Harz Geschichte
Vor 250 Jahren zerstört - heute ein kultureller Mittelpunkt

Die Reichsburg Scharzfels

Von Wilfried Henkel

Am 29. September - Michaelistag 1761 wurde die einst überregional bedeutende Reichsburg „Scharzfels“ von einem französischen Truppen- kontingent unter den Generalen Victor und Vaubecourt besetzt und vollkommen zerstört. Für die Bewohner des Südharzes ein besonderer Anlass am 28. August 2011 an diese sinnlose Vernichtung vor 250 Jahren mit einem Festakt und Gottesdienst zu erinnern.


Die Burg Scharzfels auf einem Gemälde

„Scharzfels“ Geschichte von 1131 bis 1761

Will man der geschichtlichen Bedeutung dieser Felsenburg, auf einem Dolomitfelsen ob des Flüsschens Oder in sichtbarer Nähe des Dorfes Barbis gelegen, Aufmerksamkeit schenken, so kommt man an Lothar III. von Supplinburg, König und Kaiser von 1125-1137, nicht vorbei.
Lothar, der letzte große und erfolgreiche Kaiser aus dem Sachsenlande hatte sich vom armen Burggrafen von „Supplinburg“ an die Spitze des Reiches gekämpft und wurde 1125 zum König gewählt.


Ruine Scharzfels

Der große Besitz seiner Frau Richencia, denn diese hatte als Alleinerbin umfangreiche Güter im Sachsenlande zu erwarten, vergrößerte seinen politischen Einfluss. Ziel Lothars war es, das und den „Saliern“ verlorene Reichsgut im Harzraum zusammenzufassen und auszubauen.
So kam es auf dem Reichstag zu Goslar 1131 zum Nutzen des Reiches zum Gütertausch: Bischof Norbert vom Erzstift Magdeburg erhielt die reiche Abtei Alsleben im Mansfelder Land und Lothar konnte „Scharzfels“ mit Zubehör sein Eigen nennen. „Scharzfels“ wurde zur Reichsburg und zum Reichslehen aufgebaut.

Eine lebendige wechselvolle Geschichte bahnte sich an: 1132 wird der Edle Sigebodo von „Scartvelt“ als Inhaber der Burg genannt. Sigebodo dürfte der Stammvater der Grafen von „Scharzfels“ gewesen sein. In geachteter Stellung erscheint er 1134 in AlIstedt auf Urkunden Kaiser Lothars. Auch unter dem mächtigen Geschlecht der Staufer, ab 1138 Konrad der III., wird er 1147 als Graf in Kaisernähe genannt.
Die Reichsburg fällt durch Tausch zwischen Friedrich Barbarossa und Heinrich dem Löwen an das Herzogtum Sachsen. Politisch war „Scharzfels“ welfisches Landeslehen geworden.
1180, mit dem Fall Heinrich des Löwen, können sich die Grafen von „Scharzfels“, die sich nach 1183 auch von Lutterberg nannten, unter den Staufern behaupten, sie werden auf Reichstagen in Kaisernähe genannt. In dieser Zeit teilt sich die Grafschaft in „Scharzfels“ und „Lutterberg“.


14 Der Harz 01/2012

Im 13. und 14. Jahrhundert sterben beide Häuser aus und die verwaisten Grafschaften werden 1402 als Lehen der Fürsten von Grubenhagen an die Grafen „Honstein“ verlehnt. Die Honsteiner betrachteten das erhaltene Lehen, denn sie litten unter ständigem Geldmangel, als ein willkommenes Pfandobjekt. Bis zu ihrem Aussterben 1593 hatten sie ständig, zum Leidwesen der Bevölkerung, Händel mit ihrem Vertragspartner, den Fürsten von Grubenhagen.
1593 fällt die Grafschaft als erledigtes Lehen an das Haus Grubenhagen zurück und wird nicht mehr verlehnt. Herzog Wolfgang von Grubenhagen lässt die Grafschaft von Amtmännern verwalten, die dem Amtsbezirk vorstehen und auf „Scharzfels“ residieren.
Lange können sich die Herren von Grubenhagen ihres Zugewinns nicht erfreuen, denn 1596 stirbt auch dieses ehrwürdige welfische Geschlecht, welches uns im Niedersachsenwappen „Weißes Ross auf rotem Grund“ lebendig bleibt, aus.
Kurzfristig, bis 1617, halten die Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel das Fürstentum besetzt, müssen es aber an die erbberechtigten Herzöge der welfischen Linie von Braunschweig-Celle abtreten.
Aus dieser Vereinigung und der weiteren Verbindung mit dem Fürstentum Hannover-Calenberg entstand das Haus „Hannover“, welches unter Herzog Ernst-August 1692 die Kurwürde erlangte.
So war die Burg „Scharzfels“ ein „churfürstlich hannoversches Bergschloss“ geworden.

Im 17. und 18. Jahrhundert erlangte die Burg unter den hannoverschen Herzögen und Kurfürsten als Festung, Garnison und Staatsgefängnis besondere Bedeutung: Unliebsame Untertanen, auch hohe Staatsbeamte, die in Ungnade gefallen waren, schloss man in der Abgeschiedenheit der Burg ein. Eleonore von dem Knesebeck dürfte wohl die berühmteste Gefangene auf „Scharzfels“ gewesen sein. Als Kammerzofe der Kurprinzessin Sophie Dorothea - Frau des Kurprinzen Georg - wusste sie von Sophies Liebschaft zu dem Grafen von Königsmarck.
Das Tete-a-tete wurde bekannt: Sophie ging nach Schloss „Ahlden“ und lebte dort bis 1726 vollkommen isoliert und getrennt von ihren Kindern; Königsmarck wurde von einem Italiener ermordet und Eleonore v.d. Knesebeck landete von 1695 bis 1697 im Staatsgefängnis „Scharzfels“. Sie wurde von dem Dachdecker Hans Veit Rentsch aus Herzberg befreit und konnte im Herzogtum „Braunschweig- Wolfenbüttel“ untertauchen.

Die Zerstörung der Burg am 29. September 1761 (Michaelistag)

Mitte September 1761, im Siebenjährigen Krieg, umschlossen großräumig übermächtige französische Truppenkontingente unter den Generalen Victor und Vaubecourt die Festung „Scharzfels“, um sie zu erobern. Alle Unternehmungen blieben erfolglos. Erst durch Verrat kam man auf dem Liethberg in eine günstige strategische Position. Die Tage von „Scharzfels“ waren gezählt, obwohl der Festungskommandant, Hauptmann von Issendorf, mit seiner Besatzung tapferen Widerstand leistete.

Ruine Scharzfels um 1875

Die Franzosen waren voller Euphorie, des Erfolges sicher, hatte man schon einen Kurier nach Paris geschickt, der den grandiosen Sieg zu vermelden hatte. Die bedeutendste Festung mit unermesslicher Beute war nach heldenhaftem Kampf eingenommen worden. Mit Siegesfanfaren, Freudenschüssen und Glockengeläut der „Notre Dame“ wurde die Eroberung der größten Festung Deutschlands gefeiert.

Übergabe der Burg an die Franzosen

Am 25. September 1761 erkannte Hauptmann von Issendorf die Aussichtslosigkeit und übergab, um Schlimmeres auszuschließen, die Feste an die Franzosen.

Hauptmann Nero von den Franzosen war nicht mehr zu bremsen, er begann sofort mit der Bestandsaufnahme, um das Beutegut mit Bauernkarren aus der Umgebung von „Scharzfels“ abtransportieren zu lassen. Groß war die Enttäuschung: Die einziehenden Generale durften veraltete Kanonen, Pulverkarren und sonstiges Gerümpel ihr Beutegut nennen.

Welch eine Blamage, besonders vor der Obrigkeit in Paris. Die Bauern mit ihren Transportkarren schickte man wieder talwärts und Hauptmann Nero, man könnte ihn mit seinem römischen Namensvetter vergleichen, war außer sich vor Wut.
Die anfängliche Siegesfreude schlug in grenzenlose Zerstörungswut um. Die strategisch unbedeutend gewordene Anlage wurde vollkommen gesprengt und abgebrannt. Die Tore, durch die einst Kaiser, Könige, Herzöge, Grafen und Äbte zogen, um beim Jagdgelage zu feiern, lagen als Steinhaufen im Umfeld.

Die Bewohner der umliegenden Dörfer zeigten anfangs Begeisterung über die zerstörte Burg, wurden sie als Reihehausberechtigte (heute Mitglieder der Forstgenossenschaft) nicht mehr zu Hand- und Spanndiensten herangezogen.

Die anfängliche Freude schlug bald in Wehmut um, war doch der Dienst eine angenehme Abwechslung mit allerlei Vergnügungen bei Bier und Wein in der sonstigen Tristesse des Alltags gewesen.


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Ruine „Scharzfels“ ein kultureller Mittelpunkt am Harz!

Während andere verfallene Burgen im ehemaligen Fürstentum „Grubenhagen“ wie „Windhausen“, „Hindenburg“, „Lichtenstein“, um einige zu nennen, in Vergessenheit gerieten bzw. bestenfalls als Steinbruch dienten, entwickelte sich „Scharzfels“ als kultureller Mittelpunkt am Südharz.

Besonders im 19. Jahrhundert erfreute sich „Scharzfels“ überregionaler Begeisterung. In dieser Zeit des nationalen Aufbruchs, Historiker nennen diese Epoche „Romantik“, besann man sich auf das Mittelalter mit seinen Burgen, Klöstern, Kirchen und Ruinen. Auch „Scharzfels“ mit seiner herausragenden Lage, dem historischen Burghof mit seiner imposanten Kulisse, die optimale Akustik eingeschlossen, bot den Rahmen für kulturelle Veranstaltungen aller Art. Sängerfeste, teilweise mit mehr als 200 Sängern wurden ab 1839 in regelmäßigen Abständen abgehalten und erfreuten die Gäste. Die Turnerschaft des Harz-Kyfflhäuser-Gaues hatte den Wert der Ruine als Austragungsort für Turnfeste erkannt und versammelte sich häufig auf dem Festplatz vor dem Ruinenfelsen, um seine Turndisziplinen zu demonstrieren. 1905 waren Tausende, Turner und Schaulustige, erschienen, um das große Schlossbergturnfest, die größte Veranstaltung seiner Zeit, zu erleben.
Der ahnenstolze König Georg d. V. setzte der allgemeinen Begeisterung noch eins drauf, indem er 1857 eine historische Treppe mit Torbogen als Zugang zur Oberburg und das doppelte Burgtor im neugotischen Stil bauen ließ. Für fahrende Schauspielbühnen das gesuchte Ambiente, um ihr Repertoire anzubieten. Die Lauterberger Festspielzeit auf „Scharzfels“ war fester Bestandteil des sommerlichen Kulturangebotes geworden.
Eine besondere Ehrung erfuhr der Südharz, als eine Burgen-Schiffs-Klasse vom Stapel lief und eines dieser Schiffe mit dem Namen „Scharzfels“ die Weltmeere durchkreuzte und „Scharzfels“ in alle Länder trug.


Scharzfels auf einem Merian-Stich von 1654

In den Jahren nach dem I. Weltkrieg war kaum noch Interesse an kulturellen Veranstaltungen auf „Scharzfels“. Ab und zu verlief sich ein Wanderer und hin und wieder gab es Maiveranstaltungen der örtlichen Belegschaften. Mit allerlei Baumbewuchs eroberte sich die Natur ihr angestammtes Territorium zurück. Die einstige Bedeutung der Ruine mit ihrem Charme ließ sich nur noch erahnen.
Da gab es beherzte Männer aus den Harzklubzweigvereinen Barbis, Bad Lauterberg und Scharzfeld, die Willens waren, um die verwahrloste Ruine zu kämpfen. Die Südharzer unter der Führung des Zweigvereins Barbis verstanden es, die Behörden - Bez.Reg. Hildesheim, Landkreis Osterode am Harz, Stadt Bad Lauterberg und die Gemeinden Barbis und Scharzfeld - von dem Ernst der Lage zu überzeugen und für die Rettung zu begeistern.
Ein Rettungsbund machte es sich zur Aufgabe, „Scharzfels“ vom Dornröschenschlaf zu befreien.
Im Laufe des Sommers 1961 - pünktlich zur 200jährigen Erinnerungsfeier der Zerstörung „Scharzfels“ - war deutlich zu erkennen, dass nach 50 Jahren ein neuer Zeitabschnitt begann. Nicht nur die Fanfarenstöße von den Zinnen der Oberburg leiteten diesen Abschnitt ein, auch rege Bautätigkeit ließ Großartiges erkennen. Eine Freitreppe zur Oberburg war im Rohbau fertig, eine „Schutzhütte“ mit Ausschank wird entstehen und die Schanktradition, wie sie früher in Sommermonaten üblich war, beleben. Ein Jahr später, am 28. und 30. 09.1962, wurde die „Schlossberghütte“ feierlich der Öffentlichkeit übergeben.
In den folgenden Jahren entwickelte sich die Raststätte zu einem wahren Publikumsmagnet; kleine und große Feiern wurden ausgerichtet. Die Feiern zum Jahreswechsel hatten einen besonderen Stellenwert.

Wenn es darum ging, die Anlage zu pflegen bzw. zu verschönern, arbeiteten Harzklubzweigverein Barbis und Nieders. Landesforsten gut zusammen. 1996 konnten mit Hilfe der Nieders. Landesforsten - Forstoberrat Arnulf Kühl sollte für seinen Verdienst erwähnt werden - umfangreiche Restaurierungsmaßnahmen durchgeführt werden.
Über die restauriert historische Treppe ist der Aufstieg zur Oberburg wieder möglich, so dass die Freitreppe aus den 1960er Jahren überflüssig und abgetragen wurde.

In der Schlussbetrachtung sollte der Redakteur Erich Meyer zitiert werden, der 1961 in seinem Artikel zum Festakt zur 200jährigen Wiederkehr der Zerstörung von „Scharzfels“ voller Begeisterung feststellte: „dass die Trennung Deutschlands verschwinden und Geschichte werde, weil das Zusammengehörigkeitsgefühl des Deutschen und die Heimatliebe stärker sind als jede politische Macht.
Das wird man bewusst empfinden, wenn man dort oben steht und damit wird die Burg „Scharzfels“, obwohl sie Ruine ist, eine stärkere Festung werden, als sie je war.“ - Erich Meyer lag richtig mit seiner Prognose!

Quellenhinweis:
Heimatbeilage „Rund um den Hausberg“ des Bad Lauterberger Tageblattes Helmut Streitparth, Mitglied der Archivgemeinschaft Bad Lauterberg


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