoverschen Himten Korn oder Roggen war 16 Ggr. Dieser Preis mußte konstant bleiben, so hoch auch in Teurungs- oder Kriegszeiten die Preise anstiegen. Bei eintretendem Magazinverlust, wie 1771, deckten die Gruben und die Kgl. Kasse diesen Verlust.

Das Getreide wurde mit Eselkarawanen in die Bergstädte gebracht und dort durch die Gewerken verteilt. Es war vorgesehen, daß das Magazin möglichst 10 000 Malter Korn in Vorrat haben sollte, es war 1724 bereits fast völlig aufgefüllt. Haupteinkaufsgebiete für das Brotgetreide blieben die Grafschaft Hohenstein, die Goldene Aue bis Sangerhausen und die Hildesheimer Pflege. Eine an der Westseite des Gebäudes 1827 angebaute Fruchtdarre hat kaum Bedeutung erlangt. Auch aus den Jahren 1852 und 1878 liegen Reglements für die Magazinverwaltung vor, jedoch hatte sich schon 1851 die hannoversche Ständeversammlung mit den Aufgaben des Magazins und seinem Fortbestand beschäftigt. 1911 hörte es in seiner Bestimmung auf und ging als Gebäude 1914 in den Besitz der Stadt Osterode über. Heute beherbergt das Gebäude einen Supermarkt und besitzt Lagerräume einheimischer und auswärtiger Firmen.

Mit sehr sorgfältigen zeichnerischen Aufnahmen ist das baulich imponierendste Gebäude in der Stadt von Architekt Wolfgang Grönig (Osterode) vermessen und aufgenommen worden. Der bauliche Zustand des Gebäudes hat schon nach dem 1. Weltkrieg mehrfach Anlaß zu Sorgen gegeben 18). Sehr schlimm waren die durch die Brückensprengung von 1945 eingetretenen Schäden, wenn auch im Ganzen das stabile Gebäude in seiner Substanz größere Schäden hatte abwehren können. Größere Mittel konnte 1960 die Stadt für die Instandsetzung vor allem des Äußeren aufbringen und den sehr nötigen neuen Anstrich vornehmen. Heute wird das Gebäude, das seit langem ein besonderer Anziehungspunkt für die Fremden ist, die die Stadt besuchen, in seiner Vorderfront in den Abendstunden angestrahlt. 

In der Reihe barocker Zweckbauten nimmt auch das gut erhaltene Kornmagazin in Osterode, schon allein durch die Gestaltung seiner Vorderfront, einen hervorragenden Platz ein. Süddeutsche Einflüsse wurden bereits in Vergleich zu ähnlichen Bauten angedeutet, sind jedoch noch näher zu untersuchen. Die großartig einfache und imponierende Front mit ihren Geschossen und hohem Dachaufbau, in den der Mittelgiebel und zwei kleinere Giebelaufbauten in Fachwerk einschneiden, machen das Gebäude zum eindrucksvollsten der alten grubenhagenschen Stadt Osterode und geben sinnfällig einen Eindruck von ihren deutlich ausgeprägten Beziehungen zum Oberharz und seinem Bergwesen. Die 250jährige Wiederkehr der baulichen Vollendung des Gebäudes erinnert erneut daran.


Durchblick auf einem der Böden

Anmerkungen

"Die Erbauung des Kornmagazins in Osterode" Oberbergamtsarchiv Clausthal (Berg- u.Forstamt) Fach 1704 Nr.2. Vol. I 1714-1720 Nr.3 Vol. II 1721-1728
Lohmeyer, Das Magazinkornwesen des Oberharzer Bergbaus in "Zeitschrift für Bergrecht" 1889, Jg.30 S. 211-228.
s.besonders das Kammerreskript vom 17.3.1686 b. Lohmeyer S. 214.
Oberbergamtsarchiv Clausthal Fach 1639 Nr. 4 (Die Anlage kleinerer Kornmagazine 1704-1737)
a.a.O. Anm. 1 Schreiben Meyers von 1713
Sohn des Eisenfaktors Heinrich Philipp Hattorf, geb. 1678, gest. 1740, Bürgermeister in Osterode 1713-1740 s. H. Mahrenholtz, Stammfolge der Familie H. in "Heimatblätter für den südw. Harzrand" 7 (1960) S. 14
Christian Friedrich Hattorf, Bergschreiber, Hof. und Bergrat geb. 1673 gest. 1731 s. Mahrenholtz a.a.O. "Heimatblätter" 8 (1960) S. 20
Bürgermeister Hattorf an den Berghauptmann 25.6.1714 a.a.O. aus Vol. I zu Anm. 1
von dem Busch, Heinrich Albert von dem Busch (1664-1731) Fürstl.-Braunschweig. Hofrat, 1689 erhielt Aufsicht über die Bergwerke, 1692 Vizeberghauptmann, Mai 1695 Kammerrat, 1695-1731 Berghauptmann, 1713 Geheimer Rat, 1728 Kammerpräsident. Vergl. J. B. Rose, Geographische und historische Merkwürdigkeiten des Oberharzes, Frankfurt 1739, S. 284
Schreiben in Vol. I Fach 1704 a.a.O. (Anm. 1)
10)Sehr freundliche Mitteilung des Stadt- und Archivamtmannes Helmut Zimmermann in Hannover zu einem Vortrag über "Zur Herkunft italienischer Bauhandwerker des norddeutschen Barock"
11)Crotogino erhielt täglich 27 Mgr., der Polier 18, der Geselle 15, der Kalkschläger 9, der Handlanger 8.
12)Mitteilung Zimmermann a.a.O. Anm. 10. Thieme-Becker. Künstler-Lexikon Bd. 33 (Bd. 1939) S. 563
13)Eine Beschreibung gibt auch Paul Martins in einem Aufsatz über das Magazin in "Heimatblätter für den Süd- Westlichen Harzrand" 12 (1962)
14)Georg Schnath, Das Sachsenroß in "Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für Politische Bildung" Reihe B Heft 6 (1961) S.67 und Abb. 72 Tafel XXIII. Auch das abgerissene Reitstallgebäude in Göttingen zeigte im Giebel ein noch aufbewahrtes Wappendreieck.
15)Martins a.a.O. (Anm. 13)
Dietrich in "Kalender für den Kreis Osterode" (1910)
J. G. Fr. Renner: " Aus der Geschichte der Stadt Osterode" Neuausgabe Osterode 1926, S. 226-227
16)Braunschweig-Lüneb. und Hannov. Staatskalender
17)Lohmeyer a.a.O. S. 219, Renner a.a.O. S. 227
18)Einzelheiten über seit 1914 bis in die Gegenwart vorgenommenen Erneuerungsarbeiten bei Martins a.a.O. S. Anm. 13

Nach Fertigstellung der Arbeit weist mich Herr H. G. Griep in Goslar frdl. darauf hin, daß Georg Vick 1739 unter den hann. Landbedienten an erster Stelle genannt wird (s. auch G. Schnath, Das Leineschloß, Hannover 1962, S. 200 und 230).

Sudfeld Vick erscheint 1713 als Proviantverwalter im Oberharz, gab aber auch bauliche Gutachten ab. Crotogino war verschiedentlich beim Bau Oberharzer Amtshäuser tätig. So übernahm er die bauliche Ausführung des Oberbergamtes in Clausthal, dessen Entwurf von Georg Vick stammt.

Quelle: GRANZIN, Martin (1972): 250 Jahre Harz-Kornmagazin in Osterode am Harz.- Heimatbll. Harzrand, H.28, 1-12, Osterode

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N 51.7287° E 10.2528°

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