Die Zwerglöcher bei Walkenried am Südharz - Bemer-
kungen zur Frage der Quellungshöhlen
1)

Von Fritz Reinboth (Braunschweig)

 

Definition und Verbreitung

Als Quellungshöhlen werden blasenartige Hohlräume unter Gips- bzw. Anhydritschichten bezeichnet, die der Volumenzunahme bei der Umwandlung des Anhydrits in Gips durch Aufwölbung nach oben ausgewichen sind. Ihr weltweit sehr seltenes, örtlich dagegen massenhaftes Auftreten macht komplexe Entstehungsbedingungen deutlich. Das bekannteste Vorkommen in Europa sind der Sachsenstein und der Hollstein bei Walkenried am Südharz, wo sie sich als „Zwerglöcher“ auf weniger als einem Quadratkilometer zu Dutzenden häufen (BIESE 1931: 45, 62). Die größeren dieser Höhlen mit 0,5 bis 2 m Firsthöhe und bis 10 m Länge sind im Harzer Höhlenkataster unter der Sammelnummer 1429/17 erfaßt (Abb. 1).

Abb. 1: Lageskizze der im Kataster unter 4429/17 erfaßten Quellungshöhlen im Gebiet Sachsenstein / Höllstein bei Walkenried/Harz. Die Durchnummerierung jeweils innerhalb der Jagen 126/138/139 entspricht der des Katasters (s. Anhang). Weitere Quellungshöhlen sind mit kleinerer Höhlensignatur ohne Nummer eingetragen.

Bei söhliger Lagerung führen sie zuweilen geringe Mengen Schichtwasser in Form winziger Tümpel oder episodischer, kleiner Rinnsale (Möppelloch (Abb. 2), Großes und Kleines Wasserloch), ohne daß deshalb von eventuellen Karstgewässern gesprochen werden kann. Lediglich am „Spatenborn“ tritt Wasser in nennenswerter Menge (max. einige l/s) aus einem Gerinne aus, das sich in ähnlicher stratigraphischer Situation zwischen den oberen Anhydritbänken gebildet hat 2). Nach 50 Metern Lauf auf blankem Anhydrit versinkt das Bächlein wieder in einer solchen Schichtfuge (REINBOTH 1992). Ein kleineres Gegenstück, der „Kleine Spatenborn“ am Grenzweg, ist leider durch Bodenbewegungen beim Forstwegebau fast unkenntlich geworden.

Schon die älteste Beschreibung der Zwerglöcher vermerkt, daß „die Natur dieselben inwendig so glatt gemachet habe, als wenn solches mit Gips durch Menschenhand geschehen sei“ (BEHRENS 1703: 74), da das Höhlendach ja durch eine Schichtfläche gebildet wird. Eine Schichtfläche war auch die Firste völlig mit Letten erfüllter Hohlräume von max. 10 m Höhe und 25 m Durchmesser, die in einem Steinbruch im Basalanhydrit bei Osterode/Förste angefahren wurden.- HERRMANN (1953: 124; 1909: 6) führt ihre Entstehung deshalb ebenfalls auf Quellung zurück. Anders als bei den Walkenrieder Zwerglöchern war der Anhydrit hier vollkommen vergipst; die aufgewölbten Schichten waren mehrere Meter mächtig. Daß es sich nicht etwa um Primärhöhlen und bei der Höhlenfüllung um im Anhydrit eingeschlossene Salztone in primärer Lagerung handelt, belegen darin eingelagerte Buntsandsteingerölle (HERRMANN, a.a.O). 3)

Sonstige aus dem Südharz beschriebene Vorkommen sind vergleichsweise unbedeutend (im Röseberg bei Walkenried, nördlich der Lochmühle bei Gudersleben; weitere Beispiele bei VÖLKER & VÖLKER 1988: 15), soweit sie nicht zu den unausrottbaren wissenschaftlichen Legenden gehören. Zahlreiche Gipshügel werden im Schrifttum als „Quellkuppen“ bezeichnet 4) (dazu kritisch VÖLKER & VÖLKER 1988). Nennenswerte Vorkommen sind aus New Mexico (BREISCH & WEFER 1981: 759) und Oklahoma (MYERS et. al. 1969: 7) dokumentiert; die dortigen „Gypsum bubbles“ sind jedoch mit max. 30 cm Wölbhöhe vergleichsweise klein.
 

Verbruch und „geschachtelte Quellungshöhlen“

Die Öffnung einer Quellungshöhle ist gleichzeitig der Beginn des Zusammenbruchs und damit der Zerstörung. Nur mit größeren Deckenstärken - sie erreicht bei einigen Walkenrieder Zwerglöchen etwa einen Meter - sind längere Standzeiten möglich; im Gegensatz zu dünnwandigen Quellungshöhlen kommen dann regelrechte Verbruchblöcke vor. Hier sind auch die erstmals von HERRMANN (1953: 24) beschriebenen 5) sekundären Aufwölbungen im Inneren häufig, wie im Loch ohne Namen, in der Durchgangshöhle am Sübaweg, der danach benannten, beim Wegebau zerstörten Zwiebelhöhle im Röseberg (Abb. 3) und der verschütteten Höhle am Grenzweg. In der Höhle am Bahnkilometer 137,268 und in der Schulweghöhle fanden sich die Sekundäraufwölbungen doppelt ineinander geschachtelt (Abb. 2.).


Abb. 2: Grundrisse und Schnitte einiger Quellungshöhlen
(nach Vermessung von F. Reinboth 1951 - 1982)


Abb. 3: Ehemalige Zwiebelhöhle im Röseberg bei Walkenried mit mehrfach ineinander geschachtelter Aufwölbung. Foto F. Stolberg 5. Juni 1933


Zur Entstehung der Quellungshöhlen

Die Entstehung dieser Höhlchen hat wohl zuerst E. BEYRICH mit der Volumenzunahme („Quellung“) der oberflächlichen Anhydritschichten bei der Aufnahme von Kristallwasser erklärt (BEYRICH 1870); die lineare Ausdehnung beträgt maximal etwa 17% (MOYE 1906: 42; REIMANN 1991: 25). Die verhältnismäßig plastischen Gesteinsbänke weichen dem Druck durch Ausbeulen nach oben aus. Darunter entstehen länglichovale, oft befahrbare Hohlräume. Die ältere Harzer Höhlenliteratur (HAEFKE 1953: 124f.; 1966: 100; 1969: 6), hat die Entstehungshypothese BEYRICHS und MOVES ohne weiterführende Untersuchungen übernommen.

Als Voraussetzung für die Bildung von Quellungshöhlen werden söhlige Lagerung, geringe Klüftung und gute Bankung des Anhydrits ohne Gesteinsüberdeckung genannt (HERRMANN 1953: 124f.; 1966: 100; 1969: 6), wobei dünne, tonige Zwischenlagen die Oberflächenwasser stauen und als Ablösungsflächen und Gleitmittel bei der Verschiebung der Anhydritbänke gegeneinander dienen sollen (v. GÄRTNER 1932: 683). Der Aufschluss am Bahneinschnitt an der Sachsenburg, in unmittelbarer Nähe von Quellungshöhlen, zeigt den Anhydrit sehr homogen und kluftfrei, jedoch ohne „tonige Zwischenlagen“. Vielmehr löst sich das Gestein hier unter den atmosphärischen Einflüssen schalig ab.

Daß die Ablösungsflächen nicht durch primäre Lagerungen vorgegeben sind, sondern daß die bankartige Strukturierung erst eine von der Schichtung unabhängige Folge von Scherspannungen beim Vergipsungsprozeß ist, macht eine Quellungserscheinung im ehemaligen Feldbahneinschnitt Rösetal noch deutlicher. Hier hatte sich um 1950 eine 30 cm mächtige Gesteinsplatte parallel zur Wand des Einschnitts um etwa 50 cm nach außen gewölbt, also senkrecht und ohne Beziehung zur Schichtung, gleichsam eine senkrecht stehende Quellungshöhle 6). Einige Zwerglöcher in Hanglage (Zwiebelhöhle, Schulweghöhle, Entenloch) zeigen erhebliche Asymmetrie und Sohlenneigung, obwohl der Anhydrit dort nicht anders liegt als bei benachbarten „söhligen Höhlen“. Das Postulat söhliger Lagerung und guter Bankung wird durch diese Beobachtungen erheblich relativiert. Als Hauptvoraussetzung für die Häufung von Quellungshöhlen bleibt somit allein die fazielle Besonderheit des sehr homogenen Sachsensteinanhydrits, der wegen seiner geringen Klüftigkeit nur von der Oberfläche her vergipsen kann. Das geschieht so langsam, daß selbst im Bachbett des Spatenborns der Anhydrit zu Tage liegt.

Neuerdings hat sich REIMANN (1987 und 1991) im Rahmen einer Dissertation u.a. mit den Quellungshöhlen gründlich auseinandergesetzt (vergl. REINBOTH 1993). Neue quantitative Aussagen gewann REIMANN durch die Untersuchung zweier beanchbarter Höhlchen im Sachsensteingebiet (Zwergenkirche und Zwergensakristei, Kat. Nr. 4429/13 - 14), wobei er die gestreckte Länge der aufgewölbten Schicht zwischen den Gewölbescheiteln (quer zu deren Längsachsen gemessen) mit der ursprünglichen Länge (d. h. also dem Abstand) verglichen hat (Abb. 4). Mit diesem Kunstgriff wird die Beteiligung der gesamten Sulfatbank, also nicht nur der Wölbung selbst, am Aufwölbungsprozeß erfaßt. Bei Betrachtung einer einzelnen Aufwölbung ist das ja nicht möglich, da man den beteiligten Schichtbereich nicht kennt.


Abb. 4: Ermittlung der Ausdehnung der Hangendschicht bei Zwergenkirche
und Zwergensakristei. Nach REIMANN 1991

Zunächst überrascht REIMANNS Feststellung, daß die im Labor bestimmte Vergipsung der Schicht gerade im Bereich des Höhlengewölbes mit einem Restanhydritgehalt über 38% am geringsten, im flachliegenden Teil zwischen den Aufwölbungen hingegen stellenweise vollkommen ist. Die Bodenfeuchtigkeit als Kristallwasserlieferant ist tatsächlich an den steilen Flanken der Aufwölbungen geringer als in den dazwischen liegenden Senken, zumal das Gestein im Bereich der Aufwölbung auch von unten austrocknen kann. Die Korrelation zwischen dem mittleren Vergipsungsgrad, theoretischer Ausdehnung und gemessenem Längenzuwachs ergab gute Übereinstimmung.

Stellenweise ist der Gesteinskörper tektonisch strukturiert und somit eine Vorzugsrichtung für die Wölbachsen vorgegeben (REIMANN 1991: 90) 7); infolgedessen haben einige Höhlen einen ausgeprägt länglichen Grundriß mit eindeutiger Achse (Zwergenkirche, Arnulfsloch). Besonders im Bereich der Zwergenkirche geht REIMANN von einer Klüftung und aufsitzenden Dolinenreihen als Ausgangspunkt der Vergipsung aus. Das steht im Widerspruch zu den oben gemachten Feststellungen; die Zwergenkirche liegt allerdings am Rande des Verbreitungsgebietes der Quellungshöhlen. Eine strenge Ausrichtung der vermessenen Höhlen läßt sich sonst auch nicht feststellen; viele Quellungshöhlen haben keine oder bei eiförmigem bis spitz-dreieckigem Grundriß eine wenig ausgeprägte Längsachse (Abb. 2). Zuweilen ist die Schicht sogar an der Stirnseite eines Gewölbes nochmals quer zu dessen Längsachse aufgestaucht wie bei der Waldschmiede und dem Möppelloch (Abb. 2). Der Einsturz beginnt naturgemäß dort, wo die stärkste Beanspruchung der Aufwölbung stattfindet; die Eingangsöffnungen liegen deshalb meist an der „Spitze“ des Grundrisses.
 

Feldbeobachtungen zur Entwicklung des Wölbprofils

Im Verbreitungsgebiet der Zwerglöcher finden sich alle denkbaren Entwicklungsstadien von Quellhöhlen (BIESE 1931:45) (Abb. 5). REIMANN (1991: 96) unterscheidet Embryonalstadium, Jugendstadium, Reifestadium, Greisenstadium und Kollapsstadium. Bezeichnend für die relativ kurze Lebensdauer ist die Tatsache, daß die bei STOLBERG und BIESE abgebildeten Höhlchen inzwischen durchwegs verbrochen sind. Stetige Entwicklungen des Gewölbeprofils wurden trotzdem bisher nicht verfolgt.

Erstmals hat REIMANN an der Waldschmiede im Blumenberg (Abb. 6) versucht, Veränderungen einer gutgemeinten Wiederaufmauerung der 1967 eingestürzten Höhle anhand einer Reihe von Fotos zu verfolgen. Ältere Fotos und Vermessungen waren damit aber nicht korrelierbar. Der durch die damalige Naturschutzbehörde veranlaßte „Wiederaufbau“ der Höhle nach weitgehendem Einsturz (REINBOTH 1967, 1970) vernichtete den naturgegebenen Verbruchzustand und ist als Denkmal eines mißverstandenen Naturschutzes inzwischen seinerseits wieder zu Bruch gegangen 8).

Günstigere Voraussetzungen für derartige quantitative Aussagen bietet eine ganz junge Quellungshöhle im Höllstein (Steinbruchhöhle, Abb. 5 und 7). Um 1950 war im Eingangsbereich des um 1930 aufgelassenen Steinbruches am Höllköpfchen bei Walkenried eine dort freigelegte Anhydritbank von 8 bis 10 cm Mächtigkeit durch Quellung um etwa 10 cm aufgewölbt. Die seitlich auskeilende Wölbung hatte einen Durchmesser von etwa 2 Metern. Das bekannte „Hohlklingen“ des Bodens hätte auch ohne Tagesöffnung beim Betreten die beginnende Aufwölbung verraten. Diese Aufwölbung ist bis 1995 auf knapp 30 cm Scheitelhöhe gewachsen; ihre Länge beträgt jetzt 4 m, die Breite 3 m. Die betroffene Gesteinsbank ist an der Tagesöffnung 8 cm bis 10 cm mächtig. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich hier eine unscheinbare, flache Bodenwelle zur ausgewachsenen Quellungshöhle entwickelt. In der Nachbarschaft, ebenfalls im Steinbruchsbereich und unter ähnlichen Bedingungen, sind weitere junge Quellungshöhlen geringerer Größe und Höhe entstanden.


Abb. 5: Profile einiger Quellungshöhlen mit unterschiedlichem Reifezustand: Waldschmiede, Zwergenkirche, Großes Wasserloch, Steinbruchhöhle
(nach Spezialvermessungen von F. Reinboth 1952 - 1996)

Der Anhydrit wurde erst bei der Anlage des Steinbruches 1924/1925 durch Abbau der hier etwa 3 m mächtigen Gipsüberdeckung freigelegt (Abb. 7); das Gleiche gilt für die von REIMANN (1991: 91f.) erwähnten rezenten Aufwölbungen in den Steinbrüchen Juliushütte und Meholz und die Quellungserscheinungen im Feldbahneinschnitt Rösetal. Dies ist ein wesentlicher Unterschied gegenüber den „alten“ Quellungshöhlen, bei denen die Gesteinsoberfläche durch natürliche Abtragung, also in völlig anderen Zeiträumen, denundiert worden ist.


Abb. 6: Waldschmiede im Blumenberg bei Walkenried vor und nach dem Einsturz.
Fotos F. Reinboth 1960 und 1967


Abb. 7: Mundloch in der Steinbruchhöhle am Höllköpfchen bei Walkenried. Im Hintergrund die Abbauwand des ehemaligen Steinbruchs. Foto F. Reinboth 1996

 

Empirische Ermittlung des idealen Wölbprofils von Quellungshöhlen

Für das Wölbprofil haben BREISCH & WEFER (1981) ein physikalisches Modell mittels des HOOKEschen Gesetzes entwickelt und mit realen Quellungshöhlen in New Mexico verglichen. Ein einfacher Versuch erlaubt seine Ermittlung und die dazu erforderliche Längenausdehnung ohne den von BREISCH & WEFER getriebenen mathematischen Aufwand. Dazu wird ein einseitig fest eingespannter, auf der anderen Seite durch einen waagerechten Schlitz geführter Karton seitlich zusammengeschoben, wobei der Karton nach oben ausbeult (Abb. 8). Die lineare Längenausdehnung dL entspricht dem nachgeschobenen Papierstück und bewirkt eine definierte Aufwölbung h zwischen Einspannung und Führungsschlitz. Die gemessenen Absolutwerte werden normiert, indem sie auf die ursprüngliche Länge L bezogen werden. Die so gewonnenen Relativwerte dL/L und h/L gelten entsprechend den Versuchsbedingungen für geringe Deckenstärken.

Für die gemessene und auf ihren Durchmesser normierte Höhe einer Quellungshöhle h/L kann nun die vorausgegangene relative Längenänderung der aufgewölbten Gesteinsbank dL/L (in Prozent) mit Hilfe der im Versuch gewonnenen Kurve, welche die Beziehung zwischen h/L und dL/L (Abb. 8 unten) beschreibt, ermittelt werden. Für das Beispiel der Steinbruchhöhle ergibt sich aus den beobachteten Daten der wirkliche Längenzuwachs dL durch Multiplikation mit der jeweiligen Breite der Wölbung L (senkrecht zur Längsachse der Aufwölbung gemessen):

JahrLhh/L
dL/L
(nach Kurve)
dL

1930(Beginn des Vergipsungsprozesses)   0
1950200 cm100,050,5%  1 cm
1996300 cm300,12,5%  7,5 cm

Abb. 8: Zur Ermittlung des Höhlenwachstums von Quellungshöhlen
oben: Höhlenwachstum h durch seitlichen Schub dL
L Gesamtbreite der Aufwölbung
h Aufwölbungshöhe
unten: Gesamthöhe h als Funktion des eitlichen Schubes dL,
bezogen auf die Gesamtbreite L der entstehenden Aufwölbung (empirisch)
Der absolute Längenzuwachs dL gilt unabhängig davon, in welchem Bereich der betroffenen Gesteinsbank er enstanden ist. Er kann also ebenso auf Vergipsung innerhalb wie außerhalb der Aufwölbung zurückgehen (im Versuch wird ja auch von außen nachgeschoben). Da die vollständige Vergipsung eine Ausdehnung von 17% in einer Raumrichtung verursacht (REIMANN 1991: 87), entspricht der hier ermittelte Längenzuwachs dL von max. 2,5% einer Teilvergipsung von 2,5% / 17% = 15 %, wenn die Ausdehnung nur auf die Breite der Aufwölbung selbst (L = 3 m) bezogen wird. Da die Aufwölbung jedoch weniger auf die Vergipsung in ihrem unmittelbaren Bereich als in ihrer Umgebung zurückzuführen ist (REIMANN 1991: 88), muß man für den Vergipsungsgrad von einem weit geringerm Wert ausgehen. Eine genaue Abgrenzung der von der Vergipsung betroffenen und an der Aufwölbung beteiligten Fläche ist nicht möglich. In der Tat besteht der eigentliche Dachbereich der Steinbruchhöhle augenscheinlich aus Anhydrit.
 

Zur Wertung der Quellungshöhlen als Geotop

Als im Dezember 1976 unter dem Richtungsgleis Walkenried - Bad Sachsa am Bahnkilometer 137.268, unweit der Waldschmiede, eine bis dahin unbekannte Quellungshöhle einstüzte und einen kleinen Erdfall hinterließ (Abb. 2), löste dies bei der Bahnverwaltung große Bestürzung aus. Senkungen und Erdfälle im Bereich des Bahnkörpers durch Karsterscheinungen im Gips werfen gerade auf der Südharzstrecke, seit jeher große Probleme auf: es sei an den eine große Gipshöhle kreuzenden Walkenrieder Tunnel und die Senkungen am Sachsenstein, bei Tettenborn und bei Cleysingen erinnert. Hier aber lag keine Karsterscheinung vor: der Verfasser wies daher in einem auf Wunsch der Bahnmeisterei Herzberg erstellten kleinen Gutachten ausdrücklich auf die entstehungsbedingt lokale Begrenzung des Höhlchens hin.

Die Niederbringung einer bis in das Rotliegende reichenden Kernbohrung durch die zuständige Fachbehörde zeigt indessen, das der Erdfall gewohnheitsgemäß als Folge von Verkarstungsvorgängen im Untergrund interpretiert wurde, offenbar in Unkenntnis des hier eingestürzten Höhlentyps 9). In dieser Unkenntnis eines gewiß ungewöhnlichen Geotops spiegelt sich letztlich eine viel zu geringe Würdigung der Südharzer Gipslandschaft als Geosphäre besonderer Art.

Schrifttum:
G. H. BEHRENS (1703): Hercynia curiosa oder curiöser Hartz-Wald. - Nordhausen (Neudruck Nordhausen 1899).
E. BEYRICH (1870): Erläuterungen zur geol. Karte Bl.2524 Ellrich. 1.Lief. - Berlin
W. BIESE (1931): Über Höhlenbildung I: Entstehung der Gipshöhlen am südlichen Harzrand und am Kyffhäuser. - Berlin
R. BREISCH & WEFER (1981): The Shape of „Gypsum Bubbles“. - Proc. VIII. Int. Congr. of Speology, Vol.II: 757-759. Bowling Green
F. HAEFKE (1926): Karsterscheinungen im Gips am Südharz. - Mitt. über Höhlen- und Karstforschung. Jg. 1926: 113-125. - Berlin
A. HERRMANN (1953): Der Zechstein am Südwestrand des Harzes. Seine Stratigraphie, Fazies, Paläographie, Tektonik und Morphologie. - Diss. Freie Univ. Berlin (ungedruckt)
A. HERRMANN (1969): Einführung in die Geologie, Morphologie und Hydrologie des Gipskarstgebietes am südwestlichen Harzrand. - In: Der Südharz - seine Geologie, seine Höhlen und Karsterscheinungen. - Jh. Karst- und Höhlenk. 9. 1968/69: 1-10
A. MOYE (1906): Der Gips. - 2. Aufl., Leipzig MYERS, A.J., GIBSON, A.M., GLASS, B.P & PATRICK, G.R. (1969): Guide to Alabster Caverns and Woodward County, Oklahoma. - Oklahoma Geol. Guidebook XV. Norman
M. REIMANN (1987): Quellungshöhlen am Südharz. Posterausstellung Internat. Symposium Zechstein (Ms. der Zusammenf.), Hannover
M. REIMANN (1991): Geologisch-lagerstättenkundliche und mineralogische Untersuchungen zur Vergipsung und Volumenzunahme der Anhydrite verschiedener geologischer Formationen unter natürlichen und labormäßigen Bedingungen. - Geol.Jb. Reihe D, Heft 97: 21-125. - Hannover
F. REINBOTH (1967): Die Waldschmiede bei Walkenried eingestürzt. - Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstf. 13: 68
F. REINBOTH (1970): Wiederaufbau der Waldschmiede bei Walkenried (Harz). - Mitt. Verb. dt. Höhlen- u. Karstf. 16: 68
F. REINBOTH (1992): Ölunfälle im Südharzkarst. - Mitt. ArGe Karstk. Harz 1992/4: 5-11
F. REINBOTH (1993): Bemerkungen zu einer neuen Veröffentlichung über Vergipsung und Volumenzunahme von Anhydrit. - Die Höhle 44 (1994): 17 f. (betr. REIMANN 1991)
F. STOLBERG (1929): Die Höhlen des Harzes. - Magdeburg
C. Völker & Völker (1988): Gipskuppen und Gipsbuckel - Elemente der Sulfatkarstlandschaft. Mitt. Karstmuseum Heimkehle 19
Eigene Feldbuchnotizen 1949-1953 und 1977
 

Anhang: Verzeichnis der Zwerglöcher Kat.-Nr. 4429/17

Von zwei Ausnahmen abgesehen liegen alle Höhlen im Naturschutzgebiet Priorteich - Sachsenstein. Trotz des Schutzstatus sind Verluste u.a. durch den Ausbau von Forstwegen zu beklagen.

Mit * versehene Höhlen weisen bzw. wiesen innere Aufwölbungen auf. Es sind nur Höhlen angeführt, deren Größe eine Befahrung erlaubt(e) oder die in der älteren Literatur erwähnt sind. Die Katasternummer ist durch die jeweilige Jagenzahl gegeben und innerhalb des Jagens durchnummeriert.

Jagen 126 (Blumenbergsköpfe)
17.26-1 Waldschmiede (eingestürzt 1966)
17.26-2 Quellungshöhle bei Bahnkilometer 137,268 (verfüllt)
17.26-3 Quellungshöhle an der Sachsenburg (Schäden durch Vandalismus)
17.26-4 Efeuloch
Eine bei BIESE abgebildete Höhle im Blumenberg ist nicht mehr lokalisierbar.

Jagen 138 (Höllstein)
17.38-1 Entenloch bei der Sachseneiche
17.38-2 Loch ohne Namen *
17.38-3 Spinnenloch
17.38-4 Michaelshöhle
17.38-5 Quellungshöhle an der Spatenbornwiese (durch Wegebau verschüttet)
17.38-6 Malepartus
17.38-7 Wiesenloch *
17.38-8 Reifhöhle *
17.38-10 Steinbruchhöhle am Höllköpfchen

Jagen 139 (Zergenlöcher, Sachsenstein)
17.39-1 Zwergenkirche
17.39-2 Zwergensakristei
17.39-3 Möppelloch
17.39-4 Grenzweghöhle * (bei Wegebau verschüttet um 1972)
17.39-5 Großes Wasserloch
17.39-6 Kleines Wasserloch (wasserführend - bei Wegebau verschüttet)
17.39-7 Arnulfsloch
17.39-8 Hainbuchenloch (Totaleinsturz um 1950)
17.39-9 Diamamenloch
17.39-10 Zwergenhäuslein (bei Wegebau beschädigt)
17.39-11 Schulweghöhle *

Jagen 136 (Nordfuß des Röseberges)
17.36-1 Zwiebelhöhle * (durch Wegebau zerstört)
17.36-2 Elbenkämmerchen (teilweise eingestürzt) - beide abgebildet bei HAASE (1936)


1) Erweiterte Fassung eines Vortrages, gehalten auf der Jahrestagung des Verbandes deutscher Höhlen- und Karstforscher in Nordhausen im Mai 1994.
2) Wie ein unfreiwilliger Tracer-Versuch mit Schweröl ergab, reicht dieses Gerinne bis zum etwa 500 m entfernten Gipswerk Kutzhütte
3) Da die Höhlen abgebaut sind, können HERRMANNS Beobachtungen nicht mehr nachvollzogen werden.
4) z. B. haben v. GAERTNERS (1932: 683) „Aufwölbungen“ auf dem Kranichstein bei Neuhof nichts mit Quellung zu tun!
5) Auch ein 1952 vom Verfasser angefertigtes Gipsmodell zeigt eine innere Aufwölbung.
6) Der Aufschluß wurde leider mit Müll verfüllt.
7) Ähnlich krümmt sich angefeuchtetes Papier immer parallel zu dessen Faserstruktur.
8) Ein erneut geplanter Wiederaufbau sollte besser unterbleiben.
9) Es ist unwahrscheinlich, daß der Gutachter die Höhle von innen besichtigt hat.


REINBOTH, Fritz (1997): Die Zwerglöcher bei Walkenried am Südharz - Bemerkungen zur Frage der Quellungshöhlen.- Die Höhle 48, H.1, 1-13, Wien

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