2. Südharz-Symposium 11.-13. September 1998 in Walkenried

 
„Stoffstrommanagement und nachhaltige Entwicklung-
Methodenaufriß zum Umgang mit nicht erneuerbaren Ressourcen“

Vortrag von Dr. Manfred Wendt
 

Spätestens seit die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ ihren Bericht „Die Industriegesellschaft gestalten - Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen“ vorgelegt hat, wird Stoffstrommanagement als ein Ansatz diskutiert, der zusammen mit betrieblichem Umweltmanagement und im Rahmen stoffpolitischer Instrumente geeignet erscheint, der Verwirklichung einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung, dem zentralen Leitbild der Enquete-Kommission für den Umgang mit Stoffen, näher zu kommen.
Das Konzept des „Stoffstrommanagements“ ist eine Antwort auf die Umorientierung der Umweltpolitik in den achtziger Jahren. Dieser Wechsel führte von einer medialen hin zu einer umweltmedienübergreifenden Sichtweise. Einzelstoffbetrachtungen wurden abgelöst durch systemare Stoffstromdarstellungen.
Die Grenzen der ordnungsrechtlichen Maßnahmen wurden insbesondere bei den Stoffen deutlich, die durch eine massenhafte Anwendung und die dadurch erzeugten Massenströme zu Überlastungen der Umwelt führen. Es bestand Konsens darüber, daß es zu einer Begrenzung der Massenströme kommen muß.
Aus der begrenzten Belastbarkeit der Ökosysteme und der Vorstellung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise (das zentrale Leitbild des Stoffstrommanagements ist eine nachhaltige Wirtschaft) lassen sich Umweltqualitätsziele ableiten (Abbildung 1).

Abb. 1: Umweltqualitätsziele, Umweltziele /1/

Um diese Ziele zu erreichen, hatte die Kommission für den engeren Bereich der Stoffe und Produkte vorgeschlagen, verbindliche Umweltziele bzw. Emissionsreduktionsziele zu setzen. Im Rahmen eines Stoffstrommanagements der verschiedenen gesellschaftlichen Akteure sollen diese möglichst effizient umgesetzt werden. Durch Orientierung am Leitbild der Nachhaltigkeit werden ökonomische und soziale Ziele einbezogen.
Stoffstrommanagement ist also das aktive und effiziente, an anspruchsvollen Umweltzielen orientierte, produktlinien- und medienübergreifende Beeinflussen von Stoffströmen (Definition des Öko- Institutes e.V.).
Stehen die Ziele fest, umfasst das Stoffstrommanagement im engeren Sinne die Schritte Stoffstromanalyse, Stoffstrombewertung, Strategieentwicklung, Umsetzung und Erfolgskontrolle, wobei die Aufgaben den beteiligten Akteuren klar zugeordnet werden. (Abbildung 2) 

Abb. 2: Schritte eines Stoffstrommanagements /2/

Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ hat eine erste Auswahl ökologisch relevanter Stoffströme und Anwendungsfelder für ein Stoffstrommanagement identifiziert. Sie hat sich bei ihrer Auswahl eng an die ökologischen Problemfelder angelehnt, 
die im Nationalen Niederländischen Umweltplan (NEPP) genannt worden sind:

  • Treibhauseffekt
  • Abbau des stratosphärischen Ozons
  • Photooxidation
  • Versauerung von Böden und Gewässern
  • Eutrophierung von Gewässern
  • Eintrag toxischer und ökotoxischer Stoffe in die Umwelt
Die zentralen Bereiche „Erschöpfung natürlicher Ressourcen“ und „Deponierung von Abfällen“, die im niederländischen Konzept enthalten sind, werden in der seitens der Kommission vergebenen Studie jedoch nicht genannt.
Es bleibt festzuhalten, daß die Präzisierung und Konkretisierung der Entwicklung im Hinblick auf einen nachhaltigen Umgang mit endlichen Ressourcen noch am Anfang steht. Die Kommission hat hierfür die zweite grundlegende Regel „Nutzung nicht-erneuerbarer Ressourcen“ formuliert. Danach soll die Abnahme durch laufenden Verbrauch dadurch ausgeglichen werden, daß der Bestand erneuerbarer Ressourcen, die für denselben Zweck eingesetzt werden können, zunimmt. Eine andere Variante dieser Regel verlangt, nicht erneuerbare Ressourcen nur in dem Maß zu verbrauchen, wie die technische Effizienz bei der Verarbeitung der Rohstoffe steigt.
In dem Bericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ wird ein Beispiel für die Umsetzung der zweiten grundlegenden Regel genannt. Es betrifft die politische Praxis hinsichtlich der Nutzung der Erdöl- und Erdgasvorräte in Norwegen.
Nach derzeitigem Kenntnisstand sind die nutzbaren Vorräte auf wenige Jahrzehnte begrenzt. Deshalb betreibt die norwegische Regierung eine Vorsorgestrategie. Ein großer Teil der Erlöse aus dem Erdölverkauf wird für den Aufbau von Nutzungsmöglichkeiten erneuerbarer Ressourcen verwendet.

Welche Ansätze zum Stoffstrommanagement existieren bereits?

Das Institut Kommunikation & Umweltplanung (iku) untersuchte im Rahmen der Studie „Aufgaben des betrieblichen und betriebsübergreifenden Stoffstrommanagements“ des Umwelt-bundesamtes aktuelle und geplante Kooperationsprojekte am Beispiel Möbelindustrie /3/
Die verschiedenen Typen von bereits existierenden Unternehmenskooperationen sind in Abbildung 3 dargestellt. Typisch sind Kooperationen zwischen Möbelherstellern und Zulieferern, während Kooperationen zwischen verschiedenen Möbelherstellern eher ungewöhnlich sind.

Abb. 3: Mögliche Kooperationen am Beispiel "Möbelindustrie" /3/

Bei den beispielhaften Betrachtungen von Stoffströmen legte die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ einen Schwerpunkt auf die Stoffstrombetrachtung entlang der textilen Kette. In ihrem Bericht unterscheidet sie zwischen Haupt- und Nebenlinien dieser Kette. Die Hauptlinie der textilen Kette wird durch den Stoffstrom gebildet, an dem die Faser unmittelbar beteiligt ist. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Schritte, deren Analyse für eine umfassende Betrachtung der Hauptlinie benötigt wird. Sie bilden die Nebenlinien (Abbildung 4). Beide Linien besitzen ihre Bedeutung für die ökologische Optimierung der Stoffflüsse innerhalb der Herstellungskette.

Abb. 4: Stoffstrombetrachtung der Haupt- und Nebenlinien entlang der textilen Kette /2/

In Niedersachsen beauftragte das Niedersächsische Landesamt für Ökologie das Öko-Institut e.V. aus Freiburg mit der Durchführung des Projektes „Stoffstrommanagement Gips als Beitrag zum nachhaltigen Ressourcenschutz in Niedersachsen“, um mit diesem Ansatz zu einer Auflösung des Konfliktes Rohstoffgewinnung contra Naturschutz zu kommen. Die Ergebnisse dieser Vorstudie wurden im Rahmen der NLÖ-Reihe „Nachhaltiges Niedersachsen Heft 4“ /4/ veröffentlicht.
Als erster Schritt im Sinne des Stoffstrommanagements wird eine orientierende Stoffstromanalyse „Gips“ durchgeführt (Abbildung 5).

Abb. 5: Stoffströme „Gips/Anhydrit“ in der Bundesrepublik Deutschland 1991

Neben der Beschreibung des gegenwärtigen Standes der relevanten Stoffströme wird auch die zukünftige Entwicklung abgeschätzt. In einem weiteren Schritt werden die im Sinne eines Stoffstrommanagements relevanten Akteure benannt (Tabelle 1-3). Mit diesen Akteuren wurden im Rahmen eines Workshops Strategien für ein weiteres, umsetzungsorientiertes Vorgehen diskutiert.
 


Tab. 1: Akteursanalyse „Rohstoffgewinnung“

 
EbeneAufgabenAkteure
1a Naturgips
Gesetzgebung / PolitikBergrecht
Naturschutzgesetzgebung
Bundesregierung
Landesregierungen
untergeordnete Behörden
RohstoffgewinnungAbbau von NaturgipsGipswerke mit Rohstoffbasis
Industrieverbände:
- AG Harzer Gipsunternehmen
- BV Gips- u. Gipsbauplattenindustrie
Umwelt- und Naturschutzverbände
1bREA-Gips
Gesetzgebung / Politik Bergrecht
Naturschutzgesetzgebung
Immissionsschutzgesetzgebung
Klimaschutzziel (CO2-Reduktion)
EU-Kommission
Bundesregierung
Landesregierungen
untergeordnete Behörden
RohstoffgewinnungAbbau von KalksteinKalkwerke mit Rohstoffbasis
Industrieverbände
Umwelt- und Naturschutzverbände
Energieerzeugung Rauchgasentschwefelung Energieerzeugungsunternehmen
Industrieverbände:
- BV Kraftwerksnebenprodukte 
- Vereinigung der Großkraftwerksbetreiber
Umwelt- und Naturschutzverbände
1cGips aus Bauschuttrecycling 
Gesetzgebung / PolitikKreislaufwirtschaftsgesetzBundesregierung
Landesregierung
untergeordnete Behörden
BauschuttaufbereitungRückgewinnung von GipsBauschuttrecyclingunternehmen
Architekten
Bauträger
Industrieverbände:
-BV Dt.Recycling-Baustoff-Industrie 
Umwelt- und Naturschutzverbände

 

Tab. 2: Akteursanalyse „Rohstoffverarbeitung“

 
EbeneAufgabenAkteure
2GipsindustrieProduktion v. GipserzeugnissenGipswerke
Industrieverbände:
- AG Harzer Gipsunternehmen
- BV Gips- u. Gipsbauplattenindustrie
Normungsgremien (ISO, DIN)
ZementindustrieProduktion von ZementZementwerke
Industrieverbände:
- BV der Dt. Zementindustrie

 

Tab. 3: Akteursanalyse „Vermarktung/Verbrauch“

 
EbeneAufgabenAkteure
3BaubereichNeubau, Renovierung, etc.Bauunternehmen
Industrieverbände:
- HV der Dt. Bauindustrie
Handel
Kleinverbraucher
keramische Industrie
Medizinbedarf
 Unternehmen d. keramischen Industrie
Medizintechnik, Krankenhäuser, etc.

 

Literatur:
/1/Öko-Institut e.V.
Institut für angewandte Ökologie
Freiburg, Darmstadt, Berlin
Broschüre „Stoffwechsel“ (globaler Stoffwechsel/lokaler Stoffwechsel)
/2/Bericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt - Bewertungskriterien und Perspektiven für Umweltverträgliche Stoffkreisläufe in der Industriegesellschaft“
des 12. Deutschen Bundestages
- Die Industriegesellschaft gestalten
Perspektiven für einen nachhaltigen Umgang mit Stoff- und Materialströmen -
Economica Verlag, Bonn 1994
/3/Institut Kommunikation & Umweltplanung, Dortmund 1997
Stoffstrommanagement durch produktoptimierende Kooperation
- Erfahrungen in der Möbelbranche -
in : iku - Kommunikation Dortmund 1997
/4/Niedersächsisches Landesamt für Ökologie
Stoffstrommanagement Gips als Beitrag zum nachhaltigen Ressourcenschutz in Niedersachsen
- Vorstudie -
in : Nachhaltiges Niedersachsen
Dauerhaft umweltgerechte Entwicklung
Heft 4 1997

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