Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt
35. Jahrgang • 1998 • Heft 1

Zur Flora, Fauna und Gebietsausstattung des Naturschutzgebietes „Hackpfüffler See“ und seiner Umgebung

Lothar Buttstedt; Matthias Jentzsch


1. Einleitung

Am 15.07.1996 wurde die Verordnung zur einstweiligen Sicherstellung des Naturschutzgebietes (NSG) „Hackpfüffler See“ (Landkreis Sangerhausen) im Amtsblatt des Regierungspräsidiums Halle veröffentlicht. Die Geltungsdauer dieser Verordnung beträgt drei Jahre und kann einmalig um zwei Jahre verlängert werden. Innerhalb dieses Zeitraumes hat das nach Landesnaturschutzgesetz zuständige Regierungspräsidium Halle als Obere Naturschutzbehörde die Pflicht, darüber zu befinden, in welcher Form die endgültige UnterschutzsteIlung vorgenommen werden soll. Zur Vorbereitung der Verordnung ist die Schutzwürdigkeit darzustellen. Mit der vorliegenden Arbeit sollen die derzeit aus der Literatur bekannten floristischen Aussagen zum NSG sowie die durch die Mitarbeiter der Naturschutzstation „Südharz“ ermittelten Flächennutzungsdaten und Artenerfassungen zusammengestellt und gewertet werden.

2. Gebiet
2.1 Geologie

Das ca. 58 ha große Naturschutzgebiet befindet sich am Nordostrand des Kyffhäusers zwischen den Ortslagen Hackpfüffel und Riethnordhausen in einem alten, pleistozänen Nebental der Helme. Dieses heute tote Tal zwischen Hackpfüffel und Borxleben, gefüllt mit holozänen Auensedimenten, wird entgegen der ehemaligen Abflußrichtung von einem Graben in Richtung Goldene Aue entwässert.
In der Zone der Nordrandstörung des Kyffhäusers kam es auch im Bereich des überlagernden unteren Buntsandsteins, insbesondere in stärker ausgeräumten Talräumen, zu Erdfallereignissen durch Subrosion unterlagernder Zechsteinschichten. Dadurch konnten sich die das Naturschutzgebiet prägenden wassergefüllten Hohlformen herausbilden.

2.2 Naturraumausstattung und Flächennutzung

Die den oben genannten Graben umgebenden Bereiche sind teilweise stark vernäßt, so daß sich insbesondere im nördlichen Teil des NSG große zusammenhängende und bisher weitgehend unberührte Röhrichtbestände, überwiegend bestehend aus Gemeinem Schilf (Phragmites australis), herausbilden konnten. Die in diesen Vernässungsbereichen befindlichen wassergefüllten Erdfälle sind ebenfalls durch von Röhricht bestandene Uferzonen geprägt.
Landwirtschaftliche Nutzung der Flächen führte in Abhängigkeit vom Feuchtegrad zur Herausbildung von mehr oder weniger extensiv durch Mahd oder Viehbeweidung (Rinder) bewirtschafteten Grünländereien. Im nordwestlichen Teilbereich kommt eine hochstaudenreiche Seggenflur vor. Ein Teil dieser Feuchtwiese stellt eine natürliche Binnensalzstelle dar (PUSCH; BARTHEL 1995, ZEISING 1966).
Neben kleinen Pappelreinbeständen gibt es im NSG an mehreren Stellen Gebüschbewuchs, bestehend aus Schlehe, Rose, Weißdorn, Holunder, Schneeball und Weiden. Ebenfalls kleinflächige, ehemals anthropogen eingebrachte Gehölzvorkommen weisen heute 80 bis 150jährige Bestände an Eiche, Esche, Weide, Bergahorn und Pappel auf.
Aus ökologischer Sicht ist die Fläche nördlich der Landstraße zwischen Riethnordhausen und Hackpfüffel sehr interessant. Hier ereignen sich bei Starkregen und bei Hochwasserereignissen in der Helme unregelmäßig Überschwemmungen. Diese Flächen sowie das Gebiet östlich des Pappelbestandes sind ebenfalls mehr oder weniger salzbeeinflußt (PUSCH; BARTHEL 1996).
Westlich des NSG findet derzeit in geringem Umfang Kiesabbau statt. Benachbart existiert ein nicht mehr betriebener Schuttplatz. Das NSG ist Jagdgebiet, wobei jedoch die Jagd auf Vögel und einheimische Marderartige verboten ist. Die Teiche dienen den Mitgliedern des Deutschen Anglerverbandes (DAV) als Angelgewässer. Das Angeln ist in den frei zugänglichen Uferbereichen gestattet. Probleme bereiten jedoch illegal aufgestellte Zelte und Feuerstellen.

2.3 Flora

Von besonderem floristischen Wert sind die Nachweise zahlreicher halophiler bzw. salztoleranter Pflanzenarten. PUSCH und BARTHEL (1996) nennen 20 Arten, darunter die gemäß Roter Liste des Landes Sachsen-Anhalt (RL LSA) stark gefährdeten Arten Breitblättrige Wolfsmilch (Euphorbia platyphyllos), Salzbunge (Samolus valerandi) und Kleinblütige Schwarzwurzel (Scorzonera parviflora) sowie die gefährdeten Arten Rosen-Melde (Alriplex rosea), Strand-Milchkraut (Glaux maritima), Frosch-Binse (Juncus ambiguus), Rauher Hahnenfuß (Ranunculus sardous), Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum), Erdbeer-Klee (Trifolium fragiferum) und Strand-Dreizack (Triglochin maritimum) (FRANK et al. 1992). Einige dieser Pflanzen kommen jedoch nur außerhalb des NSG vor.
Des weiteren sind die Orchideenvorkommen bemerkenswert. G. GRAMM, Sangerhausen, zählte 1997 505 Exemplare des Bleichen Waldvögleins (Cephalanthera damasonium), 261 Exemplare des Breitblättrigen Sitters (Epipaclis helleborine) und 4 Exemplare des Braunroten Sitters (Epipactis atrorubens). Eine vierte Orchideenart, das Große Zweiblatt (Lislera ovata), wurde 1993 letztmalig mit zwei blühenden Exemplaren nachgewiesen (EINICKE, mdl. Mitt.).
Schließlich seien die Erfassungen von KISON et.al. (1996) erwähnt, die für das NSG und seine nähere Umgebung 17 Pflanzenarten erwähnen, darunter die nach Roter Liste des Landes gefährdete Graugrüne Sternmiere (Stellaria palustris).

2.4 Fauna
2.4.1 Wirbeltiere

Das NSG ist Einstandsgebiet verschiedener jagdbarer Tierarten, darunter der Rote-Liste-Arten Feldhase (Lepus europaeus, RL LSA 21), (HEIDECKE 1992) und Dachs (Meles meles, RL LSA 3). Der Maulwurf (Talpa europaea, RL LSA 3) wurde vielfach nachgewiesen. In Barberfallen fingen sich 1997 fünf Waldspitzmäuse (Sorex araneus), drei Zwergspitzmäuse (Sorex minulus, RL LSA 3) sowie eine Rötelmaus (Clethrionomys glareolus). Die Vorkommen von Wasserfledermaus (Myotis daubentoni) und Zwergmaus (Micromys minutus) sind sehr wahrscheinlich.
Im Mai 1989 hielt sich über mehrere Wochen ein Rohrschwirl-Männchen (Locustella luscinioides, RL LSA (p) (DORNBUSCH 1992) im Gebiet auf. Des weiteren wurden drei Brutpaare (BP) der Beutelmeise (Remiz pendulinus) und ein Brutpaar des Hänflings (Acanthis cannabina) nachgewiesen. H. BOCK stellte 1995 im nördlichen Teil des NSG weitere 19 Brutvogelarten fest, darunter Pirol (Oriolus oriolus, 1 BP), Nachtigall (Luscinia megarhynchos, 2 BP), Teichrohrsänger (Acrocephalus scirpaceus, 2 BP), Sumpfrohrsänger (Acrocephalus palustris, 5 BP), Rohrammer (Emberiza schoeniclus, 15 BP) und Rohrweihe (Circus aeruginosus, 4 - 6 BP). Röhricht- und Gebüschflächen dienen nicht nur als Bruthabitate, sondern auch als Schlafplatz für Rauchschwalben (Hirundo rustica) und Bachstelzen (Motacilla alba).
1997 hielt sich das Frühjahrshochwasser besonders lange, so daß sich großflächig günstige Laichhabitate für Lurche entwickelten. Um die Tiere auf der Wanderung vor dem Straßenverkehr zu schützen, wurden vom 04.03. bis 16.04. Krötenzäune beiderseits entlang der oben genannten Landstraße betreut. Insgesamt wurden fünf Teichmolche (Triturus vulgaris), 188 Erdkröten (Bufo bufo), 24 Moorfrösche (Rana arvalis) und 139 Grasfrösche (Rana temporaria) gefangen. Darüber hinaus lebt im NSG der Seefrosch (Rana ridibunda).

1 Erklärung der Gefährdungskategorien RL LSA in der Legende zu Tabelle 1

Abb. 1: Hackpfüffler See, nördliches Ufer (September 1997)
(Foto: L. Buttstedt)

 
Abb. 2: Hackpfüffler See, Blick auf die Binnensalzstelle (September 1997)
(Foto. L. Buttstedt)

Im Frühjahr 1997 stellten Mitglieder der Ökologiestation Sangerhausen e.V. im See ein Fischsterben fest, dessen Ursache im Sauerstoffmangel aufgrund des strengen Winters und einer lange Zeit zugefrorenen Seeoberfläche zu vermuten ist. In diesem Zusammenhang entstandene Fotos zeigen einen Karpfen (Cyprinus carpio), vier Schleien (Tinca tinca) sowie zwei Barsche (Perca fluviatilis). Vertiefende Untersuchungen zur Gewässergüte sind für 1998 geplant.

2.4.2 Wirbellose

Bei den Libellen sind die Nachweise der Gebänderten Prachtlibelle (Calopteryx splendens, RL LSA 3) (MÜLLER 1993) sowie der Keilfleck-Mosaikjungfer (Aeshna isosceles, RL LSA 2) hervorzuheben. Von letzterer Art gelang am 27.06.1997 der Nachweis eines einzelnen Exemplars.
Weitere Nachweise 1996/1997: Blaugrüne Mosaikjungfer (Aeshna cyanea), Braune Mosaikjungfer (Aeshna grandis), Herbst-Mosaikjungfer (Aeshna mixta), Große Königslibelle (Anax imperator), Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion puella), Fledermaus-Azurjungfer (Coenagrion pulchellum), Gemeine Smaragdlibelle (Cordulia aenea), Becher-Azurjungfer (Enallagma eyathigerum), Große Pechlibelle (Ischnura elegans), Weidenjungfer (Lestes viridis), Vierfleck (Libellula quadrimaculata), Großer Blaupfeil (Orthetrum cancellatum), Frühe Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula), Gemeine Winterlibelle (Sympecma fusca), Schwarze Heidelibelle (Sympetrum danae), Gefleckte Heidelibelle (Sympetrum flaveolum), Blutrote Heidelibelle (Sympetrum sanguineum).
Drei im NSG lebende Heuschreckenarten sind in der Roten Liste des Landes Sachsen-Anhalt (WALLASCHEK 1993) enthalten. Die Kurzflüglige Schwertschrecke (Conocephalus dorsalis, RL LSA 3) wurde von August bis Oktober 1996 im Feuchtwiesenbereich zahlreich angetroffen. Die Art ist ein typischer Bewohner von Feuchtwiesen und Röhricht (WALLASCHEK 1996b). Auch die Sumpfschrecke (Mecostethus grossus, RL LSA 2) kommt im NSG, insbesondere im Bereich der Salzstelle südlich der Landstraße, recht individuenreich vor. Am 18.09.1996 wurde eine Paarung fotografisch dokumentiert. Diese an Feuchtbereiche gebundene Art wurde durch KÜHLHORN (1955) aus der Region des Harzes und seines östlichen/südlichen Harzvorlandes gemeldet. In den letzten Jahren erfolgten aber Nachweise für Sachsen-Anhalt nur aus der Umgebung von Halle (WALLASCHEK 1992, 1996a, 1996b). Der Sumpfgrashüpfer (Chorthippus montonus, RL LSA 2) konnte nur durch ein Exemplar nachgewiesen werden. Diese Art wurde bereits an einem Meliorationsgraben in der Goldenen Aue wenige Kilometer östlich des NSG beobachtet (RUPPE; JENTZSCH 1991).
Weitere Nachweise 1996: Chorthippus albimarginatus, Chorthippus biguttulus, Chorthippus dorsatus, Chorthippus parallelus, Metrioptera roeseli, Pholidoptera griseoaptera, Großes Heupferd (Tettigonia viridissima).
Die Schmetterlingsvorkommen wurden 1996 und 1997 durch Kescher-, Nacht- sowie Köderfang erfaßt. Bemerkenswert ist der Nachweis eines Weibchens des Schwarzen Ordensbandes (Mormo maura, RL LSA 1), (GROSSER 1993). Der Nachweis gelang am 10.09.1996 und damit für die Art recht spät im Jahr, denn die Imagines werden normalerweise bis Ende August nachgewiesen. Für Sachsen-Anhalt ist es erst der vierte Nachweis nach 1980 (HEINICKE, schriftl. Mitt.). Ob die Art im NSG regelmäßig auftritt, ist derzeit noch unklar. Für das Rote Ordensband (Catocala nupta) wurden bereits 1996 regelmäßige Nachweise von Anfang September bis Mitte Oktober bestätigt. Am 08.10.1996 wurde die Zweipunktschilfeule (Archanara geminipuneta, RL LSA 3) sowie am 30.09.96 die Graue Moderholzeule (Xylena exsoleta, RL LSA p) mit jeweils einem Exemplar festgestellt. Untersuchungen am 04.08.1997 führten zu den Nachweisen der Gemeinen Schilfeule (Nonagria typhae, RL LSA p), von Archonara geminipuneta, von 11 Tieren der Art Archonara dissoluta (RL LSA 2) sowie von Perizoma affinitoto (RL LSA 3). Am 01.09.1997 erfolgte der Fang eines Weibchens des Nierenflecks (Thecla betulae, RL LSA p) und von zwei Männchen des Weißdornspinners (Trichiura crataegi, RL LSA p).
Weitere Nachweise 1996/1997:
Tagfalter: Landkärtchen (Araschnia levana), Kälberauge (Coenonympha pamphilus), Cynthia cardui, Tagpfauenauge (Inachis io), Kleiner Feuerfalter (Lyeaena phleas), Großes Ochsenauge (Maniola iurtina), Großer Kohlweißling (Pieris brassicae), Kleiner Kohlweißling (pieris rapae), Wiesenbläuling (Polyommatus icarus), Thymelicus sylvestris, Admiral (Vanessa atalanta).
Spinnerartige Falter: Brauner Bär (Arclia caia), Calliteara pudibunda, Weidenbohrer (Cossus cossus), Cluphisia crenata, Buchenrotschwanz (Dasychira pudibunda), Kiefernspinner (Dendrolimus pinil, Drymonia dodonaea, Eilema lurideola, Eutrix potatoria, Hartgras-Sackträger (Fumea casta), Fureulo furcula, Achatspinner (Habrosyne pyritoides), Zickzackspinner (Notodonto ziczac), Mondvogel (Phalera bucephala), Pappelporzellanspinner (Pheosio tremula), Zimtbär (Phragmatobia fuliginosa), Palpenspinner (Pterostoma palpinum), Spilosoma lubricipeda, Spilosoma luteum, Tethea ocularis, Or-Eule (Tethea or), Roseneule (Thyatira batis), Trioda sylvina.
Eulenfalter: Abrostola triplasia, Acronicta leporina, Acronieta megacephala, Acronicta psi, Acronicla tridens, Agroehola eireellaris, Agroehola litura, Agrochola Iota, Agrochola macilenta, Agrotis exclamationes, Agrotis ipsilion, Allophyes oxyacantoe, Amphipyra pyramidea, Amphipyra tragopoginis, Apamea crenata, Apamea oblonga, Apamea ophiogramma, Apamea monoglypha, Arenostola semicana, Autographa gamma, Axylia putris, Catocala nupta, Celaena leucostigma, Cerastis rubricosa, Charanyca trigrammica, Chortodes fluxa, Conistra vaceini, Cosmio trapezina, Oeltote deceptoria, Oeltote bankiana, Oiachrysia chrystis, Oiscestra trifolii, Earias chlorana, Eupsilia transverso, Hydraecia micacea, Hypena proboscidalis, Ipimorpha subtusa, Lacanobia oleracia, Lacanobia thalassina, Lithophane ornitopus, Leucania obsoleta, Macdunnoughia confusa, Mamestra brassicae, Melanchra persicariae, Mesapamea secalis, Mesoligia furuneula, Mythimna albipuncta, Mythimna 1-album, Mythimna ferrago, Mythimna impura, Mythimna pollens, Noclua interiecta, Noclua ianthina, Noclua orbona, Noclua pronuba, Oehopleura piecla, Oligia strigilis, Opigena polygona, Phlogophora metieulosa, Plusia festucae, Prododeltote pygorgo, Pyrrhia umbra, Scoliopteryx libatrix, Simyra albovenosa, Tholera decimalis, Tyta lucluoso, Xanthia icteritia, Xanthia ocelloris, Xanthio togata, Xesthia c-nigrum, Xesthia sexstrigata, Xesthio triangulum, Xesthia xanthographo, Xylena exsoleto.

Abb. 3: Rotes Ordensband
(Foto: O. Blau)
Abb. 4: Sumpfschrecke
(Foto: L. Buttstedt)

Spanner: Gelber Linienspanner (Camptogromma bilineata), Caothysanis amata, Heidespanner (Ematurga atomaria), Ennomos autumnario, Eupithecia absinth iota, Eupithecia centaureata, Eupithecia denotata, Eupithecia succenturiata, Eu pithecia vulgata, Idaea aversata, Idaea biselata, Idaea dimidiata, Holunderspanner (Ourapteryx sambucaria), Perizoma alchemillatum, Selenia lunularia, Gitterspanner (Semiothisa clathrata), Xanthorhoe designata, Xanthorhoe spadicearia.
Über die Dipteren liegen erste, ebenfalls recht interessante Nachweise (alle vom 03.06.1990) von Schwebfliegen vor, die eine Präferenz für intakte Feuchtwiesen aufzeigen. So wurde ein Männchen von Platycheirus fulviventris gefangen. Dies ist nach einem Fund in Halle-Neustadt (JENTZSCH 1991) erst der zweite Nachweis für Sachsen-Anhalt. Ebenfalls als hygrophil ist die Art Parhelophilus versicolor einzustufen, von der ein Männchen nachgewiesen wurde. Diese Syrphide war in Sachsen-Anhalt bislang nur aus dem NSG „Heidelandschaft und Feuchtgebiete bei Allstedt“ (BOCK et al. 1994) und aus dem NSG „Grubengelände Nordfeld Jaucha“ bekannt. Die Arten Tropidia scita und Neoascia tenur sind weitere typische Arten feuchter Bereiche, die im NSG gefunden wurden.
Weitere Nachweise: Cheilosia albitarsis, Chrysotoxum cautum, Episyrphus balteatus, Ersitalinus sepul chralis, Ersitalis arbustorum, Eristalis tenax, Melanostoma scalare, Platycheirus clypeatus, Platycheirus manicatus, Sphaerophoria scripta, Syritta pipiens.

3. Naturschutzfachliche und -rechtliche Bewertung

Die ersten Untersuchungsergebnisse zur Naturraumausstattung des NSG „Hackpfüffler See“, die für verschiedene Organismengruppen bereits recht umfassend vorliegen, unterstreichen die Schutzwürdigkeit des Gebietes. Insbesondere die Artenmannigfaltigkeit, die z.B. für Salzpflanzen, Schmetterlinge und Heuschrecken festgestellt wurde, belegt den ökologischen Wert. Die hier vorkommende artenreiche Halophytenflora dürfte eine der wertvollsten im Bereich des Landes Sachsen-Anhalt sein.
Rote Listen, die aus fachlicher Sicht den Gefährdungsgrad der Arten beschreiben, sind ebenfalls ein wichtiges Indiz für die Schutzwürdigkeit eines Gebietes. Im NSG wurden bislang 31 Rote-Liste-Arten nachgewiesen, unter denen die Belege der in Sachsen-Anhalt vom Aussterben bedrohten bzw. stark gefährdeten Spezies hervorgehoben werden müssen.


Tabelle 1: Anzahl der Rote-Liste-Arten (RL LSA) im NSG „Hackpfüffler See“

Gruppe
Kategorie
Gesamt
 
1
2
3
p
 
Pflanzen 
3
10
 
13
Säugetiere 
1
3
 
4
Vögel   
1
1
Libellen 
1
1
 
2
Heuschrecken 
2
1
 
3
Schmetterlinge
1
1
2
4
8
Gesamt:
1
8
17
5
31

1 = vom Aussterben bedroht, 2 = stark gefährdet, 3 = gefährdet,
p = potentiell gefährdet, RL LSA = Rote Listen des Landes Sachsen-Anhalt

Als drittes Merkmal für den Nachweis der Schutzwürdigkeit des Gebietes kann herangezogen werden, daß viele der vorkommenden Arten gemäß Bundesnaturschutzgesetz in Verbindung mit der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt sind. Diese gesetzliche Schutzkategorie trifft auf alle Vögel mit Ausnahme der jagdbaren Arten, auf alle Libellen und Lurche, die meisten Säugetiere sowie zahlreiche Schmetterlinge, Heuschrecken und Pflanzen des Gebietes zu. Hier sind die Nachweise der zusätzlich durch den Gesetzgeber als „vom Aussterben bedroht“ eingestuften Spezies im NSG hervorzuheben: Rohrschwirl, Moorfrosch, alle Orchideenarten. Künftige Untersuchungen lassen weitere Nachweise bestandsbedrohter Arten erwarten.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß das NSG „Hackpfüffler See“ nach derzeitigen Kenntnissen eine Vielzahl bestandsbedrohter und/oder gesetzlich geschützter Tier- und Pflanzenarten beherbergt. Grund für diese Mannigfaltigkeit ist die wertvolle Naturraumausstattung, insbesondere aufgrund der natürlichen Binnensalzstellen, aber ebenso der extensiv genutzten Mähwiesen mit unterschiedlich hohem Feuchtegrad sowie der von Röhricht bestandenen Wasserflächen. Dabei handelt es sich um Lebensräume, die in der intensiv genutzten Landschaft selten geworden sind. Neben ihrer Funktion als Lebensraum kommt ihnen aus ästhetischer Sicht auch eine landschaftsgestaltende Bedeutung zu.

3. Gefährdung, Pflege und Entwicklung

PUSCH und BARTHEL (1996) weisen darauf hin, daß insbesondere die Binnensalzstelle südlich der Landstraße durch eindringendes Schilf und von den trockeneren Seiten her durch Verqueckung gefährdet ist. Zusätzlich begünstigen die hohen Düngergaben auf den nahen intensiv bewirtschafteten Äckern das Vordringen der Ackerkratzdistel. Eine regelmäßige Mahd, die Beibehaltung der Rinderweide nördlich der Straße und maßvolle Düngergaben auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen der Umgebung sind dringend geboten. Vor dem Hintergrund der botanischen Datenerfassung schlagen diese Autoren vor, das NSG nach Norden und Osten zu erweitern, das Schilf frühzeitig (Mai oder Juni) zurückzudrängen und die Wiesenflächen einer ein - bis zweischürigen Mahd bzw. Rinderbeweidung zu unterziehen. Die Landwirte sollten sich Extensivierungsprogrammen anschließen.
Generell teilen die Autoren dieses Beitrages die Auffassung von PUSCH und BARTHEL (1996). Bei den Maßnahmen in den Schilfbeständen ist aber eine mögliche Beeinträchtigung von Vögeln und anderen Tieren zu berücksichtigen. Der für Pflegemaßnahmen vorgeschlagene Zeitraum fällt genau in die Vogelbrutzeit. Auch das Thema Extensivierung durch „Vertragsnaturschutz“ ist problematisch, da die Landwirte freiwillig diese Verpflichtungen eingehen müssen und die Programme eine maximale finanzielle Absicherung von fünf Jahren gewähren.
Die Mitarbeiter der Naturschutzstation „Südharz“ führten erste Pflegemaßnahmen im NSG durch. Im Oktober 1996 erfolgten Mäharbeiten auf der salzbeeinflußten Stelle der Naßwiese südlich der Landstraße, die 1997 fortgesetzt wurden. 1996 wurden von den letzten Exemplaren der Kleinblütigen Schwarzwurzel Samen gewonnen, der Boden in unmittelbarer Umgebung leicht verwundet und der Samen dort gezielt ausgebracht. Bereits im Folgejahr konnte ein deutlich angewachsener Bestand dieser Salzpflanze verzeichnet werden. Da die Orchideenbestände zwischen den Pappelreinkulturen durch zunehmende Grasverfilzung gefährdet sind, wurden 1997 auch hier Mäharbeiten durchgeführt.
Ein Problem stellt das illegale Campen im Naturschutzgebiet dar, dem wohl nur mit dem Einsatz von Ordnungskräften begegnet werden kann.

GPS-Koordinaten
N 51.4179° E 11.2176°

4. Dank

Unser Dank gilt Frau H. EINICKE, Untere Naturschutzbehörde Landkreis Sangerhausen, Herrn H. BOCK, Naturschutzstation Südharz, dem ehrenamtlichen Naturschutzhelfer Herrn G. GRAMM, Sangerhausen und Herrn PEITZSCH, dem Leiter der Ökologiestation Sangerhausen e. V., für die Überlassung von Beobachtungsdaten. Bei Herrn W. HEINICKE, Gera, bedanken wir uns für die Auskunft zur Häufigkeit des Schwarzen Ordensbandes in Sachsen-Anhalt.

5. Literatur

BOCK, H. et al. (1994): Bestandserfassung ökologisch wertvoller Bereiche eines ehemaligen sowjetischen Militärflugplatzes. - In: Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt. - Halle 31 (1994)2. - S. 19 - 32

DORNBUSCH, M. (Bearb.) (1992): Rote Liste der Vögel des Landes Sachsen-Anhalt. - In: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. - Halle (1992) 1. - S. 13 - 15

FRANK, D. et al. (Bearb) (1992): Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen des Landes Sachsen-Anhalt. - In: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. - Halle (1992)1. - S. 44 - 63

GROSSER, N. (Bearb.) (1993): Rote Liste der Schmetterlinge des Landes Sachsen-Anhalt. - In: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. - Halle (1993)9. - S. 60 - 72

HEIDECKE, D. (Bearb.) (1992): Rote Liste der Säugetiere des Landes Sachsen-Anhalt. - In: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. - Halle (1992) 1. - S. 9 - 12

JENTZSCH, M. (1991): Zur Schwebfliegenfauna von Halle-Neustadt (Dipt., Syrphidae). - In: Entomologische Nachrichten und Berichte. - Dresden 36(1991). - S. 167-173

KISON, H. et al.. (1996): Zur Flora des Meßtischblattes Sangerhausen (4533). - In: Mitteilungen zur floristischen Kartierung in Sachsen-Anhalt. - Halle 1(1996). - S. 43 - 48

KÜHLHORN, F. (1955) Beitrag zur Verbreitung und Ökologie der Geradflügler des Harzes und seines südlichen und östlichen Vorlandes. - In: Deutsche Entomologische Zeitschrift N. F. - Berlin 2(1955)5 - S. 279 - 295

MÜLLER, J. (Bearb.) (1993): Rote Liste der Libellen des Landes Sachsen-Anhalt. - In: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. - Halle (1993)9. - S 13 - 16

PUSCH, J.; BARTHEL, K. (1995): Über ein Vorkommen von Scorzonera parviflora JACQ. zwischen Hackpfüffel und Riethnordhausen (Landkreis Sangerhausen). - In: Mitteilungen zur floristischen Kartierung. - Halle 20( 1995) - S. 81 - 82

PUSCH, J.; BARTHEL, K. (1996): Zur floristischen Situation des salzbeeinflußten Gebietes zwischen Riethnordhausen und Hackpfüffel. - In: Mitteilungen zur floristischen Kartierung in Sachsen-Anhalt. - Halle 1 (1996). - S. 38 - 42

RUPPE, S.; JENTZSCH, M. (1991): Heuschrecken und Kamelhalsfliegen einer Feldhecke in der Goldenen Aue. - In: Entomologische Nachrichten und Berichte. - 35 (1991). - S. 279

WALLASCHEK, M. (1992): Stand der faunistischen Erfassung der Geradflügler (Orthoptera s.l.) in Sachsen-Anhalt. - In: Articulata. - 7(1992). - S. 5 - 18

WALLASCHEK, M. (Bearb.) (1993): Rote Liste der Heuschrecken des Landes Sachsen-Anhalt. - In: Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. - Halle (1993)9. - S. 25 - 28

WALLASCHEK, M. (1996a): Zur Heuschreckenfauna (Saltatorio) der Naturschutzgebiete „Forstwerder“ und „Pfingstanger“ in der Stadt Halle [Saale). - In: Entomologische Mitteilungen Sachsen-Anhalt. - Schönebeck 4(1996) 1/2. - S. 3 - 9

WALLASCHEK, M. [1996b): Tiergeographische und zoozönologische Untersuchungen an Heuschrecken (Saltatoria) in der Halleschen Kuppenlandschaft. - In: Articulata, - (1996) Beih. 6. - S. 1 - 191

ZEISING, R. (1966): Die Pflanzenwelt des Kreises Sangerhausen. - In: Heimat- und Wanderbuch des Kreises Sangerhausen. - Halle, 1966

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06536 Roßla

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