Ein frühbronzezeitlicher Grabhügel auf dem Rotenberg
bei Pöhlde, Kr. Osterode a. H.

Mit 2 Abbildungen und 1 Tafel

Auf dem Kamm des "Rotenberges", der das südwestliche Harzvorland von dem in südlicher Richtung anschließenden weiten fruchtbaren Becken des unteren Eichsfeldes trennt, liegen mehrere, an Zahl unterschiedlich große Gruppen urgeschichtlicher Grabhügel. Bei Geländebegehungen konnten bisher 54 Gräber kartiert werden. Bezeichnenderweise flankieren sie stets den "Fastweg", der als Höhenweg der alten am Südharzrand entlangführenden "Nordhäuser Straße" in südostnordwestlicher Richtung über den Rotenberg verläuft1.

Nur rund 200 m westlich der Burganlage "König Heinrichs Vogelherd" begegnet man der ersten Gruppe von sieben Grabhügeln auf einem kleinen, von lichtem Buchenwald bestandenen Plateau, an dessen steilem Nordhang zahlreiche alte Wegezüge, vom Fastweg abzweigend zum Tal in den alten Ortsteil Pöhldes führen. Das Waldstück führt die Bezeichnung "Schiebehalbe" und ist im Besitz der Forstgenossenschaft Pöhlde (Top. Karte 1 : 25 000, Nr, 4327, Blatt Gieboldehausen. R: 35 90760; H; 57 20150) (Mittelwert der Gruppe) (Abb. 1).

Die zu dieser Gruppe gehörenden Grabhügel sind von unterschiedlicher Größe:

Hügel 1:Dm   8,80  :   8,40 MeterHöhe: ca. 0,50 Meter
Hügel 2:Dm 11,00  :11,20 MeterHöhe: ca. 0,50 Meter
Hügel 3:Dm   8,20  :  7,10 MeterHöhe: ca. 0,35 Meter
Hügel 4:Dm 10,40  :10,00 MeterHöhe: ca. 0,80 Meter
Hügel 5:Dm 14,50  :14,00 MeterHöhe: ca. 1,30 Meter
Hügel 6:Dm 12,00  :11,10 MeterHöhe: ca. 1,20 Meter
Hügel 7:Dm 12,80  :12,20 MeterHöhe: ca. 1,40 Meter


Wenn auch allgemein vermutet wurde, daß diese Grabhügel der frühen Bronzezeit angehören, so fehlte der schlüssige Beweis, da Funde aus ihnen bisher nicht bekannt geworden sind, obwohl nach Auskunft älterer Einwohner Pöhldes gegen Mitte oder Ende des vorigen Jahrhunderts von einem Lehrer in den Hügeln Nachgrabungen durchgeführt worden sein sollen.

Um die zeitliche und kulturelle Stellung der Grabhügel kennenzulemen, wurde im Jahre 1970 der Hügel Nr. 5 untersucht, der in seiner südlichen Peripherie von dem Fastweg bereits angeschnitten war. Da dieser als Holzabfuhrweg benutzt und deshalb fester ausgebaut wurde, bestand die Gefahr weiterer Beschädigungen. Die Untersuchung des Grabhügels, die unter schwierigsten Witterungsbedingungen unter der örtlichen Leitung von J. Bosma durchgeführt wurde, hatte folgendes Ergebnis:

Unter der im Durchschnitt 10 cm starken Waldhumusdecke folgte eine einheitliche Hügelaufschüttung aus rotbraunem lehmigen Erdmaterial, das in nur ganz geringem Umfang von kleinen Buntsandsteinbrocken durchsetzt war. Sie erreichte im Zentrum eine Mächtigkeit von 1,20 Meter und lag auf einer steinfreien, gelblich-rötlichen, durchschnittlich 20-40 cm starken Lehmschicht, die den anstehenden sehr harten Buntsandstein bedeckt. Übergänge zwischen ihr und der Hügelaufschüttung waren so stark verwischt, daß Spuren einer ehemaligen alten Oberfläche nicht festgestellt werden konnten. Ergänzende Befunde zu diesem recht einfachen Aufbau lieferte im Südost-Quadrant des Hügels eine kleine geschlossene vom Hügelfuß zum Zentrum allmählich ansteigende Steindecke aus dachziegelartig angeordneten Buntsandsteinplatten (Taf. 12). Diese Steindecke kann nur als der Rest einer ehemaligen Hügelbedeckung durch ein Steinplattenlager, bzw. einen Steinmantel bezeichnet werden. Bogenförmig locker aneinandergereihte Buntsandsteinplatten an der Peripherie der westlichen Hügelhälfte bildeten einen weiteren Rest jenes ehemaligen, den Hügel bedeckenden Steinmantels, der in seinen wesentlichen Bestandteilen zu einem ungewiß bleibenden Zeitpunkt abgebaut worden ist. Daß jene Steinplatten u.U. beim Mauerbau der nahe gelegenen Oberburg von "König Heinrichs Vogelherd" Verwendung fanden, kann nur als Vermutung geäußert werden. Indessen muß auch mit jüngeren Beschädigungen dieses Grabhügels gerechnet werden, denn seine Kuppe wies deutlich die Spur einer früheren Eingrabung in Form einer flachen Mulde auf. Während der Untersuchung wurden noch zwei weitere Störungen in Form von tiefen Gruben festgestellt, von der die größere nahe des Hügelzentrums bis knapp in die unterste Zone der Hügelaufschüttung reichte. Die eingangs erwähnte Nachricht über Nachgrabungen an dieser Hügelgruppe findet damit eine Bestätigung.

Abb. 1.
Pöhlde, Kr. Osterode
Lageskizze der Grabhügelgruppe


Tafel 12
zu Claus (Seite 238)


Pöhlde, Kr. Osterode
Grabhügel Nr. 5
Rest eines Steinmantels

Die Ausbeute an Fundmaterial war gering. In einer unregelmäßigen Streuung lagen knapp über der sterilen rötlich-gelben Lehmschicht in der beginnenden Hügelaufschüttung in unterschiedlich starken Konzentrationen ohne erkennbaren Fundzusammenhang Reste von Holzkohle, z. T. nur in vereinzelten Partikeln. Während sich der Südwest-Quadrant des Hügels als völlig fundleer erwies, kam im gegenüberliegenden Nordost-Quadranten in der unteren Zone des Flügels ein kleines Gefäß (FNr. 2; Abb. 2 a) zutage, das umgestülpt, mit der Öffnung nach unten, im Boden lag. Dagegen wurde im Nordwest-Quadranten nahe dem Hügelzentrum eine kleine Fundkonzentration geborgen, die als zusammengehörig bezeichnet werden kann: Einzelne kleinere Scherben (FNr. 15), ein kleines, beschädigtes Gefäß (FNr. 14; Abb. 2 c) und nördlich von diesem in nur 45 cm Entfernung eine kleine Bronzenadel mit bandförmig eingerolltem Kopfteil (FNr. 13; Abb. 2 d). Zusammen mit zwei Holzkohlestellen bilden diese Funde einen nordsüdlich ausgerichteten Fundkomplex; trotzdem kann ein Grabzusammenhang nur vermutet werden, da irgendwelche Konturen eines Grabes in der Hügelaufschüttung nicht erkennbar waren. Außerhalb dieser Fundansammlung lagen nahe der Hügelperipherie noch vereinzelte Gefäßscherben (FNr. 12), darunter eine mit flachem Bodenansatz (Abb. 2 b). Unter dem Steinplattenlager im Südost-Quadranten kamen zwei weitere kleine Scherbenstellen zum Vorschein (FNr. 7 und 8).

Die Funde:

Von der auffallend geringen Ausbeute an Fundmaterial aus diesem Grabhügel sind nur folgende Stücke verwertbar:

1. FNr. 2: (NO-Quadrant) (Abb. 2 a)
Kleines, roh geformtes, lederbraunes Gefäß. H: 7,2 cm; Mdgs.Dm: 9,0 cm; gr. Dm: 10 cm; Bod.Dm: 6,3 cm.
Flacher Standboden; Fußteil schwach eingezogen; konisch bauchige Gefäßwandung,
zur Mündung leicht einbiegend; Rand gerundet.
Oberfläche rauh, uneben.
Ton: grob schwach gemagert; sehr mürbe; im Bruch schwarz, in den Randpartien
jedoch braun.
Fußteil leicht beschädigt.

2. FNr. 13: (NW-Quadrant) (Abb. 2 d)
Bronzenadel mit bandförmig umgebogenem Kopfteil; Spitze abgebrochen.
Erhaltene Länge: 4,9 cm; Schaftstärke 2,5 cm; Breite des bandförmigen Kopfes 0,5 cm.
Oberfläche stark korrodiert.

3. FNr. 14: (NW-Quadrant) (Abb. 2 c)
Kleines, aus zahlreichen Scherben rekonstruiertes Gefäß; in seiner Form völlig schief
und asymmetrisch; roh geformt.
Bod.Dm: 5,7 cm; H: 8,4 cm; Mdgs.Dm: 10,8 cm; WSt 0,4 cm.
Flacher Standboden, Fußteil eingezogen; konische, nur schwach gewölbte Wandung;
gerundeter Rand leicht nach außen umgebogen. An einer Stelle ist der Rand schwach
zipfelförmig ausgezogen.
Oberfläche: außen lederbraun, stumpf; Innen: graubraun, uneben, rauh.
Ton grob gemagert, mürbe; im Bruch schwarz. Fußteil weist Knetspuren auf.

Bei den übrigen keramischen Funden handelt es sich um kleine Wandbruchstücke, die
eine Rekonstruktion des Gefäßtypes nicht erlauben. In der Materialbeschaffenheit gleichen sie sich jedoch völlig und stimmen auch mit den beiden beschriebenen Gefäßen überein.
Verbleib der Funde: Landesmuseum Hannover.


Abb. 2
Pöhlde, Kr. Osterode
Grabhügel 5
a FNr. 2;  b FNr. 12;  c FNr. 14;  d FNr. 13
M. 2 : 3 Zeichnung: E. Grindel

Die kleine Rollenkopfnadel (FNr. 13) besitzt verhältnismäßig geringe Aussagekraft. Derartige Nadeltypen können von der frühen bis in die späte Bronzezeit auftreten, sie erlauben weder für Verbreitungsfragen noch für chronologische Zwecke weiterreichende Schlüsse2.

Die beiden Gefäße (FNr. 2 und FNr. 14) sind ohne weiteres jener Gefäßgattung zuzustellen, für die E. Sprockhoff die Bezeichnung "Kümmerkeramik der älteren Bronzezeit" geprägt hat3. Beide entsprechen der von ihm gegebenen Charakteristik: "Die einfachen Näpfe sind meist etwas breiter als hoch; ihr Rand ist uneben, oft etwas einwärts gebogen, mitunter gewellt und die Fußpartie mehr oder weniger eingezogen. Bezeichnend ist die schlechte Machart; der Ton ist gewöhnlich stark gemagert. Die Stärke der Gefäßwandung - besonders im Bodenteil - steht in keinem Verhältnis zu der Kleinheit des Gefäßes." Als Besonderheit kommt bei dem kleinen becherförmigen Gefäß (FNr. 14) noch hinzu, daß sein stellenweise nach außen schwach umgebogener
Rand an einer Stelle zipfelförmig hochgezogen ist. Da jedoch dieser kleine, asymmetrisch gestaltete Napf nur noch aus Bruchstücken rekonstruiert werden konnte, läßt sich nicht sagen, ob diese "zipfelähnliche" oder "wellige" Gestaltung des Randes in regelmäßigen Abständen erfolgte, wie z. B. bei den von E. Sprockhoff bekanntgegebenen Funden aus Vorwohle (Hügel D), Harmhausen-Wesenstedt4 und Hülsten, Kr. Borken5.

Wenn auch das Fundmaterial aus diesem Grabhügel nicht besonders repräsentativ
wirkt, so genügt es dennoch, seine zeitliche Einordnung in die frühe Bronzezeit auf Grund des einheitlichen und kennzeichnenden keramischen Materials zu belegen.

Da die frühe Bronzezeit Südniedersachsens noch immer nur verhältnismäßig lückenhaft bekannt ist, mag auch dieser recht bescheidene Grabungsfund als ein Beitrag zur weiteren Erforschung bewertet werden.

F. Holste hat das südniedersächsische Gebiet während der frühen Bronzezeit als eine Mischungszone und Durchgangsland von ganz besonderer Bedeutung bezeichnet, wobei besonders der Leineweg in voller Deutlichkeit hervortritt6.
Aber er, wie auch alle späteren Bearbeiter fußen bei ihren Betrachtungen nahezu ausschließlich auf der Aussagekraft der Bronzefunde7. Bestattungsbrauch und Grabbau dürfen jedoch nicht unberücksichtigt bleiben. Die Kenntnis hierüber ist jedoch mangels ausreichender neuerer Grabungsergebnisse sehr unvollkommen.

Berücksichtigt man die Feststellungen A. Kühnes über die Hügelgrabfunde Südniedersachsens8 und die Grabhügelverzeichnisse, die F. B. Jünemann für den Kreis Münden zusammengestellt hat9, so könnte der Eindruck entstehen, daß Steinhügelgräber, bestehend aus Blockpackungen, Steinmantel und peripherem Steinkreis, eine im Gebiet westlich der Leine kennzeichnende Grabform darstellen, während im ostwärtigen Gebiet diese zu fehlen scheint. Im nordhessischen Gebiet hat O. Uenze auf Grund des Grabbrauches zwei landschaftlich
getrennte Gruppen unterschieden10.Es wäre daher zu überprüfen,  ob oder inwieweit die Verbreitung der südniedersächsischen Steinhügelgräber lediglich von den natürlichen Gegebenheiten des Untergrundes abhängig ist; sie scheinen nach der Kartierung A. Kühnes vornehmlich im Bereich des Muschelkalks vorzukommen, wo Steinmaterial in genügender Menge vorhanden war, während in weniger steinreichen Gebieten Erdhügel errichtet worden sind. Außerdem muß aber auch die Frage gestellt werden, ob sich etwa hinter diesen unterschiedlichen Grabbauformen ein chronologischer Unterschied verbirgt, wie es z.B. R. Feustel11 für die Hügelgräber von Schwarza/Südthüringen beobachtet hat, wo die ältesten Gräber keinen oder nur geringen Steinschutz, die jüngsten aber Steinkammern besaßen.

Beim augenblicklichen Stand der Forschung über die frühe Bronzezeit Südniedersachsens ist es noch nicht möglich, diese einzelnen Fragen einer Klärung näherzubringen. Eine auf neuen Grabungsergebnissen basierende Gesamtbearbeitung stellt ein dringendes Desiderat der Forschung dar.

Martin Claus

1M. Claus, Grabungen auf der Wallanlage König Heinrichs Vogelherd bei Pöhlde, Krs. Osterode a. Harz. Neue Ausgrabungen und Forschungen in Niedersachsen 1, 1963, 152 ff; Abb. 1Historisch-Landeskundliche Exkursionskarte von Niedersachsen, M. 1 : 50 000, Blatt Osterode a. Harz (1970).
D. Denecke, Methodische Untersuchungen zur historisch-geographischen Wegeforschung im Raum zwischen Solling und Harz. Göttinger Geograph. Abhandlungen, H. 54, 1969.
2R. Maier, Untersuchung zweier Hügelgräber in der Gemarkung Werder, Kr. Hildesheim-Marienburg. Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 38, 1969, 124 ff.; Abb. 9 b.
E. Sprockhoff, Hügelgräber bei Vorwohle, Kr. Sulingen. Praehist. Zeitschr. 21, 1930, 193 ff.; Abb. 11 a.F. Holste, Die Bronzezeit im nordmainischen Hessen (1939) 63.
3E. Sprockhoff, a.a.O., S. 193 ff.
E. Sprockhoff, Niedersachsens Bedeutung für die Bronzezeit Westeuropas. 31.Ber. RGK, T. 2, 1941, 12 ff.
4E. Sprockhoff, Praehist. Zeitschr. 21, 1930, Abb. 13 und 23.
5E. Sprockhoff, 31. Ber. RGK, Taf. 10, 1.
6F. Holste, Zur älteren Bronzezeit Südhannovers. Mannus 26, 1934, 46 ff.
7J. Bergmann, Zur älteren Bronzezeit Südniedersachsens. Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 16 (1970) 29 ff.
8Die Kunde 6, 1938, 89 ff.
9F. B. Jünemann, Urgeschichtliche Bodendenkmalpflege im Kreise Münden. Jahresberichte Nr. 4-10, 1954-1960.
O. Höckmann, Die Muschelkalk-Steinhügel im Dransfelder Wald. Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern, Bd. 16 (1970).
10O. Uenze, Hirten und Salzsieder (Bronzezeit). Vorgeschichte von Nordhessen, 3. Teil (1960) 151 ff.
11R. Feustel, Bronzezeitliche Grabhügel im Gebiet von Schwarza (Südthüringen).
Veröffentlichungen des Museums für Vor- und Frühgeschichte Thüringens 1 (1958) 2f.



Quelle: CLAUS, Martin (1973): Ein frühbronzezeitlicher Grabhügel auf dem Rotenberg bei Pöhlde, Kr. Osterode a. H.. - Nachr. Niedersachs. Urgeschichte 42:238-244, 2 Abb., Hildesheim

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