Der Bauerngraben
 

Inhalt


Vorwort

Kaum eine zweite Karsterscheinung des Südharzes hat soviele Chronisten, Schriftsteller und Wissenschaftler zum Schreiben angeregt, wie der Bauerngraben. Die widerspüchlisten Meinungen wurden vertreten und selbst in unserer Zeit werden falsche Meinungen und Hypothesen vorgetragen, obwohl nach den Vorgängen beim Vortrieb des Tiefen Breitunger Stollens 1760 die wahren Vorgänge ziemlich klar erwiesen wurden. Zwischen 1953 und 1961 beschäftigte sich VIETE eingehend mit dem Bauerngraben. Mit Wasserfärbungen wies er nach, was 1765 schon vermutet wurde und einen langjährigen Gerichtsstreit hervorbrachte.
 

Trotz dieses Erfolges gerieten auch die Ergebnisse schnell wieder in Vergessenheit. Es wundert also niemand, wenn man von den Einheimischen hört und in den meisten einschlägigen Publikationen lesen kann, daß das Geheimnis um den Bauerngraben immer noch nicht gelöst ist.

Jahrelange Beobachtungen des Bauerngrabens, Vergleiche mit ähnlichen Erscheinungen der näheren Umgebung, die Verallgemeinerung der Erkenntnisse bei der Erforschung der in der Umgebung liegenden „Schlotten“ und ein intensives Archivstudium ermöglichten es uns, wieder einmal eine Schrift über dieses Karstphänomen vorzulegen. Wir hoffen damit, die modernsten Erkenntnisse zu publizieren und andererseits jedem Interessierten historische Fakten zu erschließen, die bisher in dieser Form noch nicht vorgestellt wurden.


Der Bauerngraben

Der Bauerngraben ist eine etwa 10 bis 15 m tiefe Senke, welche nach Süden durch einen 60 m hohen Steilabfall begrenzt wird. Er liegt zwischen den Ortschaften Breitungen und Agnesdorf, etwa 4 km nördlich von Roßla. Das Becken ist etwa 350 m lang und 100 m breit. In das Becken mündet ein Bach, der sogenannte Glasebach, der in den Gesteinen des Harzpaläozoikums seinen Ursprung hat.
Der Bach zieht sich am Grunde des Beckens in vielen Windungen entlang und verschwindet schließlich im westlichen, tiefsten Teil des Beckens vor den Augen des Betrachters. Eine Bachschwinde also, von denen es bestimmt 50 bis 60 Stück im Südharz-Sulfatkarst gibt. Aber an diese Schwinde ist eine seltene Eigenart gebunden.


Das leere Becken des Bauerngrabens im Februar 1983.
Deutlich zeichnet sich der Zufluß des Glasebaches ab.


Blick auf den Westponor des Bauerngrabens im Februar 1983.
Das Becken beginnt sich leicht zu füllen.

Man kann kurze Zeit nach einem erfolgten Besuch das Becken in einem ganz anderen Zustand wiederfinden. Statt des grünen Grases und der Bachwindungen ist das Becken plötzlich wassergefüllt. Bei 3,4 ha Größe kann der See einen Wasserinhalt von etwa 200000 m³ erreichen, bei extremer Füllung noch mehr. Dieses Rätsel beschäftigte die Gemüter seit Jahrhunderten. Was wurden nicht alles für Erklärungen für die Füllung und Leerung des Beckens gegeben!


Unter dem Neuschnee macht sich eine Füllung des Beckens bemerkbar.


Das wassergefüllte Becken des Bauerngrabens im Mai 1979

Für diese Senke gibt es nicht nur einen Namen. Geläufig sind auch die Bezeichnungen Glasebach, Hunger-See, Periodischer See. Der Name Hunger-See gibt in der Literatur immer wieder zu Verwechslungen Anlaß.
Etwa 2 km westlich vom Bauerngraben gibt es eine ähnliche Erscheinung, der sogenannte Breitunger See. Auch er wurde gelegentlich Hunger-See genannt und nur bei genauer Ortskenntnis kann man aus der Beschreibung heraus sagen, um welchen der beiden Seen es sich handelt. Der Breitunger See ist nur ein kleines flaches Becken, etwa 1 000 m² groß. Es gibt keine felsigen Steilufer und keinen verschwindenden Bach. Seine Füllung erfolgt durch den Anstieg des Grundwassers im Breitunger Tal.
Gegen 1960 wurden Drainagearbeiten durchgeführt und damit kam es nur noch selten zu einer Wasseransammlung.
Für den Namen Hunger-See gibt es mehrere Erklärungen. Die eine besagt, daß der ausgetrocknete See ein Zeichen für die Trockenheit darstellt und damit Hungersnöte ankündigt. Eine andere Erklärung deutet den Namen so, als daß der unermeßliche Hunger des Beckens alles Wasser verschlinge. Unsinnig ist der Name Periodischer See. Das Füllen und Leeren erfolgt nicht in Perioden, wie man an einer graphischen Übersicht ersehen kann.


Tabellarische Übersicht der Wasserfüllung des Bauerngrabens.
Angaben nach GÜNTHER, VIETE und SPILKER.


Der Bauerngraben
in der historischen Darstellung bis 1760

Es ist unmöglich, alle historischen Quellen zu zitieren, in denen diese geheimnisvolle Karsterscheinung genannt wird. Alle hier zitierten Quellen bilden nur eine bescheidene Auswahl.
Das erste Mal wurde der Bauerngraben 1480 in einer Lehensurkunde genannt. Es erfolgte eine Belehnung der Gebrüder Heinrich und Hans Knauth durch den Grafen von Stolberg mit einem Ritterhofe in Questenberg zu dem auch „das Wasser im Bauernsee“ gehörte (1).
Auch die folgenden Hinweise auf den See erfolgten in ähnlichen Aktenvermerken. 1567 erstritt die Gemeinde Roßla das Eigentumsrecht auf den See gegen Dietrich von Gauß auf Agnesdorf. Dieser Streit wurde durch den Landesherren Graf Heinrich zu Stolberg und seinen Amtsschöffen auf der Roßlaer Burg diplomatisch beigelegt. Die Roßlaer erhielten das Fischereirecht bei Wasserfüllung, die Agnesdorfer und Breitunger das Anbaurecht bei Trockenheit (2).
1641 wird berichtet, daß einige Familien aus Roßla in den Steinklippen des Bauerngrabens Schutz gegen Krieg und Kälte suchten (1).
1649 wird berichtet, daß ein Leineweber aus Bennungen und ein Knecht aus Questenberg im Bauerngraben ertranken (1).
1662 wurde der See von der Gemeinde Roßla mit Karpfen besetzt und darin gefischt.
Wieder einmal kann GEORG HENNING BEHRENS zitiert werden.
Mit seiner „Hercynia curiosa“ beschrieb er 1703 eine Menge Karsterscheinungen des Harzes und so auch den Bauerngraben.

„ … Gleichwie nun dieses See-Gewässer zu keiner gewissen Zeit, sondern offtmahls nur in sechs, acht, weniger oder mehr Jahren ankömmet, also pfleget auch dasselbe keine gewisse Zeit daselbst zu verbleiben, nachdem es öffters nur etliche Wochen, zu Zeiten aber über ein Jahr, auch länger, welches doch selten geschiehet, gestanden, sich wieder durch den Ort, da es heraus gequollen, entweder in geschwinder Eile, oder doch in kurtzer Zeit, wieder zu verlaufen und sich zu verlieren, wobei dasselbe vor denen ausgehöleten Stein-Felsen einen ziemlich starcken Strudel oder Wirbel verursachet, indem solches mit Gewalt durch deren Löcher zurück fället. Hernach wenn der Bauren-Grabe wieder trocken worden, wird die darinnen befindliche Länderei von denen Besitzern derselben mit Sommer-Früchten besäet, massen die Winter-Früchte daselbst nicht auffkommen können, weilen jährlich im Früh-Jahr viel Schnee- und Regen-Wasser sich der Orten versammlet, und die Winter-Saat ersäuffet oder ersticket .“

BEHRENS erwähnt die durch Überflutung und plötzliche Wasserfüllung vernichtete Ernte, denn der Boden des Bauerngrabens wurde bewirtschaftet. Auch in den späteren Jahren kann man die Frage, ob der See gefüllt oder geleert war, an den Ernteregistern ablesen. Er versucht auch eine Erklärung zu geben, wie sich der See füllt und leert.

„ … Die Ursache dieses Sees ist mehrentheils das unterirdische Wasser, dessen es in selbiger Gegend, wie in diesem und nachfolgendem Capitel unter dem Titel von Brunnen und wässerigen Erd-Fällen zu ersehen, viel giebet, wie denn auch der Bauren-Grabe an sich selbst nichts anders als ein grosser flacher und trockener, so wohl von dem unterirdischen als auch jährlich im Früh-Jahr darinnen vorhandenen Schnee- und Regen-Wasser verursachter Erd-Fall, zu sein scheinet. Dieses Wasser wird durch verborgene unterirdische Canäle und Wasser-Gänge zu- und abgeführet, ob man schon nicht eigentlich weiß, wo solches herkömmet.“

Es folgt nun eine umständliche Beschreibung, wie sich der See füllen und leeren könnte. Der Übersichtlichkeit halber haben wir diese Beschreibung in ein Bildschema umgesetzt, die Gedanken BEHRENS sind so auf einen Blick übersichtlich dargestellt.

Füllung und Entleerung des Bauerngrabens nach früheren Ansichten

Die Vorstellung nach BEHRENS 1703

Am Ende dieses Erklärungsversuches, der nicht der schlechteste ist, bekennt BEHRENS bescheiden:

„ … Dieses sind nun meine wenige und unmasgebliche Gedancken und Anmerckungen über den Hunger-See: Solte aber ein anderer etwas besser aus denen Fundamentis Hydrotechnicis derer Herren Mathematicorum auff die Bahn bringen, will ich gerne von meinen Gedancken abstehen, und demselben Glauben beimessen.“

BEHRENS kannte eine Beschreibung des im europäischen Maßstab bedeutenden Karstsees, des Zirknitzer Sees in Jugoslawien, die durch Baron VALVASOR 1669 und 1689 angefertigt wurde. Er verglich den „Hunger-See“ mit dem Zircknitzer See und führte einen lustigen Unterschied an:

„ … Der Unterschied aber zwischen diesen Seen bestehet mehrentheils darinnen, daß der Hunger-See bei seiner Ergiessung keine blinde und nackichte Enten, und fast gar keine, oder doch nicht so viele Fische, als der Zircknizer-See, mit sich bringet, auch das Wasser nicht so hoch, als derselbe, über sich wirffet: dahero man auch dem Zircknizer-See gerne den Vorzug gönnet. Unterdessen ist doch nicht zu leugnen, daß der Hunger-See nicht auch ein sehr curieuses Werck und merck-würdiges Wunder der Natur sei; Denn man dergleichen weit und breit nicht viel findet…“


Die Erklärung nach dem Heberprinzip



Die Erklärung der Verstopfung der Abflußbahnen durch Verbruch



Die Füllung des Sees durch Verbruch

1717 nannte ZEITFUCHS in der „Stolbergischen Kirchen- und Stadthistorie“ auch den Bauerngraben:

„ … Unter den Curieusen Seen ist nicht so wohl der Rottleberoedische wässerige Erdfall als der ohnweit Angsdorf gelegene Bauren-graben und Bauren-stein mit seinem Hungersee in beschauungswürdige Consideration zu ziehen. Bleibet er trucken, so hat Breitungen daran theil; Fällt er aber der ungewöhnlich grosse Hungersee ein, welches zu meiner Zeit einmahl in 3 Jahre gewähret, und mit Fischen besetzt wurde, so geniesset solche die Roßlaische Gemeinde.
Wie das gar grosse Wasser darin kömmt, kan man fast nicht begreifen: Aber den Abfall hat man gesehen in den hohlen Klüften, dahinein auch ohne Zweiffel viel Fische gangen…“

Auch bei KRANOLD stehen die „Launen des Sees“ im Mittelpunkt der Beschreibungen. 1740 schrieb er in seiner Chronik „Die landschaftlichen und geschichtlichen Merkwürdigkeiten der güldenen Aue“ über den See:

„ … Mit diesem Bauern-Graben hat es folgende Bewandniß wenn er voll Wasser ist, wie denn solches manchmal etliche Jahre sehr hoch steht, so pflegt die Gemeinde oder die Bauern zu Roßla ihn mit Fischen zu besetzen; trocknet er aber aus, so gehört der Grund und Boden als eine Ackerfläche nach Breitungen, und zwar dem dortigen Pfarrer, welcher darin säet und erntet, meistens Sommerfrucht, wie Gerste, Hafer, Erbsen, Bohnen, Flachs, welche oft guten Ertrag gegeben, weil der Boden sehr fett ist. Freilich ist es auch schon geschehen, daß schon die Mandeln darin standen, und des anderen Tages, wenn die Erntewagen hinausfuhren, die Frucht einzubringen, da schwamm alles lustig im Wasser, das des Nachts wieder eingetreten. So sagte Magister Grüzmann zu Breitungen, als er einstmal ein schönes Stück Bohnen darin bestellt, und solches vor dem Einernten unter Wasser gesetzt fand, scherzend zu seinen Leuten: er hätte eine große Bohnensuppe gemacht…“

1723 berichtete das Ernteregister des Pfarrers von Breitungen, daß der Magister Grützmann im Bauerngraben 22 Schock Gerste und 18 Schock Hafer geerntet hat.
Bis 1760 gab es im wesentlichen nur Nennungen des Bauerngrabens im Zusammenhang mit seiner Nutzung. Es war schon merkwürdig, daß er mal gute Ernten hervorbrachte, ein anderes Mal alles ein Raub der Fluten wurde. Nur BEHRENS versuchte sich auch wissenschaftlich, indem er den hydraulischen Effekt beschrieb.
1760 erfolgte eine direkte Konfrontation des Bergbaus mit dem Wasser des Bauerngrabens und damit wurde erstmals der Blick auf die wahren Verhältnisse um die Geheimnisse der Wasserführung frei.
 
Blick durch eine Abrißspalte
des Bauernsteines auf das
wassergefüllte Becken
Mai 1979
Abrißspalten auf dem Bauernstein


Der Tiefe Breitunger Stollen
und seine Beziehung zum Bauerngraben

Seit dem 12. Jahrhundert wurde urkundlich nachweisbar im Sangerhäuser Revier Kupferschieferbergbau betrieben. Auch in der Flur um Agnesdorf und Breitungen findet man viele alte Pingen und Kleinsthalden, welche sich am Ausgehenden des Kupferschieferflötzes entlangziehen.
1715 begann der Berginspektor Sander ein Kupferschieferbergwerk am Kirchberg bei Breitungen zu betreiben. 1727 übernahm Conrad Klermondt und später seine Erben diesen Bergbau.
1731 wurden im Breitunger Grunde eine Schmelz- und Kupferhütte eröffnet und die notwendigen Teiche errichtet.
1733 wurde eine Schmelzhütte in Breitungen eröffnet.
Der Wegeborner Stollen mit einer Länge von etwa 1 000 m wurde in den Jahren 1731 bis 1743 aufgefahren. weitere Stollen bestanden am Trengelberg und am sogenannten Unterhahn. es gab auch zahlreiche Schächte.
Am Zechhaus am Kirchberg wurde eine Wasserkunst betrieben, die mit dem umgeleiteten Wasser des Glasebaches, welche der Zubringer des Bauerngrabens ist, beschickt wurde.
In den Jahren 1730 bis 1774 sollen 5 400 t Sanderze und 2 800 t Garkupfer in der Breitunger Hütte erschmolzen worden sein. (6)
Da man mit Wasser in den Gruben zu kämpfen hatte, wurde ein tieferer Stollen notwendig. Ein solcher Ansatzpunkt fand sich aber nur am Nordrande des Helmetales, unweit von Roßla. Die Klermondtschen Erben begannen nördlich von Roßla 1727 mit dem Vortrieb des Tiefen Breitunger Stollens.
 

Blick in Stollen des historischen Kupferschieferbergbaus im Heiligenborner Revier bei Wettelrode. Diese Stollen stammen aus der gleichen Zeitepoche, wie der im Zusammenhang mit dem Bauerngraben behandelte Kupferschieferbergbau des Breitunger Reviers.
So ähnlich dürfte es auch im Breitunger Revier aussehen

1760 hatten sie 812 1/8 Lachter vorangetrieben und dabei 12 000 Taler investiert. Sieben Lichtlöcher wurden abgeteuft. Der Stollen stand die ersten 850 m im Buntsandstein, weitere 730 m wurden im Zechstein durchfahren. Noch 500 m waren bis zum Flöz voranzutreiben. Beim Abteufen des 7. Lichtloches und beim weiteren Auffahren des Stollens brach aber Wasser über die Bergleute herein.
An Weiterarbeiten war nicht mehr zu denken. Es war den Breitungern klar, daß sie es mit den Wassern des Bauerngrabens zu tun hatten. Im Stollen hatten sie eine Schlotte angefahren, aus der sich das Wasser ergoß. 1765 berichteten die Erben Klermondt darüber.

(7) „Bei Absinkung des 7. Lichtloches sind zu Anfange des sogenannten 1760sten Jahres, die Wasser dermaßen aufgegangen, daß selbige garnicht zu bewältigen gewesen, vielmehr der fernere Betrieb des Lichtloches dadurch verhindert worden. Indem zwischen dem Breitunger und Agnesdorfer Felde eine Vertiefung F, D befindlich, welche der Glasebacher- und contracte Glase-Grund genannt wird, in welchen sich die wilden Wasser so die Glase-Gründer Wasser insgemein genannt zu werden pflegen, sammeln, und von da ihren Abfluß über den Agnesdorfer Weg auf ein dem Stolln-Orte zur rechten gegenüber liegenden Feld, C, der Bauerngraben genannt, nehmen, daselbst stehen bleiben, in dem allda befindlichen Kalkgesteine wegfallen und solchermach in der Teufe, vor Stolln-Orte B durch eine Schlotte übermäßig aufgehen, und bei starken Wassergießungen am Tage sehr viele Triebe, Stoppeln und dergleichen mit auswerfen, daß also hierauf als das denklichste erscheint, daß die vor Stolln-Ort B abgehenden Wasser lediglich von dem Einflusse der Glase-Gründer wilden Wasser F. D in den Bauerngraben C herrühren…“

Die Breitunger Bergwerksunternehmer wandten sich 1765 in einem 31seitigen Brief an ihren „durchlauchigsten königlichen Prinzen“, den sächsischen König, mit der Bitte, die Wasser des Glasebaches abzuleiten und nicht mehr in den Bauerngraben abfließen zu lassen. Darin sahen sie die einzige Chance, den Tiefen Breitunger Stollen weiter betreiben zu können. Diese Bitte hatten sie schon am 29. Mai 1760 an das Bergamt gestellt. Am 11. August 1760 fand dann auch eine Generalbefahrung der Örtlichkeiten statt.
Das Bergamt erkannte auch die Nützlichkeit der Wasserableitung und bekundete das in einem Schreiben vom 15. September 1760. Es verlangte aber eine Entscheidung der Grundstücksbesitzer, da der Graben zur Wasserableitung über bestehendes Ackerland geführt werden mußte.
Der angesetzte Lokaltermin wurde jedoch durch die „Gräfliche Reiterei zu Roßla“ unter fadenscheinigsten Gründen nicht wahrgenommen.
Am 6. April 1761 kam es dann zu einer Ortsbesichtigung. Das gräfliche Amt in Roßla lehnte den Bau dieser Wasserumleitung ab. Man meinte, daß das Vorhaben sinnlos sei, daß wertvolles Ackerland verloren gehen würde und zeigte sich völlig desinteressiert.
Die Breitunger waren sehr erbost, da man 1728 bereits einen ähnlichen Fall miteinander verhandelt hatte. Damals wurde das Wasser des Bauerngrabens ebenfalls in die Breitunger Flur umgeleitet, um damit ein Kunstzeug in einer Kunstradstube zu betreiben. Die Eigentümer der Ländereien wurden entsprechend entschädigt.
Der stärkste Einwand gegen die Umleitung des Glasebaches wurde jedoch vom Vertreter der Wickeröder Hüttengesellschaft, Johann Christian Bischoff, vorgetragen.
Er brachte 2 Argumente vor:

  1. Der Glasebach stelle die Grenze zwischen dem Breitunger und dem Wickeröder Bergrevier dar und diese Grenze sei unantastbar.
  2. Das Wasser des Glasebaches verschwände im Bauerngraben und komme in der Wickeröder Hüttenquelle wieder zum Vorschein. Daher beziehe die Hütte die notwendigen Aufschlagwasser und diese seien für die Gewerkschaft lebensnotwendig.
Während der 1. Einwand völlig gegenstandslos war, 1728 bei der ersten Verlegung des Wassers hatte das die Wickeröder auch nicht gestört, verdiente der 2. Einwand jedoch starke Beachtung. Hat doch VIETE 200 Jahre später den Nachweis erbracht, daß diese Verbindung tatsächlich existiert.
Um 1760 gab es aber bestimmt keine hydrologischen Beweise dafür. Man verglich die Landschaft des Bauerngrabens mit der bei Questenberg und stellte Ähnlichkeiten fest. Warum sollten sich die Schlotten nicht in Richtung Questenberg weiterziehen und damit die hydrologische Verbindung ermöglichen?
Beide Seiten suchten nun nach Beweis und Gegenbeweis. Diese Begründungen sollten uns interessieren. Alle anderen Vorwürfe und Gegenvorwürfe wollen wir bei diesem Streit an die Seite stellen.
Die Breitunger schrieben 1765 zu diesem Einwand der Wickeröder Gesellschaft:

(7) „ …Der zweite vermeintliche momentum und gravamen beruht nun vollend auf noch viel elendern und so gar von aller Wahrscheinlichkeit entfernten Stützen. Die wilden Wasser, welche aus dem Glase Grunde F-D ihren Ausfluß in den Bauerngraben C nehmen, und dasselbst sich versammeln und stehen bleiben, haben zu Tage aus ganz und gar keinen Abfluß, sondern versinken in dem daselbst befindlichen schlottigen Kalkgestein und gehen vor Stoll-Ort B aus, mithin streitet es wider die Sinne, daß man diesen Bauerngraben C , die 1½ Stunden weit davon gelegene Wickeröder Hütten Wasser erhalten oder durch dessen Ableitung ihr Wasser benommen werden könnte und sollte…“

Dem ausführlichen Bericht ist ein Grundriß des Geländes beigefügt, von JOHANN CARL EISFELD angefertigt. Aus der Legende dieser Karte seien noch 3 Punktbeschreibungen zitiert:
 
(7) „ …ADas Stollen Mundloch
BDas Stolln Ort, wovon sehr viele Wasser aus einer Schlotte ausgehen, und bei starken Wasserergießungen am Tage sehr viele Triebe, Stoppeln und dergleichen mit auswerfen
CDer Bauerngraben, worinnen die Glasegründer Wasser fallen, und welche durch den Abfluß der Schlotte etliche Jahre getrocknet worden. Nachdem aber der Stollen 1760 nicht betrieben worden und aller Vermutung nach verbrochen, wodurch die Wasser in dem 6ten Lichtloche aufgegangen, auch allhier im Bauerngraben in offener Plaine als im Teich sich wieder gesammelt haben…“

Am 12. März 1766 legte nun die Wickeröder Seite dem „durchlauchigsten königlichen Prinzen und gnädigen Herren“ ihre Meinung vor. Ein 10seitiger Brief fixierte die Gegenmeinung. Dem König wurde aber auch gleich klargemacht, auf welche Seite er sich in diesem Streite zu stellen habe.

(7) „ …Höchsten Schutzes um so zuversichtlicher getrösten, jemehr wir und unser Vorfahren zu allen Zeiten weder Mühe noch Kosten gespartet, das Wickeröder Werk in solche Umstände zu bringen, und dergestalt zu erhalten, daß auch noch jetzt und bei dem nicht ganz glücklichen Zustande desselben, dennoch jährlich an die 400 Taler, an halben zwanzigsten und Lande Accis an die Kurfürstlich Sächsischen Kassen abgeliefert werden können, der Bau bei der Breitunger Hütte hergegen noch immer auf einem ungewissen Ausgange beruhet…“

Die Wickeröder bestanden auf ihr Recht, daß die Berggrenze nicht verletzt werden dürfe. Besonders aber betonten sie, daß die Wickeröder Hüttenquelle stark gefährdet sei, wenn das Wasser des Bauerngrabens umgeleitet werden würde.

(7) „ …So sehr nun also die Abfangung oft besagter Glasegründer Wasser unseren Gerechtsamen zuwider ist, eben so sehr ist solche auch dem Fortbau unseres Werks selbst nachteilig, inmaßen diese Wasser, nachdem solche zuvor in den sogenannten Bauerngraben eingefallen, sodann durch das schlottige Kalkgebirge, gleichsam als durch einen Stollen, wie an verschiedenen Orten, und besonders hinter dem Dorfe Questenberg, wo man von Tage hinein bis an die Schlotte das Wasser kommen kann, schon deutlich zu sehen ist, herunter nach unserer kaum halben Stunde davon gelegenen Hüttenquelle ziehen und fast den einzigen Zugang desselben ausmachen, so daß wir, wenn uns solche abgeschnittenen und entzogen werden sollten, nicht abzusehen vermögen, wo wir zu unserer Kupferhütte die benötigten Aufschlagwasser erlangen könnten und dahero die betrübliche Folge, daß solche bei deren Ermangelung zuletzt unbrauchbar werden und das gesamte Wickeröder Werk darüber in den äußersten Verfall geraten dürfte…“

Die Wickeröder sprechen sogar den Verdacht aus, daß die Breitunger das Wasser nur zum Betreiben von Kunstzeugen erhalten wollten.

(7) „ …so lassen wir dahin gestellt sein, ob dieser von denen Klermondtschen Erben ausgezogene Stollnbau nicht ein bloßer Vorwand zur Abfangung solcher Wasser, die wahre Absicht aber diese sei, zuförderst zum Behuf ihres Werks eine Kunst damit zu betreiben und solche nachhero ferner auf ihre Schmelzhütte zu leiten…“

Es bleibt nichts unversucht, die Umleitung des Wassers zu verhindern.
Am 24. November 1766 bezogen auch die Breitunger Bergämter zu Stolberg und Eisleben in einem Brief an den König Stellung zu dem Vorgang. Sie hatten versucht, beide Parteien zu versöhnen, was aber völlig mißlang. So kam es denn zu einem Lokaltermin auf dem Kirchberger Zechenhaus mit einer anschließenden Ortsbesichtigung der Felder und des Bauerngrabens. Von Seite des Eislebener Bergamtes war kein geringerer zugegen als der Berggeschworene ZIERVOGEL, der schon in der Streitsache um die Elisabethschächter Schlotte eine Rolle spielte.

Die Kommission der Bergämter kam zur Auffassung, daß es sehr wahrscheinlich sei, daß das Wasser des Glasebaches über den Bauerngraben in den Tiefen Breitunger Stollen eindringe. Das mußte selbst die Wickeröder Seite letztendlich zugeben. Als Beweis wurde auch angeführt, daß der Bauerngraben völlig leer sei, da man seit kurzem versuchte, den Stollen wieder aufzuwältigen und damit das Wasser entzog. Auf der „rechten Seite“, also der Breitunger Seite des Bauerngrabens wurden Schlottenöffnungen genannt, die Wickeröder Seite des Bauerngrabens wies solche Bildungen nicht auf. Die deutliche Buntsandsteinauflage in Richtung Wickerode wurde als geologische Unterbrechung gedeutet und damit angezweifelt, daß die Gipsfelsen am Bauerngraben mit denen bei Questenberg in Verbindung stehen könnten. Andererseits gab es in Richtung Mundloch des Stollens keine andere Karsterscheinung, in der das Wasser hätte austreten können.
Die Verbindung Bauerngraben - Schlotte - Stollen lag also auch für die Kommission der Bergämter auf der Hand. Ausführlich wurden dafür geologische Beweise aufgezählt, die allerdings nach unserer heutigen Kenntnis nicht stimmen. Es wird den Forderungen der Breitunger Recht gegeben:

(7) „ …Also scheinen hingegen eben diese Umstände, das Vorgehen der Wickeröder Gewerken und deren Bevollmächtigten, daß die von den Breitunger Gewerken vorhabende Ableit- oder Absaugung dieser Wasser ihrer Hüttenquellen oder Aufschlagwasser, nachteilig sei, gar sehr zu entkräften, ja in gewissermaße solches gar zweifelhaft und ungewiß zu machen…“

Die Wickeröder Seite widersprach aber energisch gegen diese Behauptungen und brachte neue „hydrologische Beweise“ vor, die die Verbindung Bauerngraben - Hüttenquelle belegen sollten. Ein Beweis war das „Heckersloch“, die heutige Questenhöhle in Questenberg. Der große See dieser Höhle wurde als Beweis der zirkulierenden Wasser zwischen Bauerngraben und der Quelle angeführt.
ZIERVOGEL, BRUNNER, BISCHOFF und Steiger befuhren also diese Höhle und gaben Bericht. BISCHOFF, der die Wickeröder vertrat, schüttete Häcksel in den See der Höhle, um in einer Art Tracerversuch den Nachweis der Verbindung mit der Quelle zu erbringen. Dieser Beweis blieb aber aus. Auch die Oberfläche zwischen Hüttenquelle - Heckersloch und Bauerngraben wurde abgelaufen, ohne jedoch eindeutige Beweise einer möglichen Verbindung zu erbringen.
Schließlich schlugen die Bergämter vor, daß beide Kontrahenten auf gemeinschaftliche Kosten eine Umleitung des Wassers nach Wickerode bauen sollten.
Damit wären alle Streitpunkte beseitigt gewesen. Die Parteien einigten sich darauf, diesen Vorschlag zu prüfen. Die Wickeröder verzögerten die Antwort Woche um Woche und lehnten schließlich ab.
Der Vorgang wurde nun an den Bergschöppenstuhl zu Freiberg gegeben. Dieses zuständige Berggericht, dessen oberster Richter gleichzeitig der amtierende Bürgermeister der Stadt Freiberg war, fällte am 17. September 1770 einen Richterspruch. Darin wurde den Breitungern das Recht zugesprochen, die Wasserableitungen vorzunehmen den Tiefen Breitunger Stollen weiter aufzufahren.

(7) „ …und mag Klägern die gesuchte Abfangung der Glasegründer wilden Wasser und deren Ableitung durch das Breitunger Feld, zu Fortsetzung ihres Stollenbaues nicht verwehret werden, jedoch sind selbige, ihrem Erbieten gemäß, den Grundbesitzern, über deren Grund und Boden die Ableitung geschehen soll, wegen der an ihren Grundstücken dadurch erleidenden Schäden billigmäßige Vergütung und Abtrag zu leisten schuldig…“

Die Wickeröder legten sofort Berufung gegen dieses Urteil ein. Die Breitunger wiederum beschuldigten rechtermaßen ihre Gegner, daß sie mit dem „nie endenden Streit“ nur den wirtschaftlichen Ruin der Breitunger bezwecken wollten.
Am 24. August 1784 wurde von der juristischen Fakultät der Universität Wittenberg die Berufung abgelehnt und damit der Streit endgültig für die Breitunger entschieden. Für diese kam das Urteil jedoch zu spät. Sie waren in der Zwischenzeit bankrott gegangen. Aus dem Pfarrbuch in Breitungen kann man entnehmen, daß 1770 noch 4 Bergpredigten gehalten wurden. 1771 ist keine mehr eingetragen. Die Klermondtschen Erben hatten den Kampf aufgeben müssen. Ein Teil der „Glasegründer Wasser“ lief nun für kommende Zeiten durch den Stollen und aus dem Mundloch bei Roßla hinaus.
Die Wickeröder akzeptierten das Urteil, bekannten aber, daß es nun nicht mehr notwendig sei:

(14) „ …auch die auf solche Bescheinigung zu verwendeten Kosten am Ende ganz überflüssig und vergeblich sein dürfen, dermahlen umsomehr zu besorgen Ursache haben, da dem Vernehmen nach sec. fol. 93b = et 99b Klägern bei dem Rottleberöder und Breitunger Flözwerk ganz caduciret und das Werk selbst auflässig worden…“

Auch bei den Wickerödern kündigten sich schlechte Zeiten an. Der Markscheider JÜNGLING schrieb am 14. September 1784:

(14) „ …Auf unsern Werke gehet es jetzt sehr schlecht, weil wegen geringen Erzen dieses Jahr alle Erzförderung eingestellt worden ist, daher nicht geschmolzen worden und keine Einnahme vor das Werk gemacht werden kann. Und wird nur der tiefe Erbstollen mit allem Fleiße betrieben, ingleichen wird auf dem Agnesdorfer Zuge, ein Querschlag, das Cornthaler neue Flöz einzuholen und von Wasser zu lösen getrieben, wo wir immer gehofft haben, den Zechstein einmal anzuhauen, und jetzt kann man noch nicht bestimmen, wann eher solches geschehen wird…“


Der Bauerngraben in der historischen Darstellung
zwischen 1760 und 1858

Man sollte annehmen, daß in der Folgezeit die Vorstellungen vom Bauerngraben durch die Schlottenanfahrung anders wurden. Das war aber nicht der Fall.
1797 berichtete man in einem Harz-Reiseführer von einem Häcksel-Tracerversuch. Man gab an, daß in das Schluckloch der bei Questenberg gelegenen Dinsterbachschwinde eingeschütteter Häcksel im Bauerngraben wieder zum Vorschein gekommen sein soll (2). Wahrscheinlich ist das die journalistische Entstellung des fehlgeschlagenen Häcksel-Tracers des Berggeschworenen BISCHOFF.
1805 schrieben ROSENMÜLLER und TILESIUS über den Bauerngraben:

(8) „ …Nachricht von einer sonderbaren wasserspeyenden Höhle, bei Angstdorf in Thüringen
Eine ähnliche Art von ausspeyenden Schlünden, wie die am Czirknitzer See im Herzogthum Krain waren, findet man in Thüringen ohnweit Roßla an dem Helmfluß in einem Steinfelsen bey dem Dorfe Angstdorf, sie haben auch dieselbe Beschaffenheit, daß sie nur eine Zeitlang mit Wasser angefüllt, hernach aber wieder eine Weile ganz trocken sind, daß sie ohne die geringste Gefahr bestiegen werden können. Man hat nämlich die Bemerkung gemacht, daß diese Höhlen, welche sich in dem Angstdorfer Felsen öffnen, in manchen Jahren mit einer so großen Menge Wasser angefüllt wurden, daß dasselbe anhaltend aus denselben hervorquoll, und die umliegenden Gegenden gleichsam überschwemmte, nach einiger Zeit aber wieder ablief, und unvermerkt verschwand. Durch solche periodische Überschwemmungen wurden die Anwohner plötzlich in ihren Feldarbeiten gestört, und nur erst, wenn diese wieder abgelaufen waren, konnten sie ihre Aecker wieder bestellen.“

Im „Handbuch für Harzreisende“ schrieb NIEMANN 1824:

„ …Der nahegelegene Hungersee oder Bauerngraben erhält öfters, selbst zur Zeit der größten Dürre, aus den Ritzen eines Kalkfelsens eine große Menge Wasser, das nach mehreren Wochen oder Monaten wieder verschwindet, eine Erscheinung, welche in der Verbindung mit unterirdischen Gewässern, deren Zugänge sich bisweilen durch Schlamm verstopfen, ihren Grund haben mag…“

In der Stadtchronik von Artern kann man im Jahre 1830 die Bemerkung lesen:

„ …daß nach einem großen Niederbruch am Rande des Bauerngrabens die Solquelle von Artern stark angeschwollen sei und Holzstück und Wurzeln ausgeworfen hätte…“

V. Rohr erwähnt 1836 in seinem Werk „Geographische und Historische Merkwürdigkeiten des Vor- und Unterharzes“ auch den Einfluß des Tiefen Breitunger Stollens:

„ …ich habe mir aber sagen lassen, daß durch einen gewissen Stollen nunmehro mit dieser See eine Veränderung vorgegangen, und erwiese sie ihre gewöhnliche Wirkung nicht mehr…“

1850 erwähnt VOCKE den Bauerngraben:

(9) „ …Rechts auf dem Wege nach Agnesdorf am Saume einer Waldung von Kalkwänden eingeschlossen liegt der Hungersee, auch Bauerngraben genannt, von ungefähr 15 Morgen Flächeninhalt. In manchen Jahren füllt sich diese Erdvertiefung mit Wasser, welches aus den weichen Felsen dringt, auch sogar mit Fischen belebt wird. Wenn das Wasser sich wieder verdunstet, so hat der Pfarrer zu Breitungen das Recht, den Boden als Acker zu benutzen…“

Unter den vielen Beschreibungen aus dieser Zeit sei an dieser Stelle noch eine von AUGUST EY 1855 zitiert:

„ …In einem östlich davon gelegenen kleinen, engen tiefen Thale rieselt ein Bach, der merkwürdige Bauerngraben, der mit dem Cirknitzer Gewässer viel Aehnlichkeit hat. An tiefster Stelle des Thales, das überhaupt wohl ein Erdsenkung und rings von Gypsfelsen, tiefen Rissen und Spalten umgeben ist, wird es nie ganz trocken. Oft in trockener Zeit macht darin der Pfarrer des Ortes eine erfreuliche Ernte. Bisweilen aber, auch selbst in der größten Dürre, füllt sich mit einem Male das Thal 60-80 Fuß hoch mit Wasser, ohne das man weiß, woher es kommt, bleibt Monate lang stehen und verschwindet ebenso plötzlich, ohne daß man weiß, wohin. Die Fische, welche diese geheimnißvollen Fluten mitbringen, gehören nach altem Rechte der Gemeinde Roßla. Mit dem Bauerngraben steht wahrscheinlich das auf hohen Kalkberge gelegene rothe Loch in Verbindung. Geht dies über, so füllt sich auch der Bauerngraben…“


Der zweite Angriff des Bergbaus auf den Bauerngraben

Da man den Breitunger Kupferschieferbergbau wieder aufnehmen wollte, begann man 1858 den Tiefen Breitunger Stollen wieder aufzuwältigen.
Der Bergschüler HOFFMANN gab über diese Arbeiten 1861 einen Bericht in Form einer Bergschülerarbeit. Über den Sinn dieses Unternehmens berichtet er:

(11) „ …Der Zweck des Tiefen Breitunger Stollens ist nun:
1. Abführung der Gebirgswässer, und zugleich
2. Trockenlegung des Bauerngrabens
3. Wetterversorgung der Grubenbaue und
4. Erschließung und Untersuchung des Flötzfeldes…“

Auch die Zusammenhänge zwischen Bauerngraben und dem Stollen werden erwähnt:

(11) „ …Sei dem nun wie es wolle, das steht jedoch fest, daß der Bauerngraben, dessen Wasserfüllung, einen großen nachteiligen Einfluß auf den Betrieb des Stollens ausübt. Zum Beweis möge folgendes dienen: Im Jahre 1858 war der Wasserstand im Bauerngraben ein ganz geringer und auch die Stollenwasser zeigten eine auffallende Leichtigkeit, so daß ohne nur im geringsten davon belästigt zu werden, die Arbeiter das Aufräumen des Stollens fortsetzen konnten. Zu Ende vorigen und zu Anfang dieses Jahres hingegen war das Bassin bis zum Überlaufen in die Breitunger Flur angefüllt, und auch die Stollenwasser stiegen so, daß die Arbeit im Stolln wenigstens zeitweilig auf wenige Tage eingestellt werden mußte…“
(11) „ …Es wird deshalb für den Stollnbetrieb von großen Vortheil sein, den Bauerngraben trocken zu legen, weil solange dieses nicht geschehen, der Wasserstand in den Stolln ein sehr unregelmäßiger, weil vom Bauerngraben wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar durch die Schlotten, abhängig ein mitunter zu hoher sein möchte…“

Interessanter Weise kann man feststellen, daß rund 100 Jahre nach dem Schreiben der ersten Versuche durch die Klermondtschen Erben nur noch undeutliche Kenntnisse über den damaligen Sachverhalt vorhanden waren. HOFFMANN schrieb darüber:

(11) „ …Nachdem dieser Stollen ca. 1 100 Lachter getrieben - d. h. noch 16 Lachter über das Lichtloch Nr. VII hinaus - sollen die Arbeiter, wie einige der ältesten Leute meines Dorfes erzählen, von den Wassern überfallen sein und nur mit großer Mühe sich mit Zurücklassung ihres Arbeisgezähes gerettet haben. Es wird vermuthet, daß die Arbeiten dem Bauerngraben zu nahe gekommen, oder daß eine mit ihm in Verbindung stehende Schlotte angefahren sei, wodurch der Stolln unter Wasser gesetzt und ein Weitervordringen, wenn nicht ganz unmöglich, so doch höchstgefährlich und mühevoll geworden sei. Dieses scheint der entscheidende Punkt gewesen zu sein, warum die Gewerken beschlossen, das Unternehmen aufzugeben, zumal da sie bei den großen Kosten, die ihnen dieser Stollen schon verursacht, auf längere Zeit noch bedeutende Ausgaben vor Augen sahen, da dieser Stolln noch ca. 300 Ltr. weiter getrieben werden mußte um nur an das Flötz zu gelangen…“

1863 mußten die Stollenvortriebsarbeiten eingestellt werden. Das aus den Schlotten austretende Wasser stellte, wie schon 1760 die Klermondtschen Erben, auch die neuen Unternehmer vor unlösbare Aufgaben. In einer Abschrift einer Mitteilung des Preußischen Bergrevierbeamten für Nordhausen - Stolberg an die Gemeinde Roßla wird zusammenfassend festgestellt:

(12) „ …Er dürfte (der Stollen), soweit er nicht im festen Gestein steht, verbrochen sein wie das Mundloch, da er nur mit Holz ausgebaut war. Befahrbar ist er also nicht mehr.
Nach einer Nachricht von 1861 soll er durch eine Gipsschlotte Verbindung mit dem Bauerngraben gehabt haben, so, daß der größte Teil des Stollenwassers aus dem Bauerngraben gestammt haben soll. Das hat man „unzweifelhaft festgestellt“, wie der Bericht aussagt…“


Der Bauerngraben
in der historischen Darstellung bis 1950

Anfangs gingen die Bauerngraben-Darstellungen auf das neue Ergebnis durch die Berührung mit dem Bergbau ein.
Die Redaktion der Zeitung „Allgemeiner Anzeiger für die Grafschaft Roßla“ gab zu einer Veröffentlichung am 4. Januar 1879 eine Anmerkung, in der man zumindest auf die Zusammenhänge hinwies:

„ …Seit der Zeit hat man aber so viel Wasser allhier nicht wieder gesehen, weil der Herr Zehnter Gründler wegen des Bergwerks einen Stollen durch dieselbe Gegend führen ließ, welcher das Wasser ableitet. Doch tritt dieser Hunger-See immer wieder von Zeit zu Zeit hervor, so bildete er sich erst im Jahre 1877 wieder, wo das Wasser vom Februar bis an den Johannistag hin stehen blieb…“

Bald aber waren die Zusammenhänge zwischen Bergbau und Bauerngraben wieder vergessen. Vereinzelte Beobachter wiesen darauf hin, anderen war nichts bekannt.
Diese vielen Meinungen sollen hier nicht wiederholt werden. Ein Zeitungsnotiz der  „Saale-Zeitung“ vom 16. Oktober 1929 faßt die damaligen Meinungen zusammen:

„ …Da bisher mit Sicherheit nicht nachgewiesen worden ist, durch welche Quellen - außer dem aus dem Glasegrund kommenden Glasebach - der periodische See gespeist wird und wo die Wasser nach dem Absickern bleiben, so werden die mannigfachsten Behauptungen aufgestellt.
Nothing sagt in seinem Buch „Mein Mansfeld“, daß die im Periodischen See verschwindenden Wasser westlich vom Weinberge bei Roßla im Zollbach zutagetreten. Von alteingesessenen Kreisen wird behauptet, daß sie bei Artern in die Unstrut - etwa 20 km entfernt - fließen. Weiter wird der Abluß des Periodischen Sees mit dem bei Questenberg gelegenen Heckers-Loch - jetzt Questenhöhle - in Verbindung gebracht, von wo er entweder in der Nasse oder durch die nördlich von der Wickeröder Kupferhütte - jetzt Sägewerk - am östlichen Waldrande des Rückfeldes durch Auftrieb entspringenden Quelle nach dem Hüttengraben abgeleitet werde. Um diese Behauptungen nachzuprüfen, ist des öfteren durch Färbung des Wassers mit Anilin und Aufstreuen von Häcksel versucht worden, den Weiterlauf festzustellen. Diese Versuche sind ergebnislos verlaufen…“

PATZUCHKE schrieb 1936 über den Bauerngraben:

„ …Im Zechsteingips des Roßlaer Gemeindewaldes und dessen Umgebung müssen Hohlräume großen Ausmaßes vorhanden sein, entstanden durch Auslaugung, wie das bei unserem Gips typisch ist. Es sind offenbar weitverzweigte Gänge und Schlotten im Gebirge, die alle mehr oder minder zusammenhängen. Diese Hohlräume enthalten von atmosphärischen Niederschlägen herrührendes Wasser, eine Abflußöffnung mündet in der südöstlichen Ecke des Beckens in den Seeboden ein. Für gewöhnlich aber ist dieser Abflußkanal durch Gesteinstrümmer, Höhlenlehm usw. verstopft. Sammeln sich infolge reichlicher Niederschläge (besonders im Winter) in den Hohlräumen Wassermassen an, so wird deren Druck schließlich so stark, daß sie die Verstopfung durchbrechen und ins Freie austreten
Daß die Hohlräume sehr groß und die aufgesammelten Wassermengen ganz gewaltig sein müssen, geht schon daraus hervor, daß sich der umfangreiche Seegrund in unglaublich kurzer Zeit auffüllen kann…“

1936 fand sich eine Gruppe Menschen, die ähnlich der vielen Vorhaben in der Arbeitslosenzeit um 1920, einen Stollen in den Berg treiben wollten. Man erhoffte eine Höhle zu finden, die man touristisch erschließen konnte. Der Stollen ist nicht identisch mit dem Tiefen Breitunger Stollen. Dieser Stollen wurde direkt im Felde des Bauerngrabens, in der unmittelbaren Nähe des Westponors, in den Berg getrieben. VIETE schrieb darüber:

(2) „ …In diesem Zusammenhang sei noch das Experiment der Baugesellschaft Roßla erwähnt, die das Seebecken von der Gemeinde Roßla gepachtet hatte und am 11. Januar 1936 mit dem Bau eines Stollens im westlichen Wechselschlund zwecks Aufschließung der unterirdischen Höhlen für den Fremdenverkehr begann. Man trieb den Stollen, der am 11. Februar 1936 eine Länge von 35 m und eine Teufe von 14 bis 15 m unter dem Beckengrund erreicht hatte, entlang der unterirdischen Erosionsrinne des versickernden Glasebaches, dessen Wasser vor Beginn der Arbeiten in das östliche Schluckloch geleitet worden war. Beim Vortrieb wurden mehrfach lehmerfüllte und verschlammte Spalten und auch einzelne Hohlräume angefahren. Am 14. Februar stieg das Wasser vor Ort zusehends und auch im Ostbecken bildete sich ein Wassertümpel. Am folgenden Tage war der Stollen ersoffen, die Arbeiten wurden eingestellt und das Wasser stieg rasch bis zu einer normalen Füllung in den letzten Tagen des Februars an. Damit war das ohnehin von Anfang an sinnlose Bauvorhaben gescheitert…“


Die wissenschaftliche Erforschung
des Karstphänomens Bauerngraben nach 1950

Unter der Leitung von FRIEDRICH SCHUSTER widmete sich die Nordhäuser Fachgruppe Höhlen- und Karstforschung intensiv der Beobachtung des Bauerngrabens. Auch andere Heimatfreunde taten das. Hervorzuheben seien GÜNTHER und SCHULZE aus Roßla. AHR aus Sangerhausen und viele hier ungenannte, die nie an das Licht der Öffentlichkeit traten.
Den bedeutendsten Erfolg bei der Erforschung der Geheimnisse des Bauerngrabens erreichte der Freiberger Wissenschaftler VIETE. Er führte am 2. August 1953 einen Färbeversuch durch. Dazu benutzte er ein Fluoreszensmittel, 2-Naphtylamin 4,8 disulfosäure. 45 kg dieses unschädlichen Mittels wurden dem Wasser beigegeben.
Vom 4. August, 16.45 Uhr an, fluoreszierten alle Wasserproben, die am Mundloch des Tiefen Breitunger Stollens entnommen wurden. Wie wir aus den alten Akten entnehmen konnten, war das zu erwarten.
Zwischen 6. und 14. August fluoreszierten auch die bei Questenberg am westlichen Nassehang gelegenen Wasseraustritte.
Am 19. August 1953 färbte VIETE das Ostbecken des Bauerngrabens um 14 Uhr mit 7,5 kg dieses Tracermittels.
Am 25., 26. und 27. August ergab das wiederum eine einwandfreie Fluoreszens am westlichen Steilhang des Nassetales. Die Hauptquelle dabei war jene Wickeröder Hüttenquelle, welche 24 Jahre Streitpunkt der Breitunger und Wickeröder Bergbauunternehmer gewesen war. VIETE veröffentlichte seine umfangreichen Arbeiten (27), (3), (5).
Nun war das Geheimnis des Bauerngrabens endgültig gelöst! Aber bereits 10 Jahre später waren auch diese bedeutenden Erfolge VIETES bei vielen Heimatfreunden wieder in Vergessenheit geraten. Das Gerücht vom unlösbaren Geheimnis des Bauerngrabens verwurzelte sich erneut.
Verschiedene Höhlenforscher und geologische Institutionen lösten Teilprobleme des Phänomens. Die Hallenser Höhlentaucher beobachteten 1971 den Boden des Sees bei Wasserfüllung und ermittelten eine Wasserhaushaltsgleichung (15). Die Bezirksstelle für Geologie beim Rat des Bezirkes Halle ermittelte die Sedimentfüllung des Beckens durch eine Bohrung.
Die Abstürze der Felswände in das Becken durch Unterlaugung wurden einige Jahre beobachtet, die Öffnung der Abrißspalten ermittelt.
Es fehlte nicht an Veröffentlichungen verschiedenster Art. Doch fragt man heute einen Einwohner der Umgebung, erfährt man fast in jedem Fall, daß der geheimnisvolle Bauerngraben wohl immer ein Rätsel bleiben werde.


Wie die „Glasegründer wilden Wasser“
fallen und steigen

Das Wasser des Glasebaches kommt aus dem nicht verkarstungsfähigen Gesteinen des Harzes und stößt im Breitunger Auslaugungstal auf einen Wall von Hauptanhydrit. Da es sehr stark lösungsfähig ist und der Anhydrit durch Vergipsung sehr weich, schalig, klüftig und unbeständig ist und das Gestein hochgradig verkarstungsfähig ist, sind alle Voraussetzungen zur Höhlenbildung vorhanden. Das Wasser laugte sich im Laufe der Zeit Abzugsbahnen in das Gestein, welche an große Klüfte gebunden sind. Im Verlaufe der Zeit entstanden durch die Kluftvergitterungen enge aber deutliche wasserführende, geöffnete raumnetzartige Hohlräume. Durch die Auflösung des Gesteins kam es zu Einbrüchen größerer Räume und zum völligen Auflösen von ganzen Blockpartien des Gesteins. Dabei entstand eine Hohlform, eine Doline. Diese erweiterte sich immer mehr, die Steilwand wurde ständig weiter unterlaugt, brach nach und rückte als Ablaugungsfront immer weiter nach Süden. Damit veränderten sich auch die Wasserabzugsbahnen. Das so entstandene und im weiteren Entstehen begriffliche Becken des Bauerngrabens zeigte somit mal an dieser, mal an jener Stelle ein gängiges Wasserabzugsloch, einen sogenannten Ponor. Auf der ganzen Breite der Auslaugungsfront dürften also Voraussetzungen zur Entstehung eines solchen Ponors bestehen.
Das oberirdisch fließende Wasser des Glasebaches dürfte aber der geringere Teil des Wasserangebotes sein. Das reichhaltig mit Schottern aufgefüllte Breitunger Auslaugungstal versorgt diese Schluckstellen auch intensiv mit Grundwasser. Die Schichten fallen in Richtung Bauerngraben ein, durch die ständige Auslaugung sind sie auch mit Sicherheit in Richtung des Beckens geneigt.
Das oberirdisch zufließende Wasser brachte aus dem Harz und dem Breitunger Tal jede Menge Sedimente in das Becken.
Ein weiterer Teil der Schlämmstoffe, die das Becken um Dekameter anfüllen (!) sind Auslaugungsrückstände, unlösliche feine Bestandteile, die bei der Auslaugung zurückbleiben. Bei starker Wasserbewegung können diese Schlämmstoffe die Ponore wirkungsvoll verstopfen. Praktische Versuche an der Schusterhöhle haben gezeigt, daß dazu wenige handvoll Schlamm genügen können.
Zur Zeit der Schneeschmelze oder bei starken Niederschlägen schwillt der Glasebach an. Das Schluckvermögen der Ponore wird überschritten, die herangeführten Wassermengen sind zu groß. Schlämmstoffe versetzen die Ponore.

Moderne Vorstellungen von der Füllung und Entleerung des Bauerngrabens

Die Grundwasserbewegung, die auch zur Füllung des Sees von unten herausführen kann



Die Wasserbewegungen des Grund- und Oberflächenwassers bei offenen Abzugsbahnen



Die Wasserbewegungen des Grund- und Oberflächenwassers bei verstopften Abzugsbahnen führen zum Rückstau.



Das Herausspülen toter Fische aus dem Verbruch durch Grundwasseranstieg.

Der „Pfropfen“ ist also zu. Das Becken beginnt sich zu füllen. Je nach Wasserangebot füllt es sich teilweise bis vollkommen. Auch spielt es eine Rolle, ob die Ponore nur teilweise oder vollkommen verstopfen. Die laugende Kraft des Wassers schafft langsam einen neuen Weg. Erst langsam, dann schneller läuft das Wasser ab. Neues Wasserangebot und neue Verschlämmungen können den Vorgang umdrehen.
Jahrelang kann der See gefüllt bleiben, jahrelang kann er ein trockenes Becken bilden.
Die Beobachtungen, daß sich das Becken nicht nur durch den Bach füllt, sondern auch durch Vertiefungen im Seeboden, widersprechen dieser Erklärung nicht. Ein großes Wasserangebot erfolgt über das Grundwasser. Da das Becken des Bauerngrabens den tiefsten Punkt im Breitunger Auslaugungstal bildet, dürfte ein großer Grundwasserandrang zu verzeichnen sein. Die Füllung der Seen der Heimkehle erfolgt auf die gleiche Art. Dort sind Wasseranstiegszeiten von 1 cm in einer Stunde bekannt. Und das Gefälle des Grundwasserleiters ist bedeutend geringer. Die Bewegung des Grundwassers auf diesen Schotterschichten wurde wiederholt beobachtet und von SCHUSTER und VIETE wurden solche Bewegungen in den Schottern bei Breitungen und am Bauerngraben auch beschrieben. SCHUSTER beobachtete eine solche Seefüllung und schrieb im November 1952 in einem unveröffentlichten Manuskript:

„ …In der Mitte der Doline traten sehr starke Luftblasen hervor. Zu unserem größten Erstaunen füllte sich diese stetig …Durch diesen Zustand veranlaßt, setzten wir sofort einen kleinen Pegel in Form eines Meßstabes ein und konnten schon nach 5 Minuten einen Anstieg des Wassers in der Doline von 2 cm feststellen…“

Das Prinzip solcher Füllungen wurde in einer Skizze veranschaulicht.
Bei reichlichem Wasserangebot kann die Füllung des Seebeckens sehr schnell gehen. Da ein Teil des Seebodens durch Versturzhalden bedeckt ist, kann das Wasser auch aus den Ritzen und Fugen der Gesteinstrümmer hervortreten. Das ist durchaus kein Widerspruch. Da die Ritzen und Fugen eine Verengung darstellen, wird hier die Strömungsgeschwindigkeit besonders groß und auffällig.
Die Ponore bilden den Tiefstpunkt des Seebodens. Deshalb steigt dort das Wasser zuerst. Das täuscht vor, daß die Ponore Wechselschlünde seien, als das Wasser „in den See“ speien wollten.
Obwohl auf der Übersichtsskizze nördlich des Bauerngrabens, also in Richtung Harz, noch Werraanhydrit eingezeichnet wurde, ist anzunehmen, daß es dort kaum noch welchen gibt. Es dürfte durch die Auslaugung eine sulfatfreie Zone entstanden sein. Höhlen auf der Nordseite des Bauerngrabens dürfte es kaum geben. Also können theoretisch nur auf der Südseite des Bauerngrabens, in Richtung Steilhang, Höhlen möglich sein.
Das geringe Wassereinzugsgebiet und das in unserer geologischen Epoche geringe Wasserangebot reichten aber nicht aus, daß sich Wassermassen aus höher gelegenen Höhlen in den Bauerngraben ergießen. Die großen Höhlen unseres Sulfatkarstes sind an hydrologische Idealpunkte, intensive Klüftung und besonders an lithologische Leitbahnen gebunden. Die Heimkehle befindet sich an einem Gebiet der Vereinigung vieler Bäche und eines gut geklüfteten Gesteinskörpers. Alle großen Höhlen vom Typ „Wimmelburger Schlotte“ beziehen ihr Wasser aus wasserleitenden Gesteinen, wie Stinkschiefer oder Werraanhydrit.
Eine große Höhle oberhalb des Bauerngrabenniveaus ist also sehr abwegig. Und wenn sie vorhanden wäre, so lassen sich die Wasserbewegungen zum Seeboden nicht erklären. Die Schichtung des Gesteins und damit auch die lithologischen Leitbahnen des Wassers fallen vom See weg. Also ist es klar, daß das Wasser einzig und allein durch den Rückstaueffekt das Steigen und Fallen des Seespiegels hervorruft, egal ob es sich überwiegend um Grundwasser oder Oberflächenwasser handelt.
Der Grundwasserreichtum der Schotter des Breitunger Auslaugungstales ist anschaulich bei Erdfällen in diesem Tal zu beobachten. SCHUSTER beschrieb in unveröffentlichten Unterlagen einen solchen Vorgang:

„ …Der Sohn des Bauern Walter Ringleb aus Breitungen war am 15. 5. 56 gegen 17 Uhr auf dem Feld mit Düngerstreuen beschäftigt. Sein Großvater hackte Disteln. Auf einmal sagte der Großvater, daß wenige Meter vom Feldwege die Erde nachrutsche, etwa einen halben Meter. Ringleb streute weiter und wie er um das Feld herum war, nach einer halben Stunde, war der Feldboden bereits einen Meter tief nachgerutscht, ohne jede Rißbildung an sämtlichen Seiten. Um 19 Uhr waren es bereits 3-4 m Tiefe. Am anderen Morgen war der Dornbusch am Wegrain verschwunden. Fritz Dietrich stellte am 16. Mai um 6 Uhr fest, daß der Erdfall einen Durchmesser von 4-6 m hatte und sich in demselben in 4-6 m Tiefe bereits Wasser befand, laufende Nachstürze erfolgten. Das Wasser war laut glucksend in Bewegung…
Um 18.30 Uhr war der Erdfall 22,7 m tief. Das Wasser lief aus den Schichten nach und füllte den Erdfall 9 m hoch. Dadurch wurde der Erdfall auch breiter und brach laufend nach. Einige Tage später war er 24 m tief und hatte 30 m Durchmesser.“

Zurück zum Bauerngraben. Ein viel bestauntes Rätsel sind die Fische, die angeblich in großer Stückzahl bei einer Seefüllung auftauchen. Die Masse aller "Fischkundigen" gibt zu, daß nur tote Fische angespült werden. GÜNTHER als ausgezeichneter Kenner des Bauerngrabens berichtete SCHUSTER 1952:

„ …Beim Wiederauffüllen des Sees schwimmt eine mehr oder weniger große Anzahl von Fischen (Regenbogenforellen) im toten Zustand auf der Wasseroberfläche. Diese Fische sind weitaus größer, als sie im Zuflußbach Bauerngraben je vorkommen. Die Fische sind gekrümmt und mit einer Sinterschicht bedeckt. Zum Genuß sind sie nicht mehr zu gebrauchen…“

Auch VIETE berichtet von diesen Fischen:

(2) „ …Nach dem sehr hohen Wasserstand im März 1946 entleerte sich das Becken im Herbst ziemlich rasch und Mitte Dezember, kurz vor dem Zufrieren, fiel die Beckenmitte trocken. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch eine größere Menge Fische vorhanden war, verlief die Eisfischerei im Januar ergebnislos, denn unter der starken, am Ufer aufliegenden Eisdecke waren fast das gesamte Wasser und auch die Fische offenbar durch die Schlucklöcher verschwunden. Andererseits wurde mir von Augenzeugen „eidesstattlich“ versichert, daß des öfteren bei beginnender Neufüllung des Beckens tote, meist von weißen Algen und Gips überkrustete Forellen beobachtet worden sind, die in ihrem Aussehen an den beim Ablauf des Wassers am Ufer zurückbleibenden weißen Gips- und Algenstreifen erinnerten…“

Es gibt auch Angler, die behaupten, das lebende Fische „ausgespien“ werden.

Der Versuch einer Erklärung dieses Phänomens ist folgender:
In den Abflußkanälen des Glasebaches dürfte es kleine Höhlungen und Becken geben, die durch eine Abdichtung mit Schlämmstoffen lange Zeit mit Wasser gefüllt bleiben können. Das sind Höhlchen und Höhlen unmittelbar im Bereiche der Verbruchswände, unwesentlich tiefer als der Seeboden. Bei Entleerung des Sees werden einige Fische durch den Sog in diese Wasserreservoire gezogen. Bei Wasseranstieg könnten einige überlebende Exemplare durch die Ritzen und Fugen der Verbruchsblöcke ihr trostloses Gefängnis verlassen können und wieder in den sich bildenden See zurückschwimmen. Eine Weiterentwicklung dieser Fische zu großen Exemplaren mit großen Augen, wegen der Dunkelheit, ist aber Anglerlatein. 5 Jahre lebten Forellen im Heimensee der Heimkehle. Sie vegetierten dahin. Sie wuchsen nicht und bekamen auch keine großen Augen. Daß tote Fische ausgespült wurden, ist logisch. Durch den Sog werden sie beim Leeren des Sees in die Fugen und Ritzen der Verbruchstrümmer gezogen. Hier vertrocknen sie und inkrustieren, daher sehen sie später so weiß aus.
Beim Füllen des Sees werden sie aus den Ritzen herausgespült, da die Strömungsgeschwindigkeit auf den Fugen und Ritzen größer ist. Sie können in ihren kleinen Höhlen lange Zeit liegen, ohne restlos zu verwesen.
Haben wir nun den Bauerngraben und seine oberirdischen Erscheinungsformen erklärt, wenden wir uns jetzt dem unterirdischen Weg des Wassers zu.
Die Existenz einer Höhle unter dem Bauerngraben beweisen bereits die alten Bergbauberichte. Diese Höhle als Höhlentyp „Wimmelburger Schlotte“ dürfte nicht durch den Glasebach entstanden sein. Stinkschiefer oder Zechsteinkalk leiten im Schichteneinfallen das Wasser des Breitunger Auslaugungstales in die Tiefe. Im darüberliegenden Anhydrit laugen Höhlen aus, da dieser viel besser wasserlöslich ist als der merglige Kalkstein. Diese Höhlen führen das Wasser in uns unbekannte Tiefen unter die Helmeaue. Es ist leicht möglich, daß das Wasser dieser Höhle mit dem Steinsalz in Berührung kam, welches unter der Helmeaue vorhanden ist.
In der Tiefe erwärmt sich das Wasser und steigt an Störungen wieder nach oben. Eine Verbindung mit der Artener Solquelle wäre also durchaus denkbar, aber kaum nachweisbar. Auf Störungen, kaum in großen Höhlen, fließt das Wasser auch ostwärts und tritt in der Wickeröder Hüttenquelle wieder zutage. Das hydrologische System dieser Höhle wurde nun durch den Kupferschieferbergbau zumindest teilweise gestört. Deshalb fließt heute ein Teil des Wassers aus dem Mundloch des Tiefen Breitunger Stollens.
Die Doline des Bauerngrabens hat eine hydrologische Verbindung in diese Höhle. Kleine bizarre Lauggänge führen das Wasser auf wirksamen Klüften in die Höhle. Große Räume können das nicht sein, denn das Wasser des Glasebaches hat bereits wirkungsvoll geologische Arbeit vollbracht. Es hat den Steilhang weiter unterlaugt und damit die Doline vergrößert. Viel Lösungsvermögen für die unterirdische Arbeit verbleibt dem Wasser also nicht.
Ähnliche Verhältnisse sind an der Elisabethschächter Schlotte, am Zwergloch und in anderen Höhlen zu beobachten. Dort kennen wir die Hohlform übertage und die Höhle untertage und können Analogieschlüsse ziehen.
Dem Kenner unserer Schriftenreihe sei eine ketzerische Frage gestattet, die die Kenntnis des Heftes „Die Elisabethschächter Schlotte“ vorausgesetzt. Hätten die Bergleute nicht bei einiger Erfahrung bewußt ein Schlotte unter dem Bauerngraben suchen müssen, um ihre Entwässerungsprobleme zu lösen? Diese Methode der Entwässerung des Kupferschieferbergbaus hatte zu dieser Periode Hochkonjunktur!
Wir wissen nicht, ob sie eine Schlotte im Werraanhydrit oder im Sangerhäuser Anhydrit fanden. Das ist im Prinzip auch gleichgültig, der Effekt ist der gleiche. So stellen wir also fest, daß der Bauerngraben als Hohlform etwa das gleiche ist, wie eine der Dolinen, unter denen im Mansfelder und Sangerhäuser Revier große Höhlen liegen, die daraufhin bewußt gesucht wurden. Nur war der Wasserzutritt durch einen aktiven Bachlauf im Falle der Schlotte im Tiefen Breitunger Stollen besonders hinderlich. Hier führte die Schlotte das Wasser nicht ab - sondern zu, da man sich dem hydrologischen System von unten näherte.
Plötzlich stellen wir fest, daß der Bauerngraben alles Geheimnisvolle verloren hat. Oder doch nicht?
Trotz aller Wissenschaft, einige Geheimnisse wird er immer behalten. Wir können kaum vorhersagen, in welcher Form wir ihn bei einem Besuch antreffen werden. Die geheimnisvolle Schlotte werden wir wohl nie betreten können und ob ein Teil der „wilden Glasegründer Wasser“ nicht doch noch eine große unterirdische Reise antreten, vermuten können wir es, doch wir werden es kaum ergründen.


Literaturangaben
Nicht im Text erwähnte, aber verwendete Literatur:
 
(1)
AHR„Der Bauerngraben bei Roßla - eine eigenartige
Karsterscheinung“
1954 Zeitungsveröffentlichung
(2)
VIETEDer Periodische See von Roßla - ein Beispiel für
Wasserbewegungen im Zechstein Mitteleuropas
Freiberger Forschungshefte C 5
Mai 1953, S. 22-38
(3)
VIETEGeologische und hydrologische Untersuchungen
im Gipskarst des östlichen Südharzrandes
Freiberger Forschungshefte C 9
Mai 1954, S. 46-79
(4)
VIETEÜber hydrologische Untersuchungen im Gebiet
des Periodischen Sees bei Roßla
Geologie, Bd. 3, Nr. 2, 1954
S. 197-203
(5)
VIETEZur Hydrogeologie des Gipskarstes am Südharzrand
Zeitschrift für Bergbau, Hüttenwesen und verwandte Wissenschaften
Heft 12/1961, S. 759-768
(6)
Erläuterungen zur Geologischen Karte von Preußen
und benachbarten deutschen Ländern, Blatt Kelbra
FULDA und SCHRIEL, 1926
(7)
„Die, von denen Chlermondischen Erben als Eigenlöhner der Rottleberoder und Breitunger Flözwerke in der Grafschaft Stolberg zur Lösung ihres tiefen Stollens unternommene Fangung derer im sogenannten Glasegrunde sich sammelnden wilden Wasser, und die von der Gewerkschaft zu Wickerode darwider gemachte Contradiction betreffen“
Staatsarchiv Dresden Rep IX b/Abt. B, Nr. 421
(8)
ROSENMÜLLER, TILESIUS
„Beschreibung merkwürdiger Höhlen - Ein Beitrag
zur physikalischen Geschichte der Erde“
Leipzig 1805
(9)
C. VOCKE„Neuster Führer durch den Harz“
1850
(10)A. EY„Harzbuch oder Der Geleitsmann durch den Harz“,
1855
(11)JULIUS HOFFMANN„Beschreibung des Tiefen Breitunger Stollns“
Eisleben 1861, Bergschülerarbeit
(12)„Wasserversorgung aus dem Zollbach“
Mitteilung des Preußischen Bergrevierbeamten
für Nordhausen-Stolberg
Abschrift durch WOLF, 1929
(13)„Die behufs des Breitunger tiefen Stollens durch
das Breitungische Feld und was von dem abhängig“
REP F 10 Tit F Nr. 3
Staatsarchiv Magdeburg
(14)„Die zwischen denen „Clermondischen“ Herrn
und Frauen Erben, als Eigenlöhner der Rottleberöder
Flöz-Werke und denen Wickeröder Herrn
Gewerken wegen der von erstem zu Forttreibung
ihres Stollenbaus vorhandenen Abfangung
in den sogenannten Glasegrunde“
REP F 10 Tit F Nr. 4
(15)Festkolloquium 50 Jahre organisierte Höhlenforschung
im Harz
Anlage zur Grotte 4/81
FINN und FRITZ
Eine Methode zur Bestimmung des Wasserhaushaltes von oberirdischen Gewässern dargestellt am Beispiel des Periodischen Sees.

[ Situationsplan von dem Grubenfelde des Breitunger Kupferschieferreviers von 1760 ]

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